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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Sie Grafen von Altenschroerdt.

Der Baron schien eine besondre Zuneigung zu dem fremden Maler gefaßt
zu haben. Er erwies ihm bei seinem zweiten Besuche die Gunst, ihm seinen
Stall zu zeigen. Ja er ließ einen hellbraunen Wallach, den er vor kurzem
gekauft hatte, herausführen, um des Gastes Meinung über das Tier zu ver¬
nehmen. Der Gaul zeigte sich sehr unbändig, so daß der Baron in Zweifel
war, ob er bei seinem Alter ihn werde reiten können. Eberhardt ließ ihm den
Sattel auflegen und ritt ihn in allen Gangarten auf dem Hofe, wo sich
eine kleine Reitbahn im Maßstabe eines Zirkus befand. Der Baron und seine
Tochter sahen zu, und sie waren beide erfüllt von Anerkennung der trefflichen
Haltung und geschickten Zügelführung des Reiters.

Er war Leutnant bei den Dragonern während des Feldzuges, weißt du, sagte
der Baron zu Dorothea, als suche er ihr eine Erklärung des auffallenden Um-
standes zu geben, daß ein Maler so gut im Sattel sitze.

Dorothea nickte. Sie hatte nichts andres erwartet, als daß dieser Mann
von so ritterlichem Aussehen in allen ritterlichen Künsten Meister sei. Sie
verfolgte mit nachdenklichen Blicke die Schritte des Pferdes im Kreise der
Bahn, und ihre Wangen röteten sich, indem sie die stolze Haltung und das
Heller als sonst blitzende Ange Eberhardts beobachtete. Was mochte es für
ein Geheimnis sein, das hinter dem äußern Auftreten dieses ungewöhnlichen
Malers verborgen lag?

Der Baron schien den Fremden förmlich in sein Herz zu schließen, seitdem
er ihn hatte reiten sehen. Sonst war er zugeknöpft und kalt gegen neue Be¬
kanntschaften, selbst mit der Nachbarschaft der Gutsbesitzer hielt er nur ein
kühles, eben der Höflichkeit gerecht werdendes Verhältnis aufrecht. Aber gegen
Eberhardt war er offen, gesprächig, Eberhardt behandelte er als seinesgleichen.
Er hatte einen Anfall von Podagra in jenen Tagen, der ihn nötigte, im
Zimmer zu bleiben, und eines Abends, als der Graf versäumte, ihn zu be¬
suchen, schickte er einen Boten mit einem Wagen zum frischen Hering hinaus,
um Eberhardt zu einer Partie Schach einzuladen.

Es ist ein sehr anständiger Kerl, sagte er zu seiner Tochter, wie um ihr
gegenüber diesen Schritt zu entschuldigen. Man kann ein vernünftiges Wort
mit ihm reden, und er hat von demagogischen Ansichten so wenig, wie man es
von einem seiner Herkunft nur erwarten kann.

In Wahrheit bestand das vernünftige Gespräch zwischen beiden darin, daß
der Baron auf die neuen Zeiten schalt und Eberhardt nichts darauf erwiederte.
Eberhardt hatte, wenn er im Schlosse war, besseres zu thun, als über Politik
zu streiten. Das Schloß übte auf ihn eine mächtige Anziehungskraft aus, seine
Mauern umgaben ihn wie die Wände einer lange vermißten Heimat. Wenn er
in der Ecke der hohen Halle saß und seinen Blick über die Porträts und Trophäen
spazieren führte, wenn er Dorotheeus graziöse Gestalt sich hin und her bewegen
sah und sie beobachtete, während sie mit dem silbernen Kessel auf dem Theetisch


Sie Grafen von Altenschroerdt.

Der Baron schien eine besondre Zuneigung zu dem fremden Maler gefaßt
zu haben. Er erwies ihm bei seinem zweiten Besuche die Gunst, ihm seinen
Stall zu zeigen. Ja er ließ einen hellbraunen Wallach, den er vor kurzem
gekauft hatte, herausführen, um des Gastes Meinung über das Tier zu ver¬
nehmen. Der Gaul zeigte sich sehr unbändig, so daß der Baron in Zweifel
war, ob er bei seinem Alter ihn werde reiten können. Eberhardt ließ ihm den
Sattel auflegen und ritt ihn in allen Gangarten auf dem Hofe, wo sich
eine kleine Reitbahn im Maßstabe eines Zirkus befand. Der Baron und seine
Tochter sahen zu, und sie waren beide erfüllt von Anerkennung der trefflichen
Haltung und geschickten Zügelführung des Reiters.

Er war Leutnant bei den Dragonern während des Feldzuges, weißt du, sagte
der Baron zu Dorothea, als suche er ihr eine Erklärung des auffallenden Um-
standes zu geben, daß ein Maler so gut im Sattel sitze.

Dorothea nickte. Sie hatte nichts andres erwartet, als daß dieser Mann
von so ritterlichem Aussehen in allen ritterlichen Künsten Meister sei. Sie
verfolgte mit nachdenklichen Blicke die Schritte des Pferdes im Kreise der
Bahn, und ihre Wangen röteten sich, indem sie die stolze Haltung und das
Heller als sonst blitzende Ange Eberhardts beobachtete. Was mochte es für
ein Geheimnis sein, das hinter dem äußern Auftreten dieses ungewöhnlichen
Malers verborgen lag?

Der Baron schien den Fremden förmlich in sein Herz zu schließen, seitdem
er ihn hatte reiten sehen. Sonst war er zugeknöpft und kalt gegen neue Be¬
kanntschaften, selbst mit der Nachbarschaft der Gutsbesitzer hielt er nur ein
kühles, eben der Höflichkeit gerecht werdendes Verhältnis aufrecht. Aber gegen
Eberhardt war er offen, gesprächig, Eberhardt behandelte er als seinesgleichen.
Er hatte einen Anfall von Podagra in jenen Tagen, der ihn nötigte, im
Zimmer zu bleiben, und eines Abends, als der Graf versäumte, ihn zu be¬
suchen, schickte er einen Boten mit einem Wagen zum frischen Hering hinaus,
um Eberhardt zu einer Partie Schach einzuladen.

Es ist ein sehr anständiger Kerl, sagte er zu seiner Tochter, wie um ihr
gegenüber diesen Schritt zu entschuldigen. Man kann ein vernünftiges Wort
mit ihm reden, und er hat von demagogischen Ansichten so wenig, wie man es
von einem seiner Herkunft nur erwarten kann.

In Wahrheit bestand das vernünftige Gespräch zwischen beiden darin, daß
der Baron auf die neuen Zeiten schalt und Eberhardt nichts darauf erwiederte.
Eberhardt hatte, wenn er im Schlosse war, besseres zu thun, als über Politik
zu streiten. Das Schloß übte auf ihn eine mächtige Anziehungskraft aus, seine
Mauern umgaben ihn wie die Wände einer lange vermißten Heimat. Wenn er
in der Ecke der hohen Halle saß und seinen Blick über die Porträts und Trophäen
spazieren führte, wenn er Dorotheeus graziöse Gestalt sich hin und her bewegen
sah und sie beobachtete, während sie mit dem silbernen Kessel auf dem Theetisch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/443>, abgerufen am 23.07.2024.