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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grasen von Altenschwerdt.

Der Inspektor verzog sein Gesicht zu einem breiten Lachen und schlug den
Neffen mit schwerer Hand scherzend auf die Schulter. Schwindel und Flausen!
sagte er gemütlich.

Ja ja, ich weiß schon, erwiederte jener. Eichhausen stand, ehe die Sündflut
kam. Die floß darum weg, und so blieb Eichhausen, wie es war. Aber einerlei!
Wenn ich euern Baron einmal zu fassen bekomme, werde ich ein ernstes
Wörtchen mit ihm reden. Er wird nicht so starrköpfig sein, das eigne Interesse
mit Füßen von sich zu stoßen. Er hätte nichts nötig, als mir ein einziges
Wörtchen der Zustimmung zu sagen, dann würde ich ihm die ganze Geschichte
in Gang bringen, ohne daß er auch nur den Finger zu rühren brauchte. Ich
mache mich anheischig, ihm hunderttausend Thaler baar auszuzahlen, ohne daß
er irgend etwas riskirt. Er brauchte nur das lumpige Grundstück abzutreten,
das jetzt keine fünftausend Thaler wert ist. In Bier wären glänzende Geschäfte
zu machen, Deutschland ist geeinigt, und die patriotische Begeisterung ist so
groß, daß alle Sorten getrunken werden. Die vorhandnen Brauereien, so viele
ihrer schon sind, genügen dem Bedarf nicht mehr. Bier ist ein solides Geschäft,
denn getrunken wird immer, im Winter zur Erwärmung, im Sommer der
Kühlung wegen, wenn die Geschäfte gut gehen, aus Freude, und wenn sie
schlecht gehen, zum Trost. Jetzt sind fünf Milliarden ins Land geflossen, und
jeder gute Bürger hat die Verpflichtung, auf seineu Anteil daran früh, mittags
und abends einmal zu trinken. Wenn wir unser Bier mir halb so stark brauen,
wie dies hier, so kann es dem bairischen Konkurrenz machen, die Kalkulation
stellt sich zu fünf bis sechs Pfennigen Herstellungskosten auf das Liter, und wir
verkaufen es zu fünfzehn Pfennigen an die Wirte, die immer noch ein gutes
Geschäft dabei machen. Die Aktien werden zu achtzig emittirt, wir behalten
einen Posten für uns, treiben sie bis hundcrtscchzig, schlagen unsern Posten los
und streichen mit Leichtigkeit zwei- bis dreihunderttausend Thaler ein.

Wie dem Rudolf das Maulwerk geht! sagte der Inspektor ruhig, nachdem
er während der Rede des Neffen einen tüchtigen Bissen verzehrt hatte. Weißt
du noch die Zeit, Alte, wo er noch nicht allein gehen konnte und wo er allemal
auf die Nase fiel, wenn er über die Schwelle da wollte? Die Beine waren
noch unsicher, aber das Müulchen ging schon wie geschmiert. Und um die
Zeit, da er konfirmirt wurde, sagte unser Herr Pfarrer einmal scherzend zu
ihm: Rudolf, Rudolf, bedenke, es ist einem jeden Menschen eine bestimmte Anzahl
Worte zugemessen, die er hier auf Erden reden darf. Nimm dich in Acht, daß
du nicht zu früh damit fertig wirst.

(Fortsetzung folgt.)




Die Grasen von Altenschwerdt.

Der Inspektor verzog sein Gesicht zu einem breiten Lachen und schlug den
Neffen mit schwerer Hand scherzend auf die Schulter. Schwindel und Flausen!
sagte er gemütlich.

Ja ja, ich weiß schon, erwiederte jener. Eichhausen stand, ehe die Sündflut
kam. Die floß darum weg, und so blieb Eichhausen, wie es war. Aber einerlei!
Wenn ich euern Baron einmal zu fassen bekomme, werde ich ein ernstes
Wörtchen mit ihm reden. Er wird nicht so starrköpfig sein, das eigne Interesse
mit Füßen von sich zu stoßen. Er hätte nichts nötig, als mir ein einziges
Wörtchen der Zustimmung zu sagen, dann würde ich ihm die ganze Geschichte
in Gang bringen, ohne daß er auch nur den Finger zu rühren brauchte. Ich
mache mich anheischig, ihm hunderttausend Thaler baar auszuzahlen, ohne daß
er irgend etwas riskirt. Er brauchte nur das lumpige Grundstück abzutreten,
das jetzt keine fünftausend Thaler wert ist. In Bier wären glänzende Geschäfte
zu machen, Deutschland ist geeinigt, und die patriotische Begeisterung ist so
groß, daß alle Sorten getrunken werden. Die vorhandnen Brauereien, so viele
ihrer schon sind, genügen dem Bedarf nicht mehr. Bier ist ein solides Geschäft,
denn getrunken wird immer, im Winter zur Erwärmung, im Sommer der
Kühlung wegen, wenn die Geschäfte gut gehen, aus Freude, und wenn sie
schlecht gehen, zum Trost. Jetzt sind fünf Milliarden ins Land geflossen, und
jeder gute Bürger hat die Verpflichtung, auf seineu Anteil daran früh, mittags
und abends einmal zu trinken. Wenn wir unser Bier mir halb so stark brauen,
wie dies hier, so kann es dem bairischen Konkurrenz machen, die Kalkulation
stellt sich zu fünf bis sechs Pfennigen Herstellungskosten auf das Liter, und wir
verkaufen es zu fünfzehn Pfennigen an die Wirte, die immer noch ein gutes
Geschäft dabei machen. Die Aktien werden zu achtzig emittirt, wir behalten
einen Posten für uns, treiben sie bis hundcrtscchzig, schlagen unsern Posten los
und streichen mit Leichtigkeit zwei- bis dreihunderttausend Thaler ein.

Wie dem Rudolf das Maulwerk geht! sagte der Inspektor ruhig, nachdem
er während der Rede des Neffen einen tüchtigen Bissen verzehrt hatte. Weißt
du noch die Zeit, Alte, wo er noch nicht allein gehen konnte und wo er allemal
auf die Nase fiel, wenn er über die Schwelle da wollte? Die Beine waren
noch unsicher, aber das Müulchen ging schon wie geschmiert. Und um die
Zeit, da er konfirmirt wurde, sagte unser Herr Pfarrer einmal scherzend zu
ihm: Rudolf, Rudolf, bedenke, es ist einem jeden Menschen eine bestimmte Anzahl
Worte zugemessen, die er hier auf Erden reden darf. Nimm dich in Acht, daß
du nicht zu früh damit fertig wirst.

(Fortsetzung folgt.)




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/285>, abgerufen am 23.07.2024.