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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Rußland am Balkan.

In der Zivilverwaltung, an deren Spitze übrigens anch der russische General
Svbvleff steht, ist dem bulgarischen Element mehr Spielraum gelassen. Es ist
das ein unter den derzeitigen Umständen unschädliches Zugeständnis an die öffent¬
liche Meinung, zumal da der bulgarische Beamte, wie wir schon sahen, wenig
oder keinen Einfluß ans seine Volksgenossen hat. "Ich versichere Ihnen, sagte
ein bulgarischer Minister zu einem russische" Reisenden, daß im Volke ein russischer
Fähnrich mehr Ansehen genießt als ein bulgarischer Minister" "Wißt ihr, wer
Bulgarien regiert?" fragte derselbe Reisende bulgarische Bauern. "Gewiß, er¬
hielt er zur Antwort, der russische Zar regiert es, der den Fürsten Alexander
über uns gesetzt hat."

Dem allen entspricht es, daß auch jede offizielle Äußerung der bulgarischen
NolkSrepräsentanten überfließt von Dank gegen den Zaren, den eigentlichen Geber
aller guten Gaben. "Mit außerordentlicher Frende, heißt es in der Adresse,
mit welcher das bulgarische Parlament jüngst die Thronrede des Fürsten be¬
antwortete, nehmen wir wahr, daß Bulgarien sich andauernd des Wohlwollens
und der Liebe unsers Befreiers, Rußlands, erfreut. Die Vertreter des bul¬
garischen Volkes schätzen, überhäuft von Wohlthaten (!), die Protektion und
Gunst unsers Beschützers sehr hoch, da Bulgarien nur durch die sympathische
Zuneigung und den Schutz unsers Befreiers und Beschützers vorwärts schreiten
und blühen kann. Wir Vertreter des bulgarischen Volkes bitten Ew. Hoheit,
dem erhabenen Herrscher aller Reußen Alexander III., dem Erben unsers großen
Befreiers, die Versicherung unsrer tiefsten Dankbarkeit und unsrer Ergeben¬
heit für die erhabene kaiserliche Familie und für das Andenken unsers Be¬
freiers, das nie in einem bulgarischen Herzen erlöschen wird, zu Füßen zu
legen."

Den in diesem Dankeshymnus ausgedrückten Gefühlen wiederum entspricht
es, daß mau stets, bereit ist, für den Befreier Rußland ins Zeug zu gehen.
Als ein Beweis, welches Grades von Selbstverleugnung man in dieser Be¬
ziehung in Bulgarien fähig ist, möge folgende Stelle aus einer Korrespondenz
der "Moskowskija Wedomosti" (1882, Ur. 298) dienen, zu deren bessern: Ver¬
ständnis ich ein paar Worte vorausschicke. König Milan von Serbien machte
im Herbste des vorigen Jahres einen Besuch am Hoflager des Fürsten von
Bulgarien. Da der König sich auf Österreich stützt, so galt es, ihm den Wert
der russischen Freundschaft für die Balkanslaven und ihre Fürsten in möglichst
demonstrativer Weise vor Auge" zu führen, und dieser Aufgabe entledigte man
sich in folgender Weise.

"König Milan -- heißt es in der Korrespondenz -- stieß in Bulgarien
mit jedem Schritt ans Anzeichen der regen Verbindung mit Rußland und dem
russischen Volke, und diese Anzeichen wurden vor den, Schützling des Hauses
Habsburg nicht nur nicht verborgen, sondern im Gegenteile durch den Fürsten
Alexander nach Möglichkeit hervorgehoben. Fangen wir damit an, daß ihm der


Rußland am Balkan.

In der Zivilverwaltung, an deren Spitze übrigens anch der russische General
Svbvleff steht, ist dem bulgarischen Element mehr Spielraum gelassen. Es ist
das ein unter den derzeitigen Umständen unschädliches Zugeständnis an die öffent¬
liche Meinung, zumal da der bulgarische Beamte, wie wir schon sahen, wenig
oder keinen Einfluß ans seine Volksgenossen hat. „Ich versichere Ihnen, sagte
ein bulgarischer Minister zu einem russische» Reisenden, daß im Volke ein russischer
Fähnrich mehr Ansehen genießt als ein bulgarischer Minister" „Wißt ihr, wer
Bulgarien regiert?" fragte derselbe Reisende bulgarische Bauern. „Gewiß, er¬
hielt er zur Antwort, der russische Zar regiert es, der den Fürsten Alexander
über uns gesetzt hat."

Dem allen entspricht es, daß auch jede offizielle Äußerung der bulgarischen
NolkSrepräsentanten überfließt von Dank gegen den Zaren, den eigentlichen Geber
aller guten Gaben. „Mit außerordentlicher Frende, heißt es in der Adresse,
mit welcher das bulgarische Parlament jüngst die Thronrede des Fürsten be¬
antwortete, nehmen wir wahr, daß Bulgarien sich andauernd des Wohlwollens
und der Liebe unsers Befreiers, Rußlands, erfreut. Die Vertreter des bul¬
garischen Volkes schätzen, überhäuft von Wohlthaten (!), die Protektion und
Gunst unsers Beschützers sehr hoch, da Bulgarien nur durch die sympathische
Zuneigung und den Schutz unsers Befreiers und Beschützers vorwärts schreiten
und blühen kann. Wir Vertreter des bulgarischen Volkes bitten Ew. Hoheit,
dem erhabenen Herrscher aller Reußen Alexander III., dem Erben unsers großen
Befreiers, die Versicherung unsrer tiefsten Dankbarkeit und unsrer Ergeben¬
heit für die erhabene kaiserliche Familie und für das Andenken unsers Be¬
freiers, das nie in einem bulgarischen Herzen erlöschen wird, zu Füßen zu
legen."

Den in diesem Dankeshymnus ausgedrückten Gefühlen wiederum entspricht
es, daß mau stets, bereit ist, für den Befreier Rußland ins Zeug zu gehen.
Als ein Beweis, welches Grades von Selbstverleugnung man in dieser Be¬
ziehung in Bulgarien fähig ist, möge folgende Stelle aus einer Korrespondenz
der „Moskowskija Wedomosti" (1882, Ur. 298) dienen, zu deren bessern: Ver¬
ständnis ich ein paar Worte vorausschicke. König Milan von Serbien machte
im Herbste des vorigen Jahres einen Besuch am Hoflager des Fürsten von
Bulgarien. Da der König sich auf Österreich stützt, so galt es, ihm den Wert
der russischen Freundschaft für die Balkanslaven und ihre Fürsten in möglichst
demonstrativer Weise vor Auge» zu führen, und dieser Aufgabe entledigte man
sich in folgender Weise.

„König Milan — heißt es in der Korrespondenz — stieß in Bulgarien
mit jedem Schritt ans Anzeichen der regen Verbindung mit Rußland und dem
russischen Volke, und diese Anzeichen wurden vor den, Schützling des Hauses
Habsburg nicht nur nicht verborgen, sondern im Gegenteile durch den Fürsten
Alexander nach Möglichkeit hervorgehoben. Fangen wir damit an, daß ihm der


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[0310] Rußland am Balkan. In der Zivilverwaltung, an deren Spitze übrigens anch der russische General Svbvleff steht, ist dem bulgarischen Element mehr Spielraum gelassen. Es ist das ein unter den derzeitigen Umständen unschädliches Zugeständnis an die öffent¬ liche Meinung, zumal da der bulgarische Beamte, wie wir schon sahen, wenig oder keinen Einfluß ans seine Volksgenossen hat. „Ich versichere Ihnen, sagte ein bulgarischer Minister zu einem russische» Reisenden, daß im Volke ein russischer Fähnrich mehr Ansehen genießt als ein bulgarischer Minister" „Wißt ihr, wer Bulgarien regiert?" fragte derselbe Reisende bulgarische Bauern. „Gewiß, er¬ hielt er zur Antwort, der russische Zar regiert es, der den Fürsten Alexander über uns gesetzt hat." Dem allen entspricht es, daß auch jede offizielle Äußerung der bulgarischen NolkSrepräsentanten überfließt von Dank gegen den Zaren, den eigentlichen Geber aller guten Gaben. „Mit außerordentlicher Frende, heißt es in der Adresse, mit welcher das bulgarische Parlament jüngst die Thronrede des Fürsten be¬ antwortete, nehmen wir wahr, daß Bulgarien sich andauernd des Wohlwollens und der Liebe unsers Befreiers, Rußlands, erfreut. Die Vertreter des bul¬ garischen Volkes schätzen, überhäuft von Wohlthaten (!), die Protektion und Gunst unsers Beschützers sehr hoch, da Bulgarien nur durch die sympathische Zuneigung und den Schutz unsers Befreiers und Beschützers vorwärts schreiten und blühen kann. Wir Vertreter des bulgarischen Volkes bitten Ew. Hoheit, dem erhabenen Herrscher aller Reußen Alexander III., dem Erben unsers großen Befreiers, die Versicherung unsrer tiefsten Dankbarkeit und unsrer Ergeben¬ heit für die erhabene kaiserliche Familie und für das Andenken unsers Be¬ freiers, das nie in einem bulgarischen Herzen erlöschen wird, zu Füßen zu legen." Den in diesem Dankeshymnus ausgedrückten Gefühlen wiederum entspricht es, daß mau stets, bereit ist, für den Befreier Rußland ins Zeug zu gehen. Als ein Beweis, welches Grades von Selbstverleugnung man in dieser Be¬ ziehung in Bulgarien fähig ist, möge folgende Stelle aus einer Korrespondenz der „Moskowskija Wedomosti" (1882, Ur. 298) dienen, zu deren bessern: Ver¬ ständnis ich ein paar Worte vorausschicke. König Milan von Serbien machte im Herbste des vorigen Jahres einen Besuch am Hoflager des Fürsten von Bulgarien. Da der König sich auf Österreich stützt, so galt es, ihm den Wert der russischen Freundschaft für die Balkanslaven und ihre Fürsten in möglichst demonstrativer Weise vor Auge» zu führen, und dieser Aufgabe entledigte man sich in folgender Weise. „König Milan — heißt es in der Korrespondenz — stieß in Bulgarien mit jedem Schritt ans Anzeichen der regen Verbindung mit Rußland und dem russischen Volke, und diese Anzeichen wurden vor den, Schützling des Hauses Habsburg nicht nur nicht verborgen, sondern im Gegenteile durch den Fürsten Alexander nach Möglichkeit hervorgehoben. Fangen wir damit an, daß ihm der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/310>, abgerufen am 23.07.2024.