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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Künstler und Aunstschreiber.

Herzen, daß der Maler, nachdem er sein Herz ausgeschüttet, von seiner Schwarz-
sehcrei, welche auch auf seinen Gemälden bedenklich um sich greift, wieder geheilt
zu seinen Farbentöpfen zurückkehren und sich nicht mehr aus Ärger über die
bösen Kunstschreiber kopfüber in Asphalt und Beinschwarz stürzen möge.

Wenn Herr Hoff nur so aufrichtig gewesen wäre, die Wahrheit zu sage"!
"Ihr habt mich geärgert und chikanirt Jahre lang, jetzt ist die Reihe an mir,
und ich will euch alles, was ihr mir gethan, mit Zinsen heimzahlen!" Aber
das thut er nicht, sondern er drapirt sich mit dem Mantel des Demosthenes,
der gegen die Macedonier zu den Waffen ruft, und spielt sich pathetisch als
Mandatar der gesamten deutschen Künstlerschaft auf!

Man könnte sich hier bereits von dem Schriftsteller Herrn Hoff verab¬
schieden. Denn sobald sich jemand lächerlich macht, hört eine ernsthafte Wider¬
legung auf, und nur noch Mitleid mit dem Ärmsten darf Platz greifen. Indessen
hat seine Schrift in den Bierstuben Münchens viel Staub aufgewirbelt, der
neue Münchener Moniteur, die "Allgemeine Zeitung," hat, da die Schrift
durchaus nicht über München hinaus beachtet werden wollte, seine Spalten
einem noch kräftiger darein schimpfenden Adjutanten Hofes, dem Münchener
Maler Karl Rcmpp, geöffnet, und schließlich hat auch der Nestor Ernst Förster,
welcher Künstler und "Kunstschreiber" zugleich ist, in demselben Organe das Wort
ergriffen, um zum Frieden zu mahnen. Was noch schwerer in die Wagschale
fällt -- die Münchener Künstler glauben aus dem allseitigen Schweigen, welches
man bisher außerhalb Münchens über die Hoffsche Broschüre beobachtet hat,
schließen zu dürfen, daß die "Kunstschreiber" durch die Donnerworte Carls Hoffs
einen heillosen Schrecken bekommen haben und bestürzt ins Mauseloch gekrochen sind.

Schon um diese Vermutung nicht aufkommen zu lassen, muß einer von
der verhaßten "Zunft" das Wort nehmen, wie sauer es ihm auch werden mag.
Denn es ist keine Kleinigkeit, sich durch den Wust des Hoffschen Stils, durch
seine verworrenen Perioden, durch seine Begriffserörterungcu, welche von Unklar¬
heit, Widersinn und stilistischen Schnitzern strotzen, hindurchzuarbeiten, um schlie߬
lich zu dem Resultate zu kommen, daß der mutige Paladin der Maler ans fünfzig
Seiten nur leeres Stroh gedroschen hat, aus welchem nicht ein einziges Weizen¬
korn herausgekommen ist. Wochenlang hat diese Broschüre vor mir gelegen, ohne
daß es mir gelingen wollte, sie bis zum Ende zu lesen. Erst die wiederholte Bitte
der Redaktion dieser Zeitschrift hat mich dazu bewogen, dieses Opfer zu bringen.

Ich habe schon früher zu meinem Schmerze erfahren, daß Herr Carl Hoff
nicht bloß schlechte Bilder, sondern anch schlechte Verse macht. Daß er auch
eine überaus schlechte Prosa schreibt, macht das Maß des Unheils voll. Wie
soll mau sich mit einem also dreifach Geschlagenen auseinandersetzen? Soll
man Böses mit Gutem vergelten und einem Manne, der sich herausnimmt,
ästhetisch-philosophische Definitionen aufzustellen, die notwendigen Aufklärungen
über die einfachsten Regeln des Satzbaues und die Gesetze der Logik geben?


Künstler und Aunstschreiber.

Herzen, daß der Maler, nachdem er sein Herz ausgeschüttet, von seiner Schwarz-
sehcrei, welche auch auf seinen Gemälden bedenklich um sich greift, wieder geheilt
zu seinen Farbentöpfen zurückkehren und sich nicht mehr aus Ärger über die
bösen Kunstschreiber kopfüber in Asphalt und Beinschwarz stürzen möge.

Wenn Herr Hoff nur so aufrichtig gewesen wäre, die Wahrheit zu sage»!
„Ihr habt mich geärgert und chikanirt Jahre lang, jetzt ist die Reihe an mir,
und ich will euch alles, was ihr mir gethan, mit Zinsen heimzahlen!" Aber
das thut er nicht, sondern er drapirt sich mit dem Mantel des Demosthenes,
der gegen die Macedonier zu den Waffen ruft, und spielt sich pathetisch als
Mandatar der gesamten deutschen Künstlerschaft auf!

Man könnte sich hier bereits von dem Schriftsteller Herrn Hoff verab¬
schieden. Denn sobald sich jemand lächerlich macht, hört eine ernsthafte Wider¬
legung auf, und nur noch Mitleid mit dem Ärmsten darf Platz greifen. Indessen
hat seine Schrift in den Bierstuben Münchens viel Staub aufgewirbelt, der
neue Münchener Moniteur, die „Allgemeine Zeitung," hat, da die Schrift
durchaus nicht über München hinaus beachtet werden wollte, seine Spalten
einem noch kräftiger darein schimpfenden Adjutanten Hofes, dem Münchener
Maler Karl Rcmpp, geöffnet, und schließlich hat auch der Nestor Ernst Förster,
welcher Künstler und „Kunstschreiber" zugleich ist, in demselben Organe das Wort
ergriffen, um zum Frieden zu mahnen. Was noch schwerer in die Wagschale
fällt — die Münchener Künstler glauben aus dem allseitigen Schweigen, welches
man bisher außerhalb Münchens über die Hoffsche Broschüre beobachtet hat,
schließen zu dürfen, daß die „Kunstschreiber" durch die Donnerworte Carls Hoffs
einen heillosen Schrecken bekommen haben und bestürzt ins Mauseloch gekrochen sind.

Schon um diese Vermutung nicht aufkommen zu lassen, muß einer von
der verhaßten „Zunft" das Wort nehmen, wie sauer es ihm auch werden mag.
Denn es ist keine Kleinigkeit, sich durch den Wust des Hoffschen Stils, durch
seine verworrenen Perioden, durch seine Begriffserörterungcu, welche von Unklar¬
heit, Widersinn und stilistischen Schnitzern strotzen, hindurchzuarbeiten, um schlie߬
lich zu dem Resultate zu kommen, daß der mutige Paladin der Maler ans fünfzig
Seiten nur leeres Stroh gedroschen hat, aus welchem nicht ein einziges Weizen¬
korn herausgekommen ist. Wochenlang hat diese Broschüre vor mir gelegen, ohne
daß es mir gelingen wollte, sie bis zum Ende zu lesen. Erst die wiederholte Bitte
der Redaktion dieser Zeitschrift hat mich dazu bewogen, dieses Opfer zu bringen.

Ich habe schon früher zu meinem Schmerze erfahren, daß Herr Carl Hoff
nicht bloß schlechte Bilder, sondern anch schlechte Verse macht. Daß er auch
eine überaus schlechte Prosa schreibt, macht das Maß des Unheils voll. Wie
soll mau sich mit einem also dreifach Geschlagenen auseinandersetzen? Soll
man Böses mit Gutem vergelten und einem Manne, der sich herausnimmt,
ästhetisch-philosophische Definitionen aufzustellen, die notwendigen Aufklärungen
über die einfachsten Regeln des Satzbaues und die Gesetze der Logik geben?


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[0428] Künstler und Aunstschreiber. Herzen, daß der Maler, nachdem er sein Herz ausgeschüttet, von seiner Schwarz- sehcrei, welche auch auf seinen Gemälden bedenklich um sich greift, wieder geheilt zu seinen Farbentöpfen zurückkehren und sich nicht mehr aus Ärger über die bösen Kunstschreiber kopfüber in Asphalt und Beinschwarz stürzen möge. Wenn Herr Hoff nur so aufrichtig gewesen wäre, die Wahrheit zu sage»! „Ihr habt mich geärgert und chikanirt Jahre lang, jetzt ist die Reihe an mir, und ich will euch alles, was ihr mir gethan, mit Zinsen heimzahlen!" Aber das thut er nicht, sondern er drapirt sich mit dem Mantel des Demosthenes, der gegen die Macedonier zu den Waffen ruft, und spielt sich pathetisch als Mandatar der gesamten deutschen Künstlerschaft auf! Man könnte sich hier bereits von dem Schriftsteller Herrn Hoff verab¬ schieden. Denn sobald sich jemand lächerlich macht, hört eine ernsthafte Wider¬ legung auf, und nur noch Mitleid mit dem Ärmsten darf Platz greifen. Indessen hat seine Schrift in den Bierstuben Münchens viel Staub aufgewirbelt, der neue Münchener Moniteur, die „Allgemeine Zeitung," hat, da die Schrift durchaus nicht über München hinaus beachtet werden wollte, seine Spalten einem noch kräftiger darein schimpfenden Adjutanten Hofes, dem Münchener Maler Karl Rcmpp, geöffnet, und schließlich hat auch der Nestor Ernst Förster, welcher Künstler und „Kunstschreiber" zugleich ist, in demselben Organe das Wort ergriffen, um zum Frieden zu mahnen. Was noch schwerer in die Wagschale fällt — die Münchener Künstler glauben aus dem allseitigen Schweigen, welches man bisher außerhalb Münchens über die Hoffsche Broschüre beobachtet hat, schließen zu dürfen, daß die „Kunstschreiber" durch die Donnerworte Carls Hoffs einen heillosen Schrecken bekommen haben und bestürzt ins Mauseloch gekrochen sind. Schon um diese Vermutung nicht aufkommen zu lassen, muß einer von der verhaßten „Zunft" das Wort nehmen, wie sauer es ihm auch werden mag. Denn es ist keine Kleinigkeit, sich durch den Wust des Hoffschen Stils, durch seine verworrenen Perioden, durch seine Begriffserörterungcu, welche von Unklar¬ heit, Widersinn und stilistischen Schnitzern strotzen, hindurchzuarbeiten, um schlie߬ lich zu dem Resultate zu kommen, daß der mutige Paladin der Maler ans fünfzig Seiten nur leeres Stroh gedroschen hat, aus welchem nicht ein einziges Weizen¬ korn herausgekommen ist. Wochenlang hat diese Broschüre vor mir gelegen, ohne daß es mir gelingen wollte, sie bis zum Ende zu lesen. Erst die wiederholte Bitte der Redaktion dieser Zeitschrift hat mich dazu bewogen, dieses Opfer zu bringen. Ich habe schon früher zu meinem Schmerze erfahren, daß Herr Carl Hoff nicht bloß schlechte Bilder, sondern anch schlechte Verse macht. Daß er auch eine überaus schlechte Prosa schreibt, macht das Maß des Unheils voll. Wie soll mau sich mit einem also dreifach Geschlagenen auseinandersetzen? Soll man Böses mit Gutem vergelten und einem Manne, der sich herausnimmt, ästhetisch-philosophische Definitionen aufzustellen, die notwendigen Aufklärungen über die einfachsten Regeln des Satzbaues und die Gesetze der Logik geben?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/428>, abgerufen am 22.07.2024.