Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Grafen von Altenschwerdt.

mich beehre, Ihnen hierbei das ausbedungene Honorar ^ M. 1000 ganz er¬
gebenste auch für die neue Ausgabe zu überreichen, möchte ich mir die Anfrage
erlauben, ob es nicht ratsam wäre, nunmehr den in der That reizenden Ge¬
dichten, die dem Publikum so gut gefallen, den Namen des Autors vorzusetzen
und somit die bisherige Anonymität fallen zu lassen. Es wird nur von Euer
Hochgeboren Entscheidung abhänge", ob Sie Ihren Namen denen der ersten
Lyriker der Neuzeit einreihen wollen. Indem ich Euer Hochgeboren gütiger
Rückäußerung hierüber entgegensehe, verbleibe ich mit vorzüglicher Hochachtung
Euer Hochgeboren ergebenster Friedrich Müller, Verlags bnchhcindler.

Der Jüngling blickte mit schimmernden Augen von dem Papiere auf und
sah wieder nachdenklich in die See hinaus.

So ist es doch wahr, sagte er sich, so haben meine hochfliegenden Hoff¬
nungen mich nicht betrogen. Ich bin ein Dichter, das göttliche Licht der Schön¬
heit leuchtet auch in meiner Seele!

Gedankenvoll lauschte er dem Brausen des ewig bewegten Wassers und
folgte dem Spiel der immer neu cmsschwellenden, vordringenden und zusammen¬
sinkenden Wellen.

O, ihr meine Götter, dachte er, was würdet ihr sagen, wenn ihr meine
Gedichte lesen könntet? Du, Heinrich Heine, du, Alfred de Musset, du unsterb¬
licher Ariost! Würdet ihr mich anerkenne"? O ja, ich bin euresgleichen!

Aber niemals soll der Name des Grafen Dietrich von Altenschwerdt dem
Publikum bekannt werden. Er ist zu adlich. Er darf nicht von den breiten
Mäulern des gemeinen Volkes befleckt werde". Er darf nicht anders von der
Masse genannt werden, als in Verehrung vor unserm Stamm, und soll nicht
ans bedruckten: Papier von Hand zu Hand gehen und der Kritik des unwissende",
sühllose" Pöbels anheimfallen. Auch kenne ich meine Verwandtschaft. Sie
würde entsetzt sein, wenn sie wüßte, daß jene erotischen Gedichte, welche die
Entrüstung der Frommen bilden, von dieser Hand hier geschrieben, von diesem
flammenden Herzen erdacht sind!

Doch wie? Habe ich dich auch nur einen Augenblick vergessen können,
süßes, kleines Geschöpf, phantastische Odette?

Er zog den französischen Brief aus der Tasche, öffnete ihn, küßte die Unter¬
schrift und begann mit Eifer die acht vollgekritzeltcn Seiten zu lesen, wobei er
oft in lautes Lachen ausbrach.

Er war sehr vertieft in den Brief, der mannichfache Schwierigkeiten bot,
weil oft der Raum nicht ganz den Anforderungen der Schreiberin entgegenge¬
kommen war, sodaß sie kreuz und quer geschrieben hatte, so sehr vertieft, daß
er nicht bemerkte, was um ihn her vorging. Eine Dame war in sein Zimmer
getreten, hatte ihn aus dem Balkon erblickt und stand nun vor ihm.

Dietrich! sagte sie in strengem Tone, welch ein Eifer!

Er fuhr zusammen, blickte errötend ans und ließ die Hand mit dem Briefe sinken.


Grenzboten I. 1383, , 48
Die Grafen von Altenschwerdt.

mich beehre, Ihnen hierbei das ausbedungene Honorar ^ M. 1000 ganz er¬
gebenste auch für die neue Ausgabe zu überreichen, möchte ich mir die Anfrage
erlauben, ob es nicht ratsam wäre, nunmehr den in der That reizenden Ge¬
dichten, die dem Publikum so gut gefallen, den Namen des Autors vorzusetzen
und somit die bisherige Anonymität fallen zu lassen. Es wird nur von Euer
Hochgeboren Entscheidung abhänge», ob Sie Ihren Namen denen der ersten
Lyriker der Neuzeit einreihen wollen. Indem ich Euer Hochgeboren gütiger
Rückäußerung hierüber entgegensehe, verbleibe ich mit vorzüglicher Hochachtung
Euer Hochgeboren ergebenster Friedrich Müller, Verlags bnchhcindler.

Der Jüngling blickte mit schimmernden Augen von dem Papiere auf und
sah wieder nachdenklich in die See hinaus.

So ist es doch wahr, sagte er sich, so haben meine hochfliegenden Hoff¬
nungen mich nicht betrogen. Ich bin ein Dichter, das göttliche Licht der Schön¬
heit leuchtet auch in meiner Seele!

Gedankenvoll lauschte er dem Brausen des ewig bewegten Wassers und
folgte dem Spiel der immer neu cmsschwellenden, vordringenden und zusammen¬
sinkenden Wellen.

O, ihr meine Götter, dachte er, was würdet ihr sagen, wenn ihr meine
Gedichte lesen könntet? Du, Heinrich Heine, du, Alfred de Musset, du unsterb¬
licher Ariost! Würdet ihr mich anerkenne»? O ja, ich bin euresgleichen!

Aber niemals soll der Name des Grafen Dietrich von Altenschwerdt dem
Publikum bekannt werden. Er ist zu adlich. Er darf nicht von den breiten
Mäulern des gemeinen Volkes befleckt werde». Er darf nicht anders von der
Masse genannt werden, als in Verehrung vor unserm Stamm, und soll nicht
ans bedruckten: Papier von Hand zu Hand gehen und der Kritik des unwissende»,
sühllose» Pöbels anheimfallen. Auch kenne ich meine Verwandtschaft. Sie
würde entsetzt sein, wenn sie wüßte, daß jene erotischen Gedichte, welche die
Entrüstung der Frommen bilden, von dieser Hand hier geschrieben, von diesem
flammenden Herzen erdacht sind!

Doch wie? Habe ich dich auch nur einen Augenblick vergessen können,
süßes, kleines Geschöpf, phantastische Odette?

Er zog den französischen Brief aus der Tasche, öffnete ihn, küßte die Unter¬
schrift und begann mit Eifer die acht vollgekritzeltcn Seiten zu lesen, wobei er
oft in lautes Lachen ausbrach.

Er war sehr vertieft in den Brief, der mannichfache Schwierigkeiten bot,
weil oft der Raum nicht ganz den Anforderungen der Schreiberin entgegenge¬
kommen war, sodaß sie kreuz und quer geschrieben hatte, so sehr vertieft, daß
er nicht bemerkte, was um ihn her vorging. Eine Dame war in sein Zimmer
getreten, hatte ihn aus dem Balkon erblickt und stand nun vor ihm.

Dietrich! sagte sie in strengem Tone, welch ein Eifer!

Er fuhr zusammen, blickte errötend ans und ließ die Hand mit dem Briefe sinken.


Grenzboten I. 1383, , 48
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0385" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/152080"/>
            <fw type="header" place="top"> Die Grafen von Altenschwerdt.</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1398" prev="#ID_1397"> mich beehre, Ihnen hierbei das ausbedungene Honorar ^ M. 1000 ganz er¬<lb/>
gebenste auch für die neue Ausgabe zu überreichen, möchte ich mir die Anfrage<lb/>
erlauben, ob es nicht ratsam wäre, nunmehr den in der That reizenden Ge¬<lb/>
dichten, die dem Publikum so gut gefallen, den Namen des Autors vorzusetzen<lb/>
und somit die bisherige Anonymität fallen zu lassen. Es wird nur von Euer<lb/>
Hochgeboren Entscheidung abhänge», ob Sie Ihren Namen denen der ersten<lb/>
Lyriker der Neuzeit einreihen wollen. Indem ich Euer Hochgeboren gütiger<lb/>
Rückäußerung hierüber entgegensehe, verbleibe ich mit vorzüglicher Hochachtung<lb/>
Euer Hochgeboren ergebenster Friedrich Müller, Verlags bnchhcindler.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1399"> Der Jüngling blickte mit schimmernden Augen von dem Papiere auf und<lb/>
sah wieder nachdenklich in die See hinaus.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1400"> So ist es doch wahr, sagte er sich, so haben meine hochfliegenden Hoff¬<lb/>
nungen mich nicht betrogen. Ich bin ein Dichter, das göttliche Licht der Schön¬<lb/>
heit leuchtet auch in meiner Seele!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1401"> Gedankenvoll lauschte er dem Brausen des ewig bewegten Wassers und<lb/>
folgte dem Spiel der immer neu cmsschwellenden, vordringenden und zusammen¬<lb/>
sinkenden Wellen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1402"> O, ihr meine Götter, dachte er, was würdet ihr sagen, wenn ihr meine<lb/>
Gedichte lesen könntet? Du, Heinrich Heine, du, Alfred de Musset, du unsterb¬<lb/>
licher Ariost! Würdet ihr mich anerkenne»? O ja, ich bin euresgleichen!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1403"> Aber niemals soll der Name des Grafen Dietrich von Altenschwerdt dem<lb/>
Publikum bekannt werden. Er ist zu adlich. Er darf nicht von den breiten<lb/>
Mäulern des gemeinen Volkes befleckt werde». Er darf nicht anders von der<lb/>
Masse genannt werden, als in Verehrung vor unserm Stamm, und soll nicht<lb/>
ans bedruckten: Papier von Hand zu Hand gehen und der Kritik des unwissende»,<lb/>
sühllose» Pöbels anheimfallen. Auch kenne ich meine Verwandtschaft. Sie<lb/>
würde entsetzt sein, wenn sie wüßte, daß jene erotischen Gedichte, welche die<lb/>
Entrüstung der Frommen bilden, von dieser Hand hier geschrieben, von diesem<lb/>
flammenden Herzen erdacht sind!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1404"> Doch wie? Habe ich dich auch nur einen Augenblick vergessen können,<lb/>
süßes, kleines Geschöpf, phantastische Odette?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1405"> Er zog den französischen Brief aus der Tasche, öffnete ihn, küßte die Unter¬<lb/>
schrift und begann mit Eifer die acht vollgekritzeltcn Seiten zu lesen, wobei er<lb/>
oft in lautes Lachen ausbrach.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1406"> Er war sehr vertieft in den Brief, der mannichfache Schwierigkeiten bot,<lb/>
weil oft der Raum nicht ganz den Anforderungen der Schreiberin entgegenge¬<lb/>
kommen war, sodaß sie kreuz und quer geschrieben hatte, so sehr vertieft, daß<lb/>
er nicht bemerkte, was um ihn her vorging. Eine Dame war in sein Zimmer<lb/>
getreten, hatte ihn aus dem Balkon erblickt und stand nun vor ihm.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1407"> Dietrich! sagte sie in strengem Tone, welch ein Eifer!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1408"> Er fuhr zusammen, blickte errötend ans und ließ die Hand mit dem Briefe sinken.</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1383, , 48</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0385] Die Grafen von Altenschwerdt. mich beehre, Ihnen hierbei das ausbedungene Honorar ^ M. 1000 ganz er¬ gebenste auch für die neue Ausgabe zu überreichen, möchte ich mir die Anfrage erlauben, ob es nicht ratsam wäre, nunmehr den in der That reizenden Ge¬ dichten, die dem Publikum so gut gefallen, den Namen des Autors vorzusetzen und somit die bisherige Anonymität fallen zu lassen. Es wird nur von Euer Hochgeboren Entscheidung abhänge», ob Sie Ihren Namen denen der ersten Lyriker der Neuzeit einreihen wollen. Indem ich Euer Hochgeboren gütiger Rückäußerung hierüber entgegensehe, verbleibe ich mit vorzüglicher Hochachtung Euer Hochgeboren ergebenster Friedrich Müller, Verlags bnchhcindler. Der Jüngling blickte mit schimmernden Augen von dem Papiere auf und sah wieder nachdenklich in die See hinaus. So ist es doch wahr, sagte er sich, so haben meine hochfliegenden Hoff¬ nungen mich nicht betrogen. Ich bin ein Dichter, das göttliche Licht der Schön¬ heit leuchtet auch in meiner Seele! Gedankenvoll lauschte er dem Brausen des ewig bewegten Wassers und folgte dem Spiel der immer neu cmsschwellenden, vordringenden und zusammen¬ sinkenden Wellen. O, ihr meine Götter, dachte er, was würdet ihr sagen, wenn ihr meine Gedichte lesen könntet? Du, Heinrich Heine, du, Alfred de Musset, du unsterb¬ licher Ariost! Würdet ihr mich anerkenne»? O ja, ich bin euresgleichen! Aber niemals soll der Name des Grafen Dietrich von Altenschwerdt dem Publikum bekannt werden. Er ist zu adlich. Er darf nicht von den breiten Mäulern des gemeinen Volkes befleckt werde». Er darf nicht anders von der Masse genannt werden, als in Verehrung vor unserm Stamm, und soll nicht ans bedruckten: Papier von Hand zu Hand gehen und der Kritik des unwissende», sühllose» Pöbels anheimfallen. Auch kenne ich meine Verwandtschaft. Sie würde entsetzt sein, wenn sie wüßte, daß jene erotischen Gedichte, welche die Entrüstung der Frommen bilden, von dieser Hand hier geschrieben, von diesem flammenden Herzen erdacht sind! Doch wie? Habe ich dich auch nur einen Augenblick vergessen können, süßes, kleines Geschöpf, phantastische Odette? Er zog den französischen Brief aus der Tasche, öffnete ihn, küßte die Unter¬ schrift und begann mit Eifer die acht vollgekritzeltcn Seiten zu lesen, wobei er oft in lautes Lachen ausbrach. Er war sehr vertieft in den Brief, der mannichfache Schwierigkeiten bot, weil oft der Raum nicht ganz den Anforderungen der Schreiberin entgegenge¬ kommen war, sodaß sie kreuz und quer geschrieben hatte, so sehr vertieft, daß er nicht bemerkte, was um ihn her vorging. Eine Dame war in sein Zimmer getreten, hatte ihn aus dem Balkon erblickt und stand nun vor ihm. Dietrich! sagte sie in strengem Tone, welch ein Eifer! Er fuhr zusammen, blickte errötend ans und ließ die Hand mit dem Briefe sinken. Grenzboten I. 1383, , 48

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/385
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/385>, abgerufen am 23.07.2024.