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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Rußland am Äalkcm,

behufs Verifizirung dessen, was nur Jhre" aus Bulgarien schreibt, und ich gebe
Ihnen mein Wort, daß ich -- die Nachricht sei mir lieb oder leid -- nichts
verbergen und die Wahrheit sagen werde. Unwahre und unerfreuliche Nach¬
richten über Bulgarien in den russischen Blättern sind so kränkend, und sie be¬
leidigen die Bulgaren so sehr! -- Das ist ohne Zweifel sehr traurig, Ew. Hoheit,
aber die Redaktionen sind nicht immer schuld. -- Ich begreife, daß man sie
täuscht, aber ich bin der Meinung, daß Organe wie "Neue Zeit," "GoloS"
und "Ruß" hier ständige erprobte Korrespondenten haben müßten.

Der Fürst kommt dann nochmals auf die angebliche katholische Propaganda
zurück und leugnet, daß eine solche stattfinde. Darauf Herr Mvltschanoff: Aber
Rumelien, Ew. Hoheit? -- Ach, das ist etwas andres. Ich begreife einfach
nicht, was dort vor sich geht. Man tritt dort in Versammlungen zusammen,
und man sendet mir ein Programm dessen, was ich für Bulgarien zu thun
habe, bei Strafe der Vertreibung. Es erscheinen dort Blätter, welche die Bul¬
garen zur Opposition gegen mich und die russische Politik aufreize"; die Un¬
zufriedenen, und unter ihnen sogar Offiziere meiner Armee, begeben sich von
hier dorthin -- mit einem Worte, dort findet eine vollständige Demoralisation
der Bulgare" statt, welche auf die Ruhe und die Ordnung im Fürstentnme sehr
schädlich einwirkt. So können wir kaum fortleben. -- Darin liegt noch ein
Grund mehr für die Notwendigkeit einer Einigung Bulgariens, und wir, Eure
Hoheit, sind sogar der Meinung, daß die Gegenwart dieser Einigung überaus
günstig sei. -- Das kann sein. Da nimmt England Ägypten und alle Welt
zieht den Hut. Wollte Rußland so verfahren, so würde jedermann: "Zu Hilfe"
rufen. Hatten Sie Gelegenheit, meine junge Armee zu sehen? -- Gestern,
Eure Hoheit, wohnte ich der Parade eines Regiments bei. -- Und welchen
Eindruck empfingen Sie? -- Ich freute mich unendlich und wunderte mich über
die schnellen Fortschritte. -- O ja. Ich danke das den russischen Offizieren, welche
ausnahmslos die ehrenwertesten Anstrengungen machen, um das Heer gut aus¬
zubilden. Ich bin ihnen sehr verbunden.

Ich erzählte darauf dem Fürsten, sährt der Berichterstatter fort, was mir
am Tage vorher auf der Parade begegnet war. Nach den Worten des Baron
Kaulbars: "Ich danke euch, Kinder. Mit euch ist es eine Lust, gegen den Feind
zu gehen. Ihr seid fertig" lächelten die Soldaten fröhlich und fragten mich:
Nun, wenn wir fertig sind und wenn es eine Lust ist -- warum führt man
uns denn nicht gegen den Feind? -- Gegen welchen Feind? fragte ich da¬
gegen. -- Gegen den Türken, antworteten die Soldaten im Chor. -- Einen
andern Feind habt ihr nicht? fragte ich weiter. -- Wie sollten wir nicht, war die
Antwort, wir haben noch einen. -- Wer ist es? -- Der Österreicher. Der
Fürst hörte meinen Bericht mit fröhlichem Lachen (!) an und kam dann wieder
auf die russische Presse zurück. Ich begreife nicht, warum man mich in Ru߬
land nicht liebt. Etwa deshalb nicht, weil ich meiner Abstammung nach ein


Grenzboten I. 1338. N9
Rußland am Äalkcm,

behufs Verifizirung dessen, was nur Jhre» aus Bulgarien schreibt, und ich gebe
Ihnen mein Wort, daß ich — die Nachricht sei mir lieb oder leid — nichts
verbergen und die Wahrheit sagen werde. Unwahre und unerfreuliche Nach¬
richten über Bulgarien in den russischen Blättern sind so kränkend, und sie be¬
leidigen die Bulgaren so sehr! — Das ist ohne Zweifel sehr traurig, Ew. Hoheit,
aber die Redaktionen sind nicht immer schuld. — Ich begreife, daß man sie
täuscht, aber ich bin der Meinung, daß Organe wie „Neue Zeit," „GoloS"
und „Ruß" hier ständige erprobte Korrespondenten haben müßten.

Der Fürst kommt dann nochmals auf die angebliche katholische Propaganda
zurück und leugnet, daß eine solche stattfinde. Darauf Herr Mvltschanoff: Aber
Rumelien, Ew. Hoheit? — Ach, das ist etwas andres. Ich begreife einfach
nicht, was dort vor sich geht. Man tritt dort in Versammlungen zusammen,
und man sendet mir ein Programm dessen, was ich für Bulgarien zu thun
habe, bei Strafe der Vertreibung. Es erscheinen dort Blätter, welche die Bul¬
garen zur Opposition gegen mich und die russische Politik aufreize»; die Un¬
zufriedenen, und unter ihnen sogar Offiziere meiner Armee, begeben sich von
hier dorthin — mit einem Worte, dort findet eine vollständige Demoralisation
der Bulgare» statt, welche auf die Ruhe und die Ordnung im Fürstentnme sehr
schädlich einwirkt. So können wir kaum fortleben. — Darin liegt noch ein
Grund mehr für die Notwendigkeit einer Einigung Bulgariens, und wir, Eure
Hoheit, sind sogar der Meinung, daß die Gegenwart dieser Einigung überaus
günstig sei. — Das kann sein. Da nimmt England Ägypten und alle Welt
zieht den Hut. Wollte Rußland so verfahren, so würde jedermann: „Zu Hilfe"
rufen. Hatten Sie Gelegenheit, meine junge Armee zu sehen? — Gestern,
Eure Hoheit, wohnte ich der Parade eines Regiments bei. — Und welchen
Eindruck empfingen Sie? — Ich freute mich unendlich und wunderte mich über
die schnellen Fortschritte. — O ja. Ich danke das den russischen Offizieren, welche
ausnahmslos die ehrenwertesten Anstrengungen machen, um das Heer gut aus¬
zubilden. Ich bin ihnen sehr verbunden.

Ich erzählte darauf dem Fürsten, sährt der Berichterstatter fort, was mir
am Tage vorher auf der Parade begegnet war. Nach den Worten des Baron
Kaulbars: „Ich danke euch, Kinder. Mit euch ist es eine Lust, gegen den Feind
zu gehen. Ihr seid fertig" lächelten die Soldaten fröhlich und fragten mich:
Nun, wenn wir fertig sind und wenn es eine Lust ist — warum führt man
uns denn nicht gegen den Feind? — Gegen welchen Feind? fragte ich da¬
gegen. — Gegen den Türken, antworteten die Soldaten im Chor. — Einen
andern Feind habt ihr nicht? fragte ich weiter. — Wie sollten wir nicht, war die
Antwort, wir haben noch einen. — Wer ist es? — Der Österreicher. Der
Fürst hörte meinen Bericht mit fröhlichem Lachen (!) an und kam dann wieder
auf die russische Presse zurück. Ich begreife nicht, warum man mich in Ru߬
land nicht liebt. Etwa deshalb nicht, weil ich meiner Abstammung nach ein


Grenzboten I. 1338. N9
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[0313] Rußland am Äalkcm, behufs Verifizirung dessen, was nur Jhre» aus Bulgarien schreibt, und ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich — die Nachricht sei mir lieb oder leid — nichts verbergen und die Wahrheit sagen werde. Unwahre und unerfreuliche Nach¬ richten über Bulgarien in den russischen Blättern sind so kränkend, und sie be¬ leidigen die Bulgaren so sehr! — Das ist ohne Zweifel sehr traurig, Ew. Hoheit, aber die Redaktionen sind nicht immer schuld. — Ich begreife, daß man sie täuscht, aber ich bin der Meinung, daß Organe wie „Neue Zeit," „GoloS" und „Ruß" hier ständige erprobte Korrespondenten haben müßten. Der Fürst kommt dann nochmals auf die angebliche katholische Propaganda zurück und leugnet, daß eine solche stattfinde. Darauf Herr Mvltschanoff: Aber Rumelien, Ew. Hoheit? — Ach, das ist etwas andres. Ich begreife einfach nicht, was dort vor sich geht. Man tritt dort in Versammlungen zusammen, und man sendet mir ein Programm dessen, was ich für Bulgarien zu thun habe, bei Strafe der Vertreibung. Es erscheinen dort Blätter, welche die Bul¬ garen zur Opposition gegen mich und die russische Politik aufreize»; die Un¬ zufriedenen, und unter ihnen sogar Offiziere meiner Armee, begeben sich von hier dorthin — mit einem Worte, dort findet eine vollständige Demoralisation der Bulgare» statt, welche auf die Ruhe und die Ordnung im Fürstentnme sehr schädlich einwirkt. So können wir kaum fortleben. — Darin liegt noch ein Grund mehr für die Notwendigkeit einer Einigung Bulgariens, und wir, Eure Hoheit, sind sogar der Meinung, daß die Gegenwart dieser Einigung überaus günstig sei. — Das kann sein. Da nimmt England Ägypten und alle Welt zieht den Hut. Wollte Rußland so verfahren, so würde jedermann: „Zu Hilfe" rufen. Hatten Sie Gelegenheit, meine junge Armee zu sehen? — Gestern, Eure Hoheit, wohnte ich der Parade eines Regiments bei. — Und welchen Eindruck empfingen Sie? — Ich freute mich unendlich und wunderte mich über die schnellen Fortschritte. — O ja. Ich danke das den russischen Offizieren, welche ausnahmslos die ehrenwertesten Anstrengungen machen, um das Heer gut aus¬ zubilden. Ich bin ihnen sehr verbunden. Ich erzählte darauf dem Fürsten, sährt der Berichterstatter fort, was mir am Tage vorher auf der Parade begegnet war. Nach den Worten des Baron Kaulbars: „Ich danke euch, Kinder. Mit euch ist es eine Lust, gegen den Feind zu gehen. Ihr seid fertig" lächelten die Soldaten fröhlich und fragten mich: Nun, wenn wir fertig sind und wenn es eine Lust ist — warum führt man uns denn nicht gegen den Feind? — Gegen welchen Feind? fragte ich da¬ gegen. — Gegen den Türken, antworteten die Soldaten im Chor. — Einen andern Feind habt ihr nicht? fragte ich weiter. — Wie sollten wir nicht, war die Antwort, wir haben noch einen. — Wer ist es? — Der Österreicher. Der Fürst hörte meinen Bericht mit fröhlichem Lachen (!) an und kam dann wieder auf die russische Presse zurück. Ich begreife nicht, warum man mich in Ru߬ land nicht liebt. Etwa deshalb nicht, weil ich meiner Abstammung nach ein Grenzboten I. 1338. N9

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/313>, abgerufen am 23.07.2024.