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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Geschäftssprache des elsaß-lothringischen Landescmsschnsses.

welche fortwährend die Hoffnung auf Wiederherstellung der französischen
Herrschaft lebendig erhält, unterstützt und gekräftigt werden soll oder nicht.
Diese Klasse des höher gebildeten Bürgertums, in steter Wechselbeziehung mit
den verschiedenen elsaß-lothringischen Vereinen in Paris und mit der exaltirten
Pariser Presse, unterläßt nichts, um demonstrativ gegen die Annäherung an
Deutschland zu agitiren. Bei den Lebenden eine Änderung und allmähliche
Aussöhnung mit dem bestehenden eintreten zu sehen, ist nicht zu erwarten;
diese Generation muß erst aussterben, bevor hier eine Besserung in Aussicht zu
nehmen ist. Die meisten dieser Herren können deutsch sprechen, wenn sie wollen
oder müssen, und dies geschieht in ihrem Verkehr mit den nur deutsch¬
sprechenden Volksklassen; im Landesausschuß aber wollen sie nicht deutsch
sprechen, dürfen es auch vielleicht nicht ans Furcht vor den Verketzerungen
der Pariser Presse. Wer zwingt sie denn, eine Wahl anzunehmen, wenn der¬
gleichen Erwägungen bei ihnen maßgebend sind? Was würde die Pariser
Presse sagen, welch einen Triumphgesang würde sie anstimmen, wenn sogar
der deutsche Reichstag die Maßregel des Deutschsprecheus mißbilligte! Hier
liegt dann doch die Schlußfolgerung sehr nahe, daß der Reichstag anerkannt
habe, Elsaß-Lothringen sei ein französisches Land!

Die dritte Lesung hat den erwähnten Antrag glücklicherweise abgelehnt.

Wie anders verstanden es die Franzosen, sich mit solchen Angelegenheiten
abzufinden! Im Ryswicker Frieden 1697 war bekanntlich die Souveränität
Frankreichs über das Elsaß anerkannt worden, doch blieben die reichsständischen
Besitzungen darin in den frühern Händen, z. B. Würtembergs, Badens, Darm-
stadts, Zweibrückens u. s. w. In Straßburg ward die französische Sprache als
Landessprache eingeführt, sie verbreitete sich aber von dort aus nur sehr langsam,
selbst nach dem Frieden von Lüneville (9. Februar 1801), der den Rhein als
Grenze feststellte und u. a. die Entschädigung der vorhin erwähnten Reichsstände
dem deutschen Reiche aufbürdete. Der französische Nationalkonvent hatte jedoch
nicht so lange gewartet, um mit der Sprachverwirrung aufzuräumen: er erklärte
bereits 1789 alles linksrheinische Land als zu Frankreich gehörig und führte
im November desselben Jahres die neue Einteilung in Departements ein, wobei
auch die äöxm't.grQMt" ein H-me-Min se an Las-Min ihre Stelle fanden. Das
eomits ein "gine. xuvlie trat dann am 29. Januar 1794 mit einem Gesetzes¬
vorschlag auf, der die Verbreitung der französischen Sprache auf dem flachen
Lande unterstützen und sichern sollte.

Im Auftrag des Komitees sprach dessen Präsident Bertrand Barrere, Baron
de Vieuzae. Als Advokat in Toulouse hatte er sich schon in jüngern Jahren
durch seine bedeutende Rednergabe bekannt gemacht; 1789 ward er zum Abge¬
ordneten der Reichsstände gewählt, und 1792 zum Präsidenten des Konvents.
Als solcher stimmte er für den Tod des Königs. Er gehörte zu den eifrigsten
Mitgliedern des Wohlfahrtsausschusses und betrat fast täglich die Rednerbühne,


Die Geschäftssprache des elsaß-lothringischen Landescmsschnsses.

welche fortwährend die Hoffnung auf Wiederherstellung der französischen
Herrschaft lebendig erhält, unterstützt und gekräftigt werden soll oder nicht.
Diese Klasse des höher gebildeten Bürgertums, in steter Wechselbeziehung mit
den verschiedenen elsaß-lothringischen Vereinen in Paris und mit der exaltirten
Pariser Presse, unterläßt nichts, um demonstrativ gegen die Annäherung an
Deutschland zu agitiren. Bei den Lebenden eine Änderung und allmähliche
Aussöhnung mit dem bestehenden eintreten zu sehen, ist nicht zu erwarten;
diese Generation muß erst aussterben, bevor hier eine Besserung in Aussicht zu
nehmen ist. Die meisten dieser Herren können deutsch sprechen, wenn sie wollen
oder müssen, und dies geschieht in ihrem Verkehr mit den nur deutsch¬
sprechenden Volksklassen; im Landesausschuß aber wollen sie nicht deutsch
sprechen, dürfen es auch vielleicht nicht ans Furcht vor den Verketzerungen
der Pariser Presse. Wer zwingt sie denn, eine Wahl anzunehmen, wenn der¬
gleichen Erwägungen bei ihnen maßgebend sind? Was würde die Pariser
Presse sagen, welch einen Triumphgesang würde sie anstimmen, wenn sogar
der deutsche Reichstag die Maßregel des Deutschsprecheus mißbilligte! Hier
liegt dann doch die Schlußfolgerung sehr nahe, daß der Reichstag anerkannt
habe, Elsaß-Lothringen sei ein französisches Land!

Die dritte Lesung hat den erwähnten Antrag glücklicherweise abgelehnt.

Wie anders verstanden es die Franzosen, sich mit solchen Angelegenheiten
abzufinden! Im Ryswicker Frieden 1697 war bekanntlich die Souveränität
Frankreichs über das Elsaß anerkannt worden, doch blieben die reichsständischen
Besitzungen darin in den frühern Händen, z. B. Würtembergs, Badens, Darm-
stadts, Zweibrückens u. s. w. In Straßburg ward die französische Sprache als
Landessprache eingeführt, sie verbreitete sich aber von dort aus nur sehr langsam,
selbst nach dem Frieden von Lüneville (9. Februar 1801), der den Rhein als
Grenze feststellte und u. a. die Entschädigung der vorhin erwähnten Reichsstände
dem deutschen Reiche aufbürdete. Der französische Nationalkonvent hatte jedoch
nicht so lange gewartet, um mit der Sprachverwirrung aufzuräumen: er erklärte
bereits 1789 alles linksrheinische Land als zu Frankreich gehörig und führte
im November desselben Jahres die neue Einteilung in Departements ein, wobei
auch die äöxm't.grQMt« ein H-me-Min se an Las-Min ihre Stelle fanden. Das
eomits ein «gine. xuvlie trat dann am 29. Januar 1794 mit einem Gesetzes¬
vorschlag auf, der die Verbreitung der französischen Sprache auf dem flachen
Lande unterstützen und sichern sollte.

Im Auftrag des Komitees sprach dessen Präsident Bertrand Barrere, Baron
de Vieuzae. Als Advokat in Toulouse hatte er sich schon in jüngern Jahren
durch seine bedeutende Rednergabe bekannt gemacht; 1789 ward er zum Abge¬
ordneten der Reichsstände gewählt, und 1792 zum Präsidenten des Konvents.
Als solcher stimmte er für den Tod des Königs. Er gehörte zu den eifrigsten
Mitgliedern des Wohlfahrtsausschusses und betrat fast täglich die Rednerbühne,


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[0418] Die Geschäftssprache des elsaß-lothringischen Landescmsschnsses. welche fortwährend die Hoffnung auf Wiederherstellung der französischen Herrschaft lebendig erhält, unterstützt und gekräftigt werden soll oder nicht. Diese Klasse des höher gebildeten Bürgertums, in steter Wechselbeziehung mit den verschiedenen elsaß-lothringischen Vereinen in Paris und mit der exaltirten Pariser Presse, unterläßt nichts, um demonstrativ gegen die Annäherung an Deutschland zu agitiren. Bei den Lebenden eine Änderung und allmähliche Aussöhnung mit dem bestehenden eintreten zu sehen, ist nicht zu erwarten; diese Generation muß erst aussterben, bevor hier eine Besserung in Aussicht zu nehmen ist. Die meisten dieser Herren können deutsch sprechen, wenn sie wollen oder müssen, und dies geschieht in ihrem Verkehr mit den nur deutsch¬ sprechenden Volksklassen; im Landesausschuß aber wollen sie nicht deutsch sprechen, dürfen es auch vielleicht nicht ans Furcht vor den Verketzerungen der Pariser Presse. Wer zwingt sie denn, eine Wahl anzunehmen, wenn der¬ gleichen Erwägungen bei ihnen maßgebend sind? Was würde die Pariser Presse sagen, welch einen Triumphgesang würde sie anstimmen, wenn sogar der deutsche Reichstag die Maßregel des Deutschsprecheus mißbilligte! Hier liegt dann doch die Schlußfolgerung sehr nahe, daß der Reichstag anerkannt habe, Elsaß-Lothringen sei ein französisches Land! Die dritte Lesung hat den erwähnten Antrag glücklicherweise abgelehnt. Wie anders verstanden es die Franzosen, sich mit solchen Angelegenheiten abzufinden! Im Ryswicker Frieden 1697 war bekanntlich die Souveränität Frankreichs über das Elsaß anerkannt worden, doch blieben die reichsständischen Besitzungen darin in den frühern Händen, z. B. Würtembergs, Badens, Darm- stadts, Zweibrückens u. s. w. In Straßburg ward die französische Sprache als Landessprache eingeführt, sie verbreitete sich aber von dort aus nur sehr langsam, selbst nach dem Frieden von Lüneville (9. Februar 1801), der den Rhein als Grenze feststellte und u. a. die Entschädigung der vorhin erwähnten Reichsstände dem deutschen Reiche aufbürdete. Der französische Nationalkonvent hatte jedoch nicht so lange gewartet, um mit der Sprachverwirrung aufzuräumen: er erklärte bereits 1789 alles linksrheinische Land als zu Frankreich gehörig und führte im November desselben Jahres die neue Einteilung in Departements ein, wobei auch die äöxm't.grQMt« ein H-me-Min se an Las-Min ihre Stelle fanden. Das eomits ein «gine. xuvlie trat dann am 29. Januar 1794 mit einem Gesetzes¬ vorschlag auf, der die Verbreitung der französischen Sprache auf dem flachen Lande unterstützen und sichern sollte. Im Auftrag des Komitees sprach dessen Präsident Bertrand Barrere, Baron de Vieuzae. Als Advokat in Toulouse hatte er sich schon in jüngern Jahren durch seine bedeutende Rednergabe bekannt gemacht; 1789 ward er zum Abge¬ ordneten der Reichsstände gewählt, und 1792 zum Präsidenten des Konvents. Als solcher stimmte er für den Tod des Königs. Er gehörte zu den eifrigsten Mitgliedern des Wohlfahrtsausschusses und betrat fast täglich die Rednerbühne,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/418>, abgerufen am 26.06.2024.