Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Der zweite pariser Krach.

seinen ungeduldigen Lesern Tag für Tag den höhern Sinn der politischen
und wirtschaftlichen Aktionen klar zu machen, noch viel weniger zu begreifen
als Professor Gareis in Gießen, der neuerdings es unternommen hat, die Feinde
der Börse mit eines Esels Kinnbacken zu schlagen.

Indem daher Rothschild daran ging, in Frankreich das Eisenbahnwesen zu
monopolisiren, hatte er immerhin ziemlich leichtes Spiel. Von der Vortrefflich-
keit der Sache war jedermann überzeugt, und daß eine Ausführung, die ver¬
stand, alle einflußreichen Persönlichkeiten auf so verbindliche Weise für die Sache
zu "interessiren," noch vortrefflicher sein mußte, verstand sich von selbst. Aller¬
dings warf das furchtbare Eisenbahnunglück vom 5. Mai 1842 einen grellen Schein,
auf die Rvthschildschc Vorircfflichkeit und die Fouldsche "Konkurrenz," der man
ja die doppelte Versailler Eisenbahn verdankte; aber auch die thatsächlichen
Vrandopfer, die da der Moloch der Gewinnsucht forderte, wurden bald über¬
deckt durch das "gesteigerte Interesse," das die Faiseurs für ihre Eisenbahn¬
politik zu erwecken verstanden. Die "Differenz" zwischen Baukosten, welche die
Faiseurs wirklich für den Bahnbau ausgaben, und zwischen dem Bankapital,
welches sie in der Aktienmenge und -Höhe zum Ausdruck brachten, endlich das
Agio, das sie darauf schlugen, wurden durch die Trinkgelder, welche sie an Ab¬
geordnete und Publizisten gaben, schwerlich nennenswert verkürzt. Wenn man
z. B. bedenkt, daß auf die französische Nordbahn, deren Bauwerk nach guten
Quellen 150000000 Franks noch nicht erreicht, nicht weniger als 400000 Aktien
zu 500 Franks fundirt, und daß schon die Promessen derselben auf 900
getrieben wurden, so kann man einen ungefähren Begriff erhalten von dem
ungeheuern Gewinn, den die Hauptkvnsortialmitglicder, Rothschild, Lafitte und
Hottinger, von denen Rothschild mit der Hälfte beteiligt war, schon bei Beginn
gemacht hatten. Sicher näherte sich der erste Gewinn Rothschilds an diesem
Geschäft dem Betrage von 100000000 Franks, ohne den spätern Gewinn,
den aus dem wechselnden Fallen und Steigen der Aktien herauszuschlagen ihm ein
leichtes war; letzterer ergab sich ja einfach durch das Kaufen beim Fall der Kurse,
durch das Verkaufen beim Steigen derselben. Man verkennt nicht, daß jetzt
erst die Epoche des Wachsens ins Unendliche für Rothschild gekommen war, so
kolossal die frühern Gewinne bei Staatsanleihen auch gewesen waren; bis zu
höher als 25 Prozent wie hier waren sie doch kaum jemals und nur im kleinen
gekommen.

Die Thätigkeit, welche Rothschild und die ihm mehr oder weniger nahe¬
stehenden Glieder der IlMw-liimnev auf dem Eisenbahngebiete entwickelten, war,
den riesigen Gewinnen entsprechend, bald eine riesige. Bei allen großen
französischen Eisenbahnen, welche sich den Verkehr Frankreichs zum Zweck der
Eisenbahnen prvvinzweise unterwarfen, ist Rothschild beteiligt. In Österreich
schritt er fort, indem er hauptsächlich die Süd- und lombardische Bahn in Be¬
schlag nahm. Diese hatte der Staat bereits größtenteils fertig gebant, und


Der zweite pariser Krach.

seinen ungeduldigen Lesern Tag für Tag den höhern Sinn der politischen
und wirtschaftlichen Aktionen klar zu machen, noch viel weniger zu begreifen
als Professor Gareis in Gießen, der neuerdings es unternommen hat, die Feinde
der Börse mit eines Esels Kinnbacken zu schlagen.

Indem daher Rothschild daran ging, in Frankreich das Eisenbahnwesen zu
monopolisiren, hatte er immerhin ziemlich leichtes Spiel. Von der Vortrefflich-
keit der Sache war jedermann überzeugt, und daß eine Ausführung, die ver¬
stand, alle einflußreichen Persönlichkeiten auf so verbindliche Weise für die Sache
zu „interessiren," noch vortrefflicher sein mußte, verstand sich von selbst. Aller¬
dings warf das furchtbare Eisenbahnunglück vom 5. Mai 1842 einen grellen Schein,
auf die Rvthschildschc Vorircfflichkeit und die Fouldsche „Konkurrenz," der man
ja die doppelte Versailler Eisenbahn verdankte; aber auch die thatsächlichen
Vrandopfer, die da der Moloch der Gewinnsucht forderte, wurden bald über¬
deckt durch das „gesteigerte Interesse," das die Faiseurs für ihre Eisenbahn¬
politik zu erwecken verstanden. Die „Differenz" zwischen Baukosten, welche die
Faiseurs wirklich für den Bahnbau ausgaben, und zwischen dem Bankapital,
welches sie in der Aktienmenge und -Höhe zum Ausdruck brachten, endlich das
Agio, das sie darauf schlugen, wurden durch die Trinkgelder, welche sie an Ab¬
geordnete und Publizisten gaben, schwerlich nennenswert verkürzt. Wenn man
z. B. bedenkt, daß auf die französische Nordbahn, deren Bauwerk nach guten
Quellen 150000000 Franks noch nicht erreicht, nicht weniger als 400000 Aktien
zu 500 Franks fundirt, und daß schon die Promessen derselben auf 900
getrieben wurden, so kann man einen ungefähren Begriff erhalten von dem
ungeheuern Gewinn, den die Hauptkvnsortialmitglicder, Rothschild, Lafitte und
Hottinger, von denen Rothschild mit der Hälfte beteiligt war, schon bei Beginn
gemacht hatten. Sicher näherte sich der erste Gewinn Rothschilds an diesem
Geschäft dem Betrage von 100000000 Franks, ohne den spätern Gewinn,
den aus dem wechselnden Fallen und Steigen der Aktien herauszuschlagen ihm ein
leichtes war; letzterer ergab sich ja einfach durch das Kaufen beim Fall der Kurse,
durch das Verkaufen beim Steigen derselben. Man verkennt nicht, daß jetzt
erst die Epoche des Wachsens ins Unendliche für Rothschild gekommen war, so
kolossal die frühern Gewinne bei Staatsanleihen auch gewesen waren; bis zu
höher als 25 Prozent wie hier waren sie doch kaum jemals und nur im kleinen
gekommen.

Die Thätigkeit, welche Rothschild und die ihm mehr oder weniger nahe¬
stehenden Glieder der IlMw-liimnev auf dem Eisenbahngebiete entwickelten, war,
den riesigen Gewinnen entsprechend, bald eine riesige. Bei allen großen
französischen Eisenbahnen, welche sich den Verkehr Frankreichs zum Zweck der
Eisenbahnen prvvinzweise unterwarfen, ist Rothschild beteiligt. In Österreich
schritt er fort, indem er hauptsächlich die Süd- und lombardische Bahn in Be¬
schlag nahm. Diese hatte der Staat bereits größtenteils fertig gebant, und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0302" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151914"/>
          <fw type="header" place="top"> Der zweite pariser Krach.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1000" prev="#ID_999"> seinen ungeduldigen Lesern Tag für Tag den höhern Sinn der politischen<lb/>
und wirtschaftlichen Aktionen klar zu machen, noch viel weniger zu begreifen<lb/>
als Professor Gareis in Gießen, der neuerdings es unternommen hat, die Feinde<lb/>
der Börse mit eines Esels Kinnbacken zu schlagen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1001"> Indem daher Rothschild daran ging, in Frankreich das Eisenbahnwesen zu<lb/>
monopolisiren, hatte er immerhin ziemlich leichtes Spiel. Von der Vortrefflich-<lb/>
keit der Sache war jedermann überzeugt, und daß eine Ausführung, die ver¬<lb/>
stand, alle einflußreichen Persönlichkeiten auf so verbindliche Weise für die Sache<lb/>
zu &#x201E;interessiren," noch vortrefflicher sein mußte, verstand sich von selbst. Aller¬<lb/>
dings warf das furchtbare Eisenbahnunglück vom 5. Mai 1842 einen grellen Schein,<lb/>
auf die Rvthschildschc Vorircfflichkeit und die Fouldsche &#x201E;Konkurrenz," der man<lb/>
ja die doppelte Versailler Eisenbahn verdankte; aber auch die thatsächlichen<lb/>
Vrandopfer, die da der Moloch der Gewinnsucht forderte, wurden bald über¬<lb/>
deckt durch das &#x201E;gesteigerte Interesse," das die Faiseurs für ihre Eisenbahn¬<lb/>
politik zu erwecken verstanden. Die &#x201E;Differenz" zwischen Baukosten, welche die<lb/>
Faiseurs wirklich für den Bahnbau ausgaben, und zwischen dem Bankapital,<lb/>
welches sie in der Aktienmenge und -Höhe zum Ausdruck brachten, endlich das<lb/>
Agio, das sie darauf schlugen, wurden durch die Trinkgelder, welche sie an Ab¬<lb/>
geordnete und Publizisten gaben, schwerlich nennenswert verkürzt. Wenn man<lb/>
z. B. bedenkt, daß auf die französische Nordbahn, deren Bauwerk nach guten<lb/>
Quellen 150000000 Franks noch nicht erreicht, nicht weniger als 400000 Aktien<lb/>
zu 500 Franks fundirt, und daß schon die Promessen derselben auf 900<lb/>
getrieben wurden, so kann man einen ungefähren Begriff erhalten von dem<lb/>
ungeheuern Gewinn, den die Hauptkvnsortialmitglicder, Rothschild, Lafitte und<lb/>
Hottinger, von denen Rothschild mit der Hälfte beteiligt war, schon bei Beginn<lb/>
gemacht hatten. Sicher näherte sich der erste Gewinn Rothschilds an diesem<lb/>
Geschäft dem Betrage von 100000000 Franks, ohne den spätern Gewinn,<lb/>
den aus dem wechselnden Fallen und Steigen der Aktien herauszuschlagen ihm ein<lb/>
leichtes war; letzterer ergab sich ja einfach durch das Kaufen beim Fall der Kurse,<lb/>
durch das Verkaufen beim Steigen derselben. Man verkennt nicht, daß jetzt<lb/>
erst die Epoche des Wachsens ins Unendliche für Rothschild gekommen war, so<lb/>
kolossal die frühern Gewinne bei Staatsanleihen auch gewesen waren; bis zu<lb/>
höher als 25 Prozent wie hier waren sie doch kaum jemals und nur im kleinen<lb/>
gekommen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1002" next="#ID_1003"> Die Thätigkeit, welche Rothschild und die ihm mehr oder weniger nahe¬<lb/>
stehenden Glieder der IlMw-liimnev auf dem Eisenbahngebiete entwickelten, war,<lb/>
den riesigen Gewinnen entsprechend, bald eine riesige. Bei allen großen<lb/>
französischen Eisenbahnen, welche sich den Verkehr Frankreichs zum Zweck der<lb/>
Eisenbahnen prvvinzweise unterwarfen, ist Rothschild beteiligt. In Österreich<lb/>
schritt er fort, indem er hauptsächlich die Süd- und lombardische Bahn in Be¬<lb/>
schlag nahm. Diese hatte der Staat bereits größtenteils fertig gebant, und</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0302] Der zweite pariser Krach. seinen ungeduldigen Lesern Tag für Tag den höhern Sinn der politischen und wirtschaftlichen Aktionen klar zu machen, noch viel weniger zu begreifen als Professor Gareis in Gießen, der neuerdings es unternommen hat, die Feinde der Börse mit eines Esels Kinnbacken zu schlagen. Indem daher Rothschild daran ging, in Frankreich das Eisenbahnwesen zu monopolisiren, hatte er immerhin ziemlich leichtes Spiel. Von der Vortrefflich- keit der Sache war jedermann überzeugt, und daß eine Ausführung, die ver¬ stand, alle einflußreichen Persönlichkeiten auf so verbindliche Weise für die Sache zu „interessiren," noch vortrefflicher sein mußte, verstand sich von selbst. Aller¬ dings warf das furchtbare Eisenbahnunglück vom 5. Mai 1842 einen grellen Schein, auf die Rvthschildschc Vorircfflichkeit und die Fouldsche „Konkurrenz," der man ja die doppelte Versailler Eisenbahn verdankte; aber auch die thatsächlichen Vrandopfer, die da der Moloch der Gewinnsucht forderte, wurden bald über¬ deckt durch das „gesteigerte Interesse," das die Faiseurs für ihre Eisenbahn¬ politik zu erwecken verstanden. Die „Differenz" zwischen Baukosten, welche die Faiseurs wirklich für den Bahnbau ausgaben, und zwischen dem Bankapital, welches sie in der Aktienmenge und -Höhe zum Ausdruck brachten, endlich das Agio, das sie darauf schlugen, wurden durch die Trinkgelder, welche sie an Ab¬ geordnete und Publizisten gaben, schwerlich nennenswert verkürzt. Wenn man z. B. bedenkt, daß auf die französische Nordbahn, deren Bauwerk nach guten Quellen 150000000 Franks noch nicht erreicht, nicht weniger als 400000 Aktien zu 500 Franks fundirt, und daß schon die Promessen derselben auf 900 getrieben wurden, so kann man einen ungefähren Begriff erhalten von dem ungeheuern Gewinn, den die Hauptkvnsortialmitglicder, Rothschild, Lafitte und Hottinger, von denen Rothschild mit der Hälfte beteiligt war, schon bei Beginn gemacht hatten. Sicher näherte sich der erste Gewinn Rothschilds an diesem Geschäft dem Betrage von 100000000 Franks, ohne den spätern Gewinn, den aus dem wechselnden Fallen und Steigen der Aktien herauszuschlagen ihm ein leichtes war; letzterer ergab sich ja einfach durch das Kaufen beim Fall der Kurse, durch das Verkaufen beim Steigen derselben. Man verkennt nicht, daß jetzt erst die Epoche des Wachsens ins Unendliche für Rothschild gekommen war, so kolossal die frühern Gewinne bei Staatsanleihen auch gewesen waren; bis zu höher als 25 Prozent wie hier waren sie doch kaum jemals und nur im kleinen gekommen. Die Thätigkeit, welche Rothschild und die ihm mehr oder weniger nahe¬ stehenden Glieder der IlMw-liimnev auf dem Eisenbahngebiete entwickelten, war, den riesigen Gewinnen entsprechend, bald eine riesige. Bei allen großen französischen Eisenbahnen, welche sich den Verkehr Frankreichs zum Zweck der Eisenbahnen prvvinzweise unterwarfen, ist Rothschild beteiligt. In Österreich schritt er fort, indem er hauptsächlich die Süd- und lombardische Bahn in Be¬ schlag nahm. Diese hatte der Staat bereits größtenteils fertig gebant, und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/302
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/302>, abgerufen am 23.07.2024.