Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Der parlamentarische Konflikt in Frankreich.

so hat der Senat, wenn er sich gegen das Gesetz erklärt, eine starke Unterstützung
hinter sich, und sein Schritt wird sicher von gutem Erfolge sein. Akkon sagte
ausdrücklich, daß der Ausschuß sich von einem staatsmünnischen Verfahren weder
dnrch Gerüchte über einen drohenden Konflikt noch durch die Furcht vor einer
Auflösung habe abhalten lassen, und zu gleicher Zeit betont er, daß von einer
Hinneigung zu monarchischen Bestrebungen bei einer Körperschaft, die stolz darauf
sei, durch und durch republikanisch zu sein ^etwas zu viel behauptet^, nicht die
Rede sein könne.

Diese Äußerungen entsprachen vollständig denen des ehemaligen Ministers
Waddingtou. Er bemerkte, er und seine Freunde wären noch heute wie vor
zehn Jahren fest entschlossen, die Republik ebenso gegen Prätendenten wie gegen
Revolutionäre zu verteidigen. Ihre Pflicht wäre aber auch, sie gegen ihre
eignen Fehler zu schützen. Er wies darauf hin, daß die Negierung die Existenz
irgendwelcher Verschwörungen oder Gefahren für die Republik entschieden in
Abrede gestellt habe, und behauptete, daß an den Anklagen gegen die Prinzen
auch kein Schatten von Wahrheit sei. Wenn man Geburt und Vermögen,
wenn man nicht Handlungen, sondern bloße Existenzbedingungen als Grund zu
Mißtrauen ansehen wolle, so sei das der erste Schritt zur Revolution. Die
einzige Antwort hierauf von feiten der Gegner sei, daß die Prinzen nicht in
die Kategorie der gewöhnlichen Staatsbürger eingereiht werden könnten, daß
alle andern Nationen und alle frühern französischen Regierungen sich geweigert
hätten, Prätendenten im Lande zu dulden, und daß diese Leute sich niemals
der Republik unterworfen hätten. Gegen ihre Ränke sei der Staat nicht ge¬
nügend gerüstet, und er müsse wenigstens mit gesetzlicher Befugnis ausgestattet
werden, sie zu bestrafen oder zu verbannen. Diese Gründe würden stärker ins
Gewicht fallen, wenn der Kammer nicht der Vorschlag gemacht und von ihr
gutgeheißen worden wäre, für das Vergehen eines Prinzen alle, mich die un-
schuldigen, zu bestrafen.

Es liegt in der That in dem ersten Artikel des Fabreschen Gesctzvorschlags
etwas, was gegen die allergewöhnlichsten Begriffe von Billigkeit grob verstößt,
und so haben die Senatoren, wenn sie das Interdikt nicht wollen, das über
alle Bürger königlichen Geblüts verhängt werden soll, das öffentliche Gewissen
auf ihrer Seite. Sie werden der Republik einen unschätzbaren Dienst er¬
weisen, wenn sie dieselbe vor einer Überstürzung bewahren, welche die Erinnerung
an 1793 wachruft. Das Verfahren der Deputirtenkammer erscheint aber umso
unbegreiflicher und ungerechter, wenn man es mit deren Haltung in der Amnestie¬
frage vergleicht. Die von den Kommnnarden verübten Verbrechen waren un¬
geheuerlicher Art. Kaum war ein schrecklicher Krieg zu Ende gegangen, so
erhob sich, während der Feind noch eine Anzahl von den Pariser Forts besetzt
hielt, die Hauptstadt gegen die Nation und verband sich zu deren Bekämpfung
mit Mördern und Brandstiftern. Für diese Unthaten wurden viele streng be-


Der parlamentarische Konflikt in Frankreich.

so hat der Senat, wenn er sich gegen das Gesetz erklärt, eine starke Unterstützung
hinter sich, und sein Schritt wird sicher von gutem Erfolge sein. Akkon sagte
ausdrücklich, daß der Ausschuß sich von einem staatsmünnischen Verfahren weder
dnrch Gerüchte über einen drohenden Konflikt noch durch die Furcht vor einer
Auflösung habe abhalten lassen, und zu gleicher Zeit betont er, daß von einer
Hinneigung zu monarchischen Bestrebungen bei einer Körperschaft, die stolz darauf
sei, durch und durch republikanisch zu sein ^etwas zu viel behauptet^, nicht die
Rede sein könne.

Diese Äußerungen entsprachen vollständig denen des ehemaligen Ministers
Waddingtou. Er bemerkte, er und seine Freunde wären noch heute wie vor
zehn Jahren fest entschlossen, die Republik ebenso gegen Prätendenten wie gegen
Revolutionäre zu verteidigen. Ihre Pflicht wäre aber auch, sie gegen ihre
eignen Fehler zu schützen. Er wies darauf hin, daß die Negierung die Existenz
irgendwelcher Verschwörungen oder Gefahren für die Republik entschieden in
Abrede gestellt habe, und behauptete, daß an den Anklagen gegen die Prinzen
auch kein Schatten von Wahrheit sei. Wenn man Geburt und Vermögen,
wenn man nicht Handlungen, sondern bloße Existenzbedingungen als Grund zu
Mißtrauen ansehen wolle, so sei das der erste Schritt zur Revolution. Die
einzige Antwort hierauf von feiten der Gegner sei, daß die Prinzen nicht in
die Kategorie der gewöhnlichen Staatsbürger eingereiht werden könnten, daß
alle andern Nationen und alle frühern französischen Regierungen sich geweigert
hätten, Prätendenten im Lande zu dulden, und daß diese Leute sich niemals
der Republik unterworfen hätten. Gegen ihre Ränke sei der Staat nicht ge¬
nügend gerüstet, und er müsse wenigstens mit gesetzlicher Befugnis ausgestattet
werden, sie zu bestrafen oder zu verbannen. Diese Gründe würden stärker ins
Gewicht fallen, wenn der Kammer nicht der Vorschlag gemacht und von ihr
gutgeheißen worden wäre, für das Vergehen eines Prinzen alle, mich die un-
schuldigen, zu bestrafen.

Es liegt in der That in dem ersten Artikel des Fabreschen Gesctzvorschlags
etwas, was gegen die allergewöhnlichsten Begriffe von Billigkeit grob verstößt,
und so haben die Senatoren, wenn sie das Interdikt nicht wollen, das über
alle Bürger königlichen Geblüts verhängt werden soll, das öffentliche Gewissen
auf ihrer Seite. Sie werden der Republik einen unschätzbaren Dienst er¬
weisen, wenn sie dieselbe vor einer Überstürzung bewahren, welche die Erinnerung
an 1793 wachruft. Das Verfahren der Deputirtenkammer erscheint aber umso
unbegreiflicher und ungerechter, wenn man es mit deren Haltung in der Amnestie¬
frage vergleicht. Die von den Kommnnarden verübten Verbrechen waren un¬
geheuerlicher Art. Kaum war ein schrecklicher Krieg zu Ende gegangen, so
erhob sich, während der Feind noch eine Anzahl von den Pariser Forts besetzt
hielt, die Hauptstadt gegen die Nation und verband sich zu deren Bekämpfung
mit Mördern und Brandstiftern. Für diese Unthaten wurden viele streng be-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0399" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/152108"/>
          <fw type="header" place="top"> Der parlamentarische Konflikt in Frankreich.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1485" prev="#ID_1484"> so hat der Senat, wenn er sich gegen das Gesetz erklärt, eine starke Unterstützung<lb/>
hinter sich, und sein Schritt wird sicher von gutem Erfolge sein. Akkon sagte<lb/>
ausdrücklich, daß der Ausschuß sich von einem staatsmünnischen Verfahren weder<lb/>
dnrch Gerüchte über einen drohenden Konflikt noch durch die Furcht vor einer<lb/>
Auflösung habe abhalten lassen, und zu gleicher Zeit betont er, daß von einer<lb/>
Hinneigung zu monarchischen Bestrebungen bei einer Körperschaft, die stolz darauf<lb/>
sei, durch und durch republikanisch zu sein ^etwas zu viel behauptet^, nicht die<lb/>
Rede sein könne.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1486"> Diese Äußerungen entsprachen vollständig denen des ehemaligen Ministers<lb/>
Waddingtou. Er bemerkte, er und seine Freunde wären noch heute wie vor<lb/>
zehn Jahren fest entschlossen, die Republik ebenso gegen Prätendenten wie gegen<lb/>
Revolutionäre zu verteidigen. Ihre Pflicht wäre aber auch, sie gegen ihre<lb/>
eignen Fehler zu schützen. Er wies darauf hin, daß die Negierung die Existenz<lb/>
irgendwelcher Verschwörungen oder Gefahren für die Republik entschieden in<lb/>
Abrede gestellt habe, und behauptete, daß an den Anklagen gegen die Prinzen<lb/>
auch kein Schatten von Wahrheit sei. Wenn man Geburt und Vermögen,<lb/>
wenn man nicht Handlungen, sondern bloße Existenzbedingungen als Grund zu<lb/>
Mißtrauen ansehen wolle, so sei das der erste Schritt zur Revolution. Die<lb/>
einzige Antwort hierauf von feiten der Gegner sei, daß die Prinzen nicht in<lb/>
die Kategorie der gewöhnlichen Staatsbürger eingereiht werden könnten, daß<lb/>
alle andern Nationen und alle frühern französischen Regierungen sich geweigert<lb/>
hätten, Prätendenten im Lande zu dulden, und daß diese Leute sich niemals<lb/>
der Republik unterworfen hätten. Gegen ihre Ränke sei der Staat nicht ge¬<lb/>
nügend gerüstet, und er müsse wenigstens mit gesetzlicher Befugnis ausgestattet<lb/>
werden, sie zu bestrafen oder zu verbannen. Diese Gründe würden stärker ins<lb/>
Gewicht fallen, wenn der Kammer nicht der Vorschlag gemacht und von ihr<lb/>
gutgeheißen worden wäre, für das Vergehen eines Prinzen alle, mich die un-<lb/>
schuldigen, zu bestrafen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1487" next="#ID_1488"> Es liegt in der That in dem ersten Artikel des Fabreschen Gesctzvorschlags<lb/>
etwas, was gegen die allergewöhnlichsten Begriffe von Billigkeit grob verstößt,<lb/>
und so haben die Senatoren, wenn sie das Interdikt nicht wollen, das über<lb/>
alle Bürger königlichen Geblüts verhängt werden soll, das öffentliche Gewissen<lb/>
auf ihrer Seite. Sie werden der Republik einen unschätzbaren Dienst er¬<lb/>
weisen, wenn sie dieselbe vor einer Überstürzung bewahren, welche die Erinnerung<lb/>
an 1793 wachruft. Das Verfahren der Deputirtenkammer erscheint aber umso<lb/>
unbegreiflicher und ungerechter, wenn man es mit deren Haltung in der Amnestie¬<lb/>
frage vergleicht. Die von den Kommnnarden verübten Verbrechen waren un¬<lb/>
geheuerlicher Art. Kaum war ein schrecklicher Krieg zu Ende gegangen, so<lb/>
erhob sich, während der Feind noch eine Anzahl von den Pariser Forts besetzt<lb/>
hielt, die Hauptstadt gegen die Nation und verband sich zu deren Bekämpfung<lb/>
mit Mördern und Brandstiftern. Für diese Unthaten wurden viele streng be-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0399] Der parlamentarische Konflikt in Frankreich. so hat der Senat, wenn er sich gegen das Gesetz erklärt, eine starke Unterstützung hinter sich, und sein Schritt wird sicher von gutem Erfolge sein. Akkon sagte ausdrücklich, daß der Ausschuß sich von einem staatsmünnischen Verfahren weder dnrch Gerüchte über einen drohenden Konflikt noch durch die Furcht vor einer Auflösung habe abhalten lassen, und zu gleicher Zeit betont er, daß von einer Hinneigung zu monarchischen Bestrebungen bei einer Körperschaft, die stolz darauf sei, durch und durch republikanisch zu sein ^etwas zu viel behauptet^, nicht die Rede sein könne. Diese Äußerungen entsprachen vollständig denen des ehemaligen Ministers Waddingtou. Er bemerkte, er und seine Freunde wären noch heute wie vor zehn Jahren fest entschlossen, die Republik ebenso gegen Prätendenten wie gegen Revolutionäre zu verteidigen. Ihre Pflicht wäre aber auch, sie gegen ihre eignen Fehler zu schützen. Er wies darauf hin, daß die Negierung die Existenz irgendwelcher Verschwörungen oder Gefahren für die Republik entschieden in Abrede gestellt habe, und behauptete, daß an den Anklagen gegen die Prinzen auch kein Schatten von Wahrheit sei. Wenn man Geburt und Vermögen, wenn man nicht Handlungen, sondern bloße Existenzbedingungen als Grund zu Mißtrauen ansehen wolle, so sei das der erste Schritt zur Revolution. Die einzige Antwort hierauf von feiten der Gegner sei, daß die Prinzen nicht in die Kategorie der gewöhnlichen Staatsbürger eingereiht werden könnten, daß alle andern Nationen und alle frühern französischen Regierungen sich geweigert hätten, Prätendenten im Lande zu dulden, und daß diese Leute sich niemals der Republik unterworfen hätten. Gegen ihre Ränke sei der Staat nicht ge¬ nügend gerüstet, und er müsse wenigstens mit gesetzlicher Befugnis ausgestattet werden, sie zu bestrafen oder zu verbannen. Diese Gründe würden stärker ins Gewicht fallen, wenn der Kammer nicht der Vorschlag gemacht und von ihr gutgeheißen worden wäre, für das Vergehen eines Prinzen alle, mich die un- schuldigen, zu bestrafen. Es liegt in der That in dem ersten Artikel des Fabreschen Gesctzvorschlags etwas, was gegen die allergewöhnlichsten Begriffe von Billigkeit grob verstößt, und so haben die Senatoren, wenn sie das Interdikt nicht wollen, das über alle Bürger königlichen Geblüts verhängt werden soll, das öffentliche Gewissen auf ihrer Seite. Sie werden der Republik einen unschätzbaren Dienst er¬ weisen, wenn sie dieselbe vor einer Überstürzung bewahren, welche die Erinnerung an 1793 wachruft. Das Verfahren der Deputirtenkammer erscheint aber umso unbegreiflicher und ungerechter, wenn man es mit deren Haltung in der Amnestie¬ frage vergleicht. Die von den Kommnnarden verübten Verbrechen waren un¬ geheuerlicher Art. Kaum war ein schrecklicher Krieg zu Ende gegangen, so erhob sich, während der Feind noch eine Anzahl von den Pariser Forts besetzt hielt, die Hauptstadt gegen die Nation und verband sich zu deren Bekämpfung mit Mördern und Brandstiftern. Für diese Unthaten wurden viele streng be-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/399
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/399>, abgerufen am 23.07.2024.