Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Grase" von Altenschwerdt.

wie alle die Dinge heißen mögen, die in den Algen enthalten sind, verwandeln
sich in höchst gefährliche, ätzende Säfte, wenn sie mit heterogenen Stoffen im
Magen vereinigt werden.

Der Jüngling lachte. Du redest wahrhaftig, liebe Mama, als wärest du
ein Apotheker.

Es ist meine Liebe zu dir, Dietrich, das solltest du bedenken, sagte sie, das
Taschentuch an die Augen drückend.

Und ich will dir einen kleinen Trost bringen, fuhr sie fort. Damit du
dich nicht so sehr laugweilst, bin ich darauf bedacht gewesen, dir eine Zerstreuung
unschuldiger Art zu verschaffen. Ich habe das junge Mädchen kommen lassen,
das du früher so gern spielen und singen hörtest, Anna Glock. Sie hat sich
in den beiden Jahren, wo sie auf dem Konservatorium in Leipzig war, sehr
verbessert und ist jetzt wirklich eine Virtuosin.

Ah! rief Dietrich erheitert, wahrhaftig? Der Adjutant? Der Adjutant ist
wieder da? Das ist mir angenehm. Sie ist ein gutes Tierchen und sie soll
mir gleich heute Morgen ein Konzert geben.

Er war bei diesen Worten aufgestanden und im Begriff hinauszugehen,
als seine Mutter ihn am Arme festhielt und bat, ihr noch ans kurze Zeit Gehör
zu schenken.

Der Ton ihrer Stimme klang dabei so eigentümlich, daß Dietrich sie ver¬
wundert ansah.

In dem scharf geschnittenen, aber immer noch schönen Gesicht funkelten die
dunkel" Augen mit einem besondern Feuer, und eine große Energie sprach sich
in ihm aus. Zwischen ihren Zügen und denen des Sohnes bestand eine starke
Ähnlichkeit, aber gerade in diesem Augenblicke trat auch die Verschiedenheit
zwischen beiden deutlich hervor. Das schöne Gesicht des jungen Grafen hatte
im Vergleich zu dem der Mutter einen weibischen Ausdruck. Es war weicher
in den Formen, Nase und Kinn waren nicht so spitz und nicht so scharf hervor¬
tretend, und sein Blick hatte nicht den funkelnden Blitz, sondern ein schimmerndes
Licht, das weniger Stolz und Energie als Eitelkeit und Selbstliebe anzuzeigen
schien.

Ich habe noch etwas ernsthaftes mit dir zu besprechen, sagte die Gräfin,
und ich rechne um so mehr auf deine Aufmerksamkeit und Folgsamkeit, als du
überzeugt sein mußt, daß alles, was ich denke und thue, nur dein Glück be¬
zweckt.

Du machst mich sehr neugierig, erwiederte der junge Graf, indem er sich
in den Lehnstuhl zurücksinken ließ.

Unsre Hierherkunft, sagte die Gräfin bedächtig, ist einerseits durch die Rück¬
sicht auf deine Gesundheit, andrerseits durch ein fast ebenso wichtiges andres
Moment bestimmt worden. Ich muß dir mitteilen, lieber Dietrich, was du doch
zu einer oder der andern Zeit einmal erfahren mußt, daß nämlich dein Vater,


Die Grase» von Altenschwerdt.

wie alle die Dinge heißen mögen, die in den Algen enthalten sind, verwandeln
sich in höchst gefährliche, ätzende Säfte, wenn sie mit heterogenen Stoffen im
Magen vereinigt werden.

Der Jüngling lachte. Du redest wahrhaftig, liebe Mama, als wärest du
ein Apotheker.

Es ist meine Liebe zu dir, Dietrich, das solltest du bedenken, sagte sie, das
Taschentuch an die Augen drückend.

Und ich will dir einen kleinen Trost bringen, fuhr sie fort. Damit du
dich nicht so sehr laugweilst, bin ich darauf bedacht gewesen, dir eine Zerstreuung
unschuldiger Art zu verschaffen. Ich habe das junge Mädchen kommen lassen,
das du früher so gern spielen und singen hörtest, Anna Glock. Sie hat sich
in den beiden Jahren, wo sie auf dem Konservatorium in Leipzig war, sehr
verbessert und ist jetzt wirklich eine Virtuosin.

Ah! rief Dietrich erheitert, wahrhaftig? Der Adjutant? Der Adjutant ist
wieder da? Das ist mir angenehm. Sie ist ein gutes Tierchen und sie soll
mir gleich heute Morgen ein Konzert geben.

Er war bei diesen Worten aufgestanden und im Begriff hinauszugehen,
als seine Mutter ihn am Arme festhielt und bat, ihr noch ans kurze Zeit Gehör
zu schenken.

Der Ton ihrer Stimme klang dabei so eigentümlich, daß Dietrich sie ver¬
wundert ansah.

In dem scharf geschnittenen, aber immer noch schönen Gesicht funkelten die
dunkel» Augen mit einem besondern Feuer, und eine große Energie sprach sich
in ihm aus. Zwischen ihren Zügen und denen des Sohnes bestand eine starke
Ähnlichkeit, aber gerade in diesem Augenblicke trat auch die Verschiedenheit
zwischen beiden deutlich hervor. Das schöne Gesicht des jungen Grafen hatte
im Vergleich zu dem der Mutter einen weibischen Ausdruck. Es war weicher
in den Formen, Nase und Kinn waren nicht so spitz und nicht so scharf hervor¬
tretend, und sein Blick hatte nicht den funkelnden Blitz, sondern ein schimmerndes
Licht, das weniger Stolz und Energie als Eitelkeit und Selbstliebe anzuzeigen
schien.

Ich habe noch etwas ernsthaftes mit dir zu besprechen, sagte die Gräfin,
und ich rechne um so mehr auf deine Aufmerksamkeit und Folgsamkeit, als du
überzeugt sein mußt, daß alles, was ich denke und thue, nur dein Glück be¬
zweckt.

Du machst mich sehr neugierig, erwiederte der junge Graf, indem er sich
in den Lehnstuhl zurücksinken ließ.

Unsre Hierherkunft, sagte die Gräfin bedächtig, ist einerseits durch die Rück¬
sicht auf deine Gesundheit, andrerseits durch ein fast ebenso wichtiges andres
Moment bestimmt worden. Ich muß dir mitteilen, lieber Dietrich, was du doch
zu einer oder der andern Zeit einmal erfahren mußt, daß nämlich dein Vater,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0387" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/152084"/>
            <fw type="header" place="top"> Die Grase» von Altenschwerdt.</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1417" prev="#ID_1416"> wie alle die Dinge heißen mögen, die in den Algen enthalten sind, verwandeln<lb/>
sich in höchst gefährliche, ätzende Säfte, wenn sie mit heterogenen Stoffen im<lb/>
Magen vereinigt werden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1418"> Der Jüngling lachte. Du redest wahrhaftig, liebe Mama, als wärest du<lb/>
ein Apotheker.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1419"> Es ist meine Liebe zu dir, Dietrich, das solltest du bedenken, sagte sie, das<lb/>
Taschentuch an die Augen drückend.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1420"> Und ich will dir einen kleinen Trost bringen, fuhr sie fort. Damit du<lb/>
dich nicht so sehr laugweilst, bin ich darauf bedacht gewesen, dir eine Zerstreuung<lb/>
unschuldiger Art zu verschaffen. Ich habe das junge Mädchen kommen lassen,<lb/>
das du früher so gern spielen und singen hörtest, Anna Glock. Sie hat sich<lb/>
in den beiden Jahren, wo sie auf dem Konservatorium in Leipzig war, sehr<lb/>
verbessert und ist jetzt wirklich eine Virtuosin.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1421"> Ah! rief Dietrich erheitert, wahrhaftig? Der Adjutant? Der Adjutant ist<lb/>
wieder da? Das ist mir angenehm. Sie ist ein gutes Tierchen und sie soll<lb/>
mir gleich heute Morgen ein Konzert geben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1422"> Er war bei diesen Worten aufgestanden und im Begriff hinauszugehen,<lb/>
als seine Mutter ihn am Arme festhielt und bat, ihr noch ans kurze Zeit Gehör<lb/>
zu schenken.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1423"> Der Ton ihrer Stimme klang dabei so eigentümlich, daß Dietrich sie ver¬<lb/>
wundert ansah.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1424"> In dem scharf geschnittenen, aber immer noch schönen Gesicht funkelten die<lb/>
dunkel» Augen mit einem besondern Feuer, und eine große Energie sprach sich<lb/>
in ihm aus. Zwischen ihren Zügen und denen des Sohnes bestand eine starke<lb/>
Ähnlichkeit, aber gerade in diesem Augenblicke trat auch die Verschiedenheit<lb/>
zwischen beiden deutlich hervor. Das schöne Gesicht des jungen Grafen hatte<lb/>
im Vergleich zu dem der Mutter einen weibischen Ausdruck. Es war weicher<lb/>
in den Formen, Nase und Kinn waren nicht so spitz und nicht so scharf hervor¬<lb/>
tretend, und sein Blick hatte nicht den funkelnden Blitz, sondern ein schimmerndes<lb/>
Licht, das weniger Stolz und Energie als Eitelkeit und Selbstliebe anzuzeigen<lb/>
schien.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1425"> Ich habe noch etwas ernsthaftes mit dir zu besprechen, sagte die Gräfin,<lb/>
und ich rechne um so mehr auf deine Aufmerksamkeit und Folgsamkeit, als du<lb/>
überzeugt sein mußt, daß alles, was ich denke und thue, nur dein Glück be¬<lb/>
zweckt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1426"> Du machst mich sehr neugierig, erwiederte der junge Graf, indem er sich<lb/>
in den Lehnstuhl zurücksinken ließ.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1427" next="#ID_1428"> Unsre Hierherkunft, sagte die Gräfin bedächtig, ist einerseits durch die Rück¬<lb/>
sicht auf deine Gesundheit, andrerseits durch ein fast ebenso wichtiges andres<lb/>
Moment bestimmt worden. Ich muß dir mitteilen, lieber Dietrich, was du doch<lb/>
zu einer oder der andern Zeit einmal erfahren mußt, daß nämlich dein Vater,</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0387] Die Grase» von Altenschwerdt. wie alle die Dinge heißen mögen, die in den Algen enthalten sind, verwandeln sich in höchst gefährliche, ätzende Säfte, wenn sie mit heterogenen Stoffen im Magen vereinigt werden. Der Jüngling lachte. Du redest wahrhaftig, liebe Mama, als wärest du ein Apotheker. Es ist meine Liebe zu dir, Dietrich, das solltest du bedenken, sagte sie, das Taschentuch an die Augen drückend. Und ich will dir einen kleinen Trost bringen, fuhr sie fort. Damit du dich nicht so sehr laugweilst, bin ich darauf bedacht gewesen, dir eine Zerstreuung unschuldiger Art zu verschaffen. Ich habe das junge Mädchen kommen lassen, das du früher so gern spielen und singen hörtest, Anna Glock. Sie hat sich in den beiden Jahren, wo sie auf dem Konservatorium in Leipzig war, sehr verbessert und ist jetzt wirklich eine Virtuosin. Ah! rief Dietrich erheitert, wahrhaftig? Der Adjutant? Der Adjutant ist wieder da? Das ist mir angenehm. Sie ist ein gutes Tierchen und sie soll mir gleich heute Morgen ein Konzert geben. Er war bei diesen Worten aufgestanden und im Begriff hinauszugehen, als seine Mutter ihn am Arme festhielt und bat, ihr noch ans kurze Zeit Gehör zu schenken. Der Ton ihrer Stimme klang dabei so eigentümlich, daß Dietrich sie ver¬ wundert ansah. In dem scharf geschnittenen, aber immer noch schönen Gesicht funkelten die dunkel» Augen mit einem besondern Feuer, und eine große Energie sprach sich in ihm aus. Zwischen ihren Zügen und denen des Sohnes bestand eine starke Ähnlichkeit, aber gerade in diesem Augenblicke trat auch die Verschiedenheit zwischen beiden deutlich hervor. Das schöne Gesicht des jungen Grafen hatte im Vergleich zu dem der Mutter einen weibischen Ausdruck. Es war weicher in den Formen, Nase und Kinn waren nicht so spitz und nicht so scharf hervor¬ tretend, und sein Blick hatte nicht den funkelnden Blitz, sondern ein schimmerndes Licht, das weniger Stolz und Energie als Eitelkeit und Selbstliebe anzuzeigen schien. Ich habe noch etwas ernsthaftes mit dir zu besprechen, sagte die Gräfin, und ich rechne um so mehr auf deine Aufmerksamkeit und Folgsamkeit, als du überzeugt sein mußt, daß alles, was ich denke und thue, nur dein Glück be¬ zweckt. Du machst mich sehr neugierig, erwiederte der junge Graf, indem er sich in den Lehnstuhl zurücksinken ließ. Unsre Hierherkunft, sagte die Gräfin bedächtig, ist einerseits durch die Rück¬ sicht auf deine Gesundheit, andrerseits durch ein fast ebenso wichtiges andres Moment bestimmt worden. Ich muß dir mitteilen, lieber Dietrich, was du doch zu einer oder der andern Zeit einmal erfahren mußt, daß nämlich dein Vater,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/387
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/387>, abgerufen am 23.07.2024.