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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altcnschwerdt,

Da thust du am besten, nicht zu hören, mein lieber Rudolf, sagte der andre
kaltblütig,

Rudolf schüttelte den Kopf, Du bist doch immer noch der alte, sagte er
mit bedauerndem Tone, immer noch der Leichtfuß, der guten Rat erfahrener
Männer in den Wind schlägt,

lind die erfahrenen Männer sitzen mir doch gerade gegenüber, sagte Gott¬
lieb, Aber ich will dir etwas sagen, Wenn du el" Bruder wärst, wie es sich
gehörte, so tratest du gehörig auf und fragtest die Leute, die über mich schwatzen,
was sie denn eigentlich wollten.

Was sie wollen, kann ich dir sagen, den" ich höre es oft genug, Sie be¬
haupten, du wärst ein Kurpfuscher, der reinen Schwindel triebe, indem er kranke
Menschen kuriren wollte, ohne Medizin studirt zu haben. Sieh einmal, Gott-
lieb, ich habe eine wichtige Reise in bedeutenden Geschäfte" eigens anfgeschobe",
um dich erst z" besuchen und ein ernstes, brüderliches Wort mit dir zu sprechen.
Denn ich bin der Älteste und fühle die Verantwortung für den guten Ruf der
Familie auf mir lasten, seitdem unser guter Vater tot ist. Deshalb darfst du
mir das nicht übel nehmen, sondern solltest dich eher darüber freue", daß ich
mich so für dich interessire. Du hast so bedeutende Fähigkeiten, bist ein so
gewandter Mensch und raffinirter Geschäftsmann, wie ich ans dein Zustande
deiner Anstalt entnehme, Willst du da nicht lieber mit meiner Hilfe etwas
Solides anfangen, anstatt Geschäfte zu treiben, die keinen gesunden Boon haben
und über kurz oder laug zusammenbrechen müssen, wenn sie auch für den
Augenblick noch so blühend sind?

Der Natnrarzt hörte bis zum letzten Worte ernsthaft zu, dann aber brach
er in ein lautes Lachen aus und wälzte sich behaglich in dem großen, mit rotem
Sammet überzogenen Lehnstuhl, welchen er gleich einem Throne bei seinen Kon¬
sultationen zu behaupten Pflegte und auch beim Besuche seines Bruders nicht
verlassen hatte.

Ein höchst gelungener Kerl bist du doch, sagte er endlich. Ich glaube,
wenn du einmal in den Himmel kommst, gehst dn direkt zum lieben Gott und
giebst ihm einen guten Rat, wie er die Welt regieren soll. Aber ich will nicht
undankbar sein, sondern dir mich wiedererzählen, was die Leute über dich schwatzen,
Sie meinen, du wärst ein Hans Dampf in allen Gassen, der immerfort neue
Geschäfte ansinge, ehe noch die alten sichergestellt wären. Ich aber bin ein
besserer Kerl als du, denn wenn ich so etwas höre, nehme ich dich in Schutz
und sage, du wärst ein Genie und von beschränkten Köpfen nicht zu verstehen.
Und du darfst es mir nicht übel nehmen, wenn ich dir auch aus brüderlichem
Herzen rate, dich in deinen Unternehmungen zu beschränken, Dn hast so be¬
deutende Fähigkeiten, bist ein so gewandter Mensch und raffinirter Geschäfts¬
mann, wie ich aus dem Zulauf zu deiner Gewcrbcbank und der Verbreitung,
deiner Zeitung entnehme. Willst du da nicht lieber solid verfahren als immer


Die Grafen von Altcnschwerdt,

Da thust du am besten, nicht zu hören, mein lieber Rudolf, sagte der andre
kaltblütig,

Rudolf schüttelte den Kopf, Du bist doch immer noch der alte, sagte er
mit bedauerndem Tone, immer noch der Leichtfuß, der guten Rat erfahrener
Männer in den Wind schlägt,

lind die erfahrenen Männer sitzen mir doch gerade gegenüber, sagte Gott¬
lieb, Aber ich will dir etwas sagen, Wenn du el» Bruder wärst, wie es sich
gehörte, so tratest du gehörig auf und fragtest die Leute, die über mich schwatzen,
was sie denn eigentlich wollten.

Was sie wollen, kann ich dir sagen, den» ich höre es oft genug, Sie be¬
haupten, du wärst ein Kurpfuscher, der reinen Schwindel triebe, indem er kranke
Menschen kuriren wollte, ohne Medizin studirt zu haben. Sieh einmal, Gott-
lieb, ich habe eine wichtige Reise in bedeutenden Geschäfte» eigens anfgeschobe»,
um dich erst z» besuchen und ein ernstes, brüderliches Wort mit dir zu sprechen.
Denn ich bin der Älteste und fühle die Verantwortung für den guten Ruf der
Familie auf mir lasten, seitdem unser guter Vater tot ist. Deshalb darfst du
mir das nicht übel nehmen, sondern solltest dich eher darüber freue», daß ich
mich so für dich interessire. Du hast so bedeutende Fähigkeiten, bist ein so
gewandter Mensch und raffinirter Geschäftsmann, wie ich ans dein Zustande
deiner Anstalt entnehme, Willst du da nicht lieber mit meiner Hilfe etwas
Solides anfangen, anstatt Geschäfte zu treiben, die keinen gesunden Boon haben
und über kurz oder laug zusammenbrechen müssen, wenn sie auch für den
Augenblick noch so blühend sind?

Der Natnrarzt hörte bis zum letzten Worte ernsthaft zu, dann aber brach
er in ein lautes Lachen aus und wälzte sich behaglich in dem großen, mit rotem
Sammet überzogenen Lehnstuhl, welchen er gleich einem Throne bei seinen Kon¬
sultationen zu behaupten Pflegte und auch beim Besuche seines Bruders nicht
verlassen hatte.

Ein höchst gelungener Kerl bist du doch, sagte er endlich. Ich glaube,
wenn du einmal in den Himmel kommst, gehst dn direkt zum lieben Gott und
giebst ihm einen guten Rat, wie er die Welt regieren soll. Aber ich will nicht
undankbar sein, sondern dir mich wiedererzählen, was die Leute über dich schwatzen,
Sie meinen, du wärst ein Hans Dampf in allen Gassen, der immerfort neue
Geschäfte ansinge, ehe noch die alten sichergestellt wären. Ich aber bin ein
besserer Kerl als du, denn wenn ich so etwas höre, nehme ich dich in Schutz
und sage, du wärst ein Genie und von beschränkten Köpfen nicht zu verstehen.
Und du darfst es mir nicht übel nehmen, wenn ich dir auch aus brüderlichem
Herzen rate, dich in deinen Unternehmungen zu beschränken, Dn hast so be¬
deutende Fähigkeiten, bist ein so gewandter Mensch und raffinirter Geschäfts¬
mann, wie ich aus dem Zulauf zu deiner Gewcrbcbank und der Verbreitung,
deiner Zeitung entnehme. Willst du da nicht lieber solid verfahren als immer


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[0381] Die Grafen von Altcnschwerdt, Da thust du am besten, nicht zu hören, mein lieber Rudolf, sagte der andre kaltblütig, Rudolf schüttelte den Kopf, Du bist doch immer noch der alte, sagte er mit bedauerndem Tone, immer noch der Leichtfuß, der guten Rat erfahrener Männer in den Wind schlägt, lind die erfahrenen Männer sitzen mir doch gerade gegenüber, sagte Gott¬ lieb, Aber ich will dir etwas sagen, Wenn du el» Bruder wärst, wie es sich gehörte, so tratest du gehörig auf und fragtest die Leute, die über mich schwatzen, was sie denn eigentlich wollten. Was sie wollen, kann ich dir sagen, den» ich höre es oft genug, Sie be¬ haupten, du wärst ein Kurpfuscher, der reinen Schwindel triebe, indem er kranke Menschen kuriren wollte, ohne Medizin studirt zu haben. Sieh einmal, Gott- lieb, ich habe eine wichtige Reise in bedeutenden Geschäfte» eigens anfgeschobe», um dich erst z» besuchen und ein ernstes, brüderliches Wort mit dir zu sprechen. Denn ich bin der Älteste und fühle die Verantwortung für den guten Ruf der Familie auf mir lasten, seitdem unser guter Vater tot ist. Deshalb darfst du mir das nicht übel nehmen, sondern solltest dich eher darüber freue», daß ich mich so für dich interessire. Du hast so bedeutende Fähigkeiten, bist ein so gewandter Mensch und raffinirter Geschäftsmann, wie ich ans dein Zustande deiner Anstalt entnehme, Willst du da nicht lieber mit meiner Hilfe etwas Solides anfangen, anstatt Geschäfte zu treiben, die keinen gesunden Boon haben und über kurz oder laug zusammenbrechen müssen, wenn sie auch für den Augenblick noch so blühend sind? Der Natnrarzt hörte bis zum letzten Worte ernsthaft zu, dann aber brach er in ein lautes Lachen aus und wälzte sich behaglich in dem großen, mit rotem Sammet überzogenen Lehnstuhl, welchen er gleich einem Throne bei seinen Kon¬ sultationen zu behaupten Pflegte und auch beim Besuche seines Bruders nicht verlassen hatte. Ein höchst gelungener Kerl bist du doch, sagte er endlich. Ich glaube, wenn du einmal in den Himmel kommst, gehst dn direkt zum lieben Gott und giebst ihm einen guten Rat, wie er die Welt regieren soll. Aber ich will nicht undankbar sein, sondern dir mich wiedererzählen, was die Leute über dich schwatzen, Sie meinen, du wärst ein Hans Dampf in allen Gassen, der immerfort neue Geschäfte ansinge, ehe noch die alten sichergestellt wären. Ich aber bin ein besserer Kerl als du, denn wenn ich so etwas höre, nehme ich dich in Schutz und sage, du wärst ein Genie und von beschränkten Köpfen nicht zu verstehen. Und du darfst es mir nicht übel nehmen, wenn ich dir auch aus brüderlichem Herzen rate, dich in deinen Unternehmungen zu beschränken, Dn hast so be¬ deutende Fähigkeiten, bist ein so gewandter Mensch und raffinirter Geschäfts¬ mann, wie ich aus dem Zulauf zu deiner Gewcrbcbank und der Verbreitung, deiner Zeitung entnehme. Willst du da nicht lieber solid verfahren als immer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/381>, abgerufen am 25.08.2024.