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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwordt.

sondern der Käufer soll selber seine Angen aufthun und nicht so dumm sein,
vorauszusetzen, daß ich als Verkäufer die Wahrheit sage. Darauf ist der ganze
kaufmännische Verkehr basirt, und nur junge schwärmerische Mädchen oder un¬
praktische Wolkenkukuksheimer sehen die Sache anders an.

Wenn das wirklich so wäre, wie du sagst, so hättest du auch nicht nötig,
dich mit einem Juristen zu verbinden.

Fehlgeschossen, mein Engel, Während die Sache ganz so ist, wie ich sagte,
giebt es gleichwohl ein Gesetz, welches so beschaffen ist, daß der Arglose sich am
leichtesten darin fängt. Das Gesetz ist eine Dornenhecke, um welcher die Schafe
mit ihrer Wolle hängen bleiben, während der Wolf darüber springt oder glatt
durchschlüpft. Ein tüchtiger Jurist macht vieles möglich, was dem Kaufmann,
der die Gesetze nicht kennt, den Hals brechen würde, und deshalb findest du fast
bei allen industrielle" Unternehmungen, besonders aber bei den Banken, Juristen
angestellt.

Du magst nun soviel reden, wie du willst, Rudolf, und die Wahrheit nach
deiner Manier noch so sehr verdrehen, ich bleibe dabei, daß das alles nicht
richtig ist, und daß der Verkehr in der Welt auf Treue und Ehrlichkeit, aber
nicht auf Schlauheit gestellt ist. Ich warne dich auch aus treuem, schwester¬
lichen Herzen vor deinen großen Unternehmungen und Projekten, Sei be¬
scheiden, Rudolf, begnüge dich mit redlichem Gewinn, dann hast du es nicht
nötig, einen juristischen Beirat zu bezahlen.

Wie das in den Tag hinein schwatzt! rief der Bruder ärgerlich. Es ist
die alte Geschichte, daß das El klüger sein will als die Henne, Da redet man
sich nun die Zunge milde, um so einem Weiberköpfchen Vernunft zu predigen
und das ist das Resultat! Aber sieh doch, geht da nicht deine gnädige Baro¬
nesse spazieren? Wer ist denn der verwettert hübsche Kerl neben ihr?

Millicent blickte auf die Frage ihres Bruders zum Fenster hinaus und sah
Eberhardt und Dorothea in einiger Entfernung vom Hause langsamen Schrittes
unter dem grünen Laubdach der stolzen Buchen dahinwandeln.

El, das ist eben der fremde Herr, der Maler, der uns zu Hilfe kam,
sagte sie.

Ein Maler? fragte ihr Bruder wieder. Er sieht aus wie ein Graf. Geht
die hochmütige Dorothea so vertraulich mit einem Maler um?

Vertraulich! rief Millicent. Was ist denn da für eine Vertraulichkeit?
Du bist abscheulich, Rudolf! Und wie kannst du Dorothea hochmütig nennen?
Sie ist sehr liebenswürdig, sehr freundlich, ohne eine Spur von Hochmut, und
das weißt du selbst.

Ich weiß es nicht, lieber Schatz, und du brauchst nicht so aufzufahren.
Ich muß gestehen, daß sie mir, so oft ich mit ihr zusammenkam, immer den
Eindruck gemacht hat, als fühlte sie sich als Prinzessin gegenüber einem Sklaven.
Aber darum keine Feindschaft. Es steckt den Leuten im Blute, und sie können


Die Grafen von Altenschwordt.

sondern der Käufer soll selber seine Angen aufthun und nicht so dumm sein,
vorauszusetzen, daß ich als Verkäufer die Wahrheit sage. Darauf ist der ganze
kaufmännische Verkehr basirt, und nur junge schwärmerische Mädchen oder un¬
praktische Wolkenkukuksheimer sehen die Sache anders an.

Wenn das wirklich so wäre, wie du sagst, so hättest du auch nicht nötig,
dich mit einem Juristen zu verbinden.

Fehlgeschossen, mein Engel, Während die Sache ganz so ist, wie ich sagte,
giebt es gleichwohl ein Gesetz, welches so beschaffen ist, daß der Arglose sich am
leichtesten darin fängt. Das Gesetz ist eine Dornenhecke, um welcher die Schafe
mit ihrer Wolle hängen bleiben, während der Wolf darüber springt oder glatt
durchschlüpft. Ein tüchtiger Jurist macht vieles möglich, was dem Kaufmann,
der die Gesetze nicht kennt, den Hals brechen würde, und deshalb findest du fast
bei allen industrielle» Unternehmungen, besonders aber bei den Banken, Juristen
angestellt.

Du magst nun soviel reden, wie du willst, Rudolf, und die Wahrheit nach
deiner Manier noch so sehr verdrehen, ich bleibe dabei, daß das alles nicht
richtig ist, und daß der Verkehr in der Welt auf Treue und Ehrlichkeit, aber
nicht auf Schlauheit gestellt ist. Ich warne dich auch aus treuem, schwester¬
lichen Herzen vor deinen großen Unternehmungen und Projekten, Sei be¬
scheiden, Rudolf, begnüge dich mit redlichem Gewinn, dann hast du es nicht
nötig, einen juristischen Beirat zu bezahlen.

Wie das in den Tag hinein schwatzt! rief der Bruder ärgerlich. Es ist
die alte Geschichte, daß das El klüger sein will als die Henne, Da redet man
sich nun die Zunge milde, um so einem Weiberköpfchen Vernunft zu predigen
und das ist das Resultat! Aber sieh doch, geht da nicht deine gnädige Baro¬
nesse spazieren? Wer ist denn der verwettert hübsche Kerl neben ihr?

Millicent blickte auf die Frage ihres Bruders zum Fenster hinaus und sah
Eberhardt und Dorothea in einiger Entfernung vom Hause langsamen Schrittes
unter dem grünen Laubdach der stolzen Buchen dahinwandeln.

El, das ist eben der fremde Herr, der Maler, der uns zu Hilfe kam,
sagte sie.

Ein Maler? fragte ihr Bruder wieder. Er sieht aus wie ein Graf. Geht
die hochmütige Dorothea so vertraulich mit einem Maler um?

Vertraulich! rief Millicent. Was ist denn da für eine Vertraulichkeit?
Du bist abscheulich, Rudolf! Und wie kannst du Dorothea hochmütig nennen?
Sie ist sehr liebenswürdig, sehr freundlich, ohne eine Spur von Hochmut, und
das weißt du selbst.

Ich weiß es nicht, lieber Schatz, und du brauchst nicht so aufzufahren.
Ich muß gestehen, daß sie mir, so oft ich mit ihr zusammenkam, immer den
Eindruck gemacht hat, als fühlte sie sich als Prinzessin gegenüber einem Sklaven.
Aber darum keine Feindschaft. Es steckt den Leuten im Blute, und sie können


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/282>, abgerufen am 23.07.2024.