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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Treitschkes Deutsche Geschichte,

vorhanden zu sein scheint, deren Inhalt aber er selbst dahin angiebt, daß sie
"den wahren Unterschied zwischen landständischen Verfassungen und einem so¬
genannten Repräsentativsystem deutlich bezeichnete," Das Resultat endlich
dieser Besprechungen mit dem König und der darauf folgenden Miuister-
verhandlungen wurde am 1. August in einer von Hardenberg und Metternich
unterzeichneten Punktation niedergelegt; diese Teplitzer Punktation hat Treitschke
im Anhang zu seinem Bande veröffentlicht.

Von der Audienz am 29. Juli giebt nun Metternich in seinem ersten
Bericht an den Kaiser eine höchst lebendige Darstellung, in welcher der König
die Rolle eines völlig hilflosen, durch die Schrecknisse der Zeit eingeschüchterten,
seiner nächsten Umgebung mißtrauenden Fürsten spielt, welcher die von Metternich
gebotene Hand mit der Angst eines Ertrinkender ergreift, König und Minister
begegnen sich in der Auffassung, daß Hardenberg vermöge seiner Altersschwäche
und seiner "kuriosen" liberalisirenden Umgebung wohl das Gute wolle, aber
oft das Schlechte unterstütze, und daß er selbst eine Stütze erhalten müsse durch
Aufstellung fester Grundsätze, über die man sich jetzt mit dem Staatskanzler
selbst einigen müsse, "Die ganze Sache, so schließt Metternich seine Darlegungen,
beschränkt sich auf einen Satz, Sind Eure Majestät entschlossen, keine Volks-
e>. tretung in Ihrem Staate einzuführen, der sich weniger als irgend ein andrer
hierzu eignet, so ist die Möglichkeit der Hilfe vorhanden. Außer derselben
besteht keine andre,..So und bis hierher zitirt Baumgarten in seinem
Artikel die Worte Metternichs! Dieser aber führt fort: "Sie können Ihr Ver¬
sprechen im Sinne derselben lösen; hätten Sie sogar das Gegenteil versprochen,
so paßt die heutige Stunde nicht mehr zu der verflossenen," und er bittet
dann den König, in Konferenz über die Angelegenheit mit Hardenberg, Bernstorff
und Wittgenstein treten zu dürfen. Ich bitte vorläufig von dieser Aposiopesc
Baumgartens Notiz zu nehmen,

Juden, Treitschke (S. 550) den Inhalt dieses Gesprächs kurz referirt, um¬
schreibt er die soeben bezeichnete Stelle mit den Worten: "Doch könne noch alles
gerettet werden, wenn die Krone sich entschließe, ihrem Staate keine Volksver¬
tretung in dem modernen demokratischen Sinne zu geben, sondern
sich mit Ständen zu begnügen,"

Wie man sieht, sügt er zu dem von Metternich ohne weiteren Zusatz ge¬
brauchten Worte "Volksvertretung" diejenige nähere Interpretation hinzu, welche,
Wie er glaubt, Metternich dabei notwendig im Sinne gehabt haben mußte. Er
'se der Meinung, daß Metternich auch hier in Teplitz noch den König nicht
gewarnt habe vor dem Erlaß einer Verfassung schlechthin, sondern nur vor
etwaigen Velleitüten Hardenbergs im weitergehenden liberalen Sinne, in dem,
wie Metternich selbst sich oft ausdrückt, "demokratischen" oder "demagogischen"
Sinne der süddeutschen Verfnssungsexperimente. Diese Deutung hat Treitschke
den Text seiner Darstellung aufgenommen, ein rein stilistisches Verfahren, auf


Gu'uzdolen I, 1885!. !U
Treitschkes Deutsche Geschichte,

vorhanden zu sein scheint, deren Inhalt aber er selbst dahin angiebt, daß sie
„den wahren Unterschied zwischen landständischen Verfassungen und einem so¬
genannten Repräsentativsystem deutlich bezeichnete," Das Resultat endlich
dieser Besprechungen mit dem König und der darauf folgenden Miuister-
verhandlungen wurde am 1. August in einer von Hardenberg und Metternich
unterzeichneten Punktation niedergelegt; diese Teplitzer Punktation hat Treitschke
im Anhang zu seinem Bande veröffentlicht.

Von der Audienz am 29. Juli giebt nun Metternich in seinem ersten
Bericht an den Kaiser eine höchst lebendige Darstellung, in welcher der König
die Rolle eines völlig hilflosen, durch die Schrecknisse der Zeit eingeschüchterten,
seiner nächsten Umgebung mißtrauenden Fürsten spielt, welcher die von Metternich
gebotene Hand mit der Angst eines Ertrinkender ergreift, König und Minister
begegnen sich in der Auffassung, daß Hardenberg vermöge seiner Altersschwäche
und seiner „kuriosen" liberalisirenden Umgebung wohl das Gute wolle, aber
oft das Schlechte unterstütze, und daß er selbst eine Stütze erhalten müsse durch
Aufstellung fester Grundsätze, über die man sich jetzt mit dem Staatskanzler
selbst einigen müsse, „Die ganze Sache, so schließt Metternich seine Darlegungen,
beschränkt sich auf einen Satz, Sind Eure Majestät entschlossen, keine Volks-
e>. tretung in Ihrem Staate einzuführen, der sich weniger als irgend ein andrer
hierzu eignet, so ist die Möglichkeit der Hilfe vorhanden. Außer derselben
besteht keine andre,..So und bis hierher zitirt Baumgarten in seinem
Artikel die Worte Metternichs! Dieser aber führt fort: „Sie können Ihr Ver¬
sprechen im Sinne derselben lösen; hätten Sie sogar das Gegenteil versprochen,
so paßt die heutige Stunde nicht mehr zu der verflossenen," und er bittet
dann den König, in Konferenz über die Angelegenheit mit Hardenberg, Bernstorff
und Wittgenstein treten zu dürfen. Ich bitte vorläufig von dieser Aposiopesc
Baumgartens Notiz zu nehmen,

Juden, Treitschke (S. 550) den Inhalt dieses Gesprächs kurz referirt, um¬
schreibt er die soeben bezeichnete Stelle mit den Worten: „Doch könne noch alles
gerettet werden, wenn die Krone sich entschließe, ihrem Staate keine Volksver¬
tretung in dem modernen demokratischen Sinne zu geben, sondern
sich mit Ständen zu begnügen,"

Wie man sieht, sügt er zu dem von Metternich ohne weiteren Zusatz ge¬
brauchten Worte „Volksvertretung" diejenige nähere Interpretation hinzu, welche,
Wie er glaubt, Metternich dabei notwendig im Sinne gehabt haben mußte. Er
'se der Meinung, daß Metternich auch hier in Teplitz noch den König nicht
gewarnt habe vor dem Erlaß einer Verfassung schlechthin, sondern nur vor
etwaigen Velleitüten Hardenbergs im weitergehenden liberalen Sinne, in dem,
wie Metternich selbst sich oft ausdrückt, „demokratischen" oder „demagogischen"
Sinne der süddeutschen Verfnssungsexperimente. Diese Deutung hat Treitschke
den Text seiner Darstellung aufgenommen, ein rein stilistisches Verfahren, auf


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[0249] Treitschkes Deutsche Geschichte, vorhanden zu sein scheint, deren Inhalt aber er selbst dahin angiebt, daß sie „den wahren Unterschied zwischen landständischen Verfassungen und einem so¬ genannten Repräsentativsystem deutlich bezeichnete," Das Resultat endlich dieser Besprechungen mit dem König und der darauf folgenden Miuister- verhandlungen wurde am 1. August in einer von Hardenberg und Metternich unterzeichneten Punktation niedergelegt; diese Teplitzer Punktation hat Treitschke im Anhang zu seinem Bande veröffentlicht. Von der Audienz am 29. Juli giebt nun Metternich in seinem ersten Bericht an den Kaiser eine höchst lebendige Darstellung, in welcher der König die Rolle eines völlig hilflosen, durch die Schrecknisse der Zeit eingeschüchterten, seiner nächsten Umgebung mißtrauenden Fürsten spielt, welcher die von Metternich gebotene Hand mit der Angst eines Ertrinkender ergreift, König und Minister begegnen sich in der Auffassung, daß Hardenberg vermöge seiner Altersschwäche und seiner „kuriosen" liberalisirenden Umgebung wohl das Gute wolle, aber oft das Schlechte unterstütze, und daß er selbst eine Stütze erhalten müsse durch Aufstellung fester Grundsätze, über die man sich jetzt mit dem Staatskanzler selbst einigen müsse, „Die ganze Sache, so schließt Metternich seine Darlegungen, beschränkt sich auf einen Satz, Sind Eure Majestät entschlossen, keine Volks- e>. tretung in Ihrem Staate einzuführen, der sich weniger als irgend ein andrer hierzu eignet, so ist die Möglichkeit der Hilfe vorhanden. Außer derselben besteht keine andre,..So und bis hierher zitirt Baumgarten in seinem Artikel die Worte Metternichs! Dieser aber führt fort: „Sie können Ihr Ver¬ sprechen im Sinne derselben lösen; hätten Sie sogar das Gegenteil versprochen, so paßt die heutige Stunde nicht mehr zu der verflossenen," und er bittet dann den König, in Konferenz über die Angelegenheit mit Hardenberg, Bernstorff und Wittgenstein treten zu dürfen. Ich bitte vorläufig von dieser Aposiopesc Baumgartens Notiz zu nehmen, Juden, Treitschke (S. 550) den Inhalt dieses Gesprächs kurz referirt, um¬ schreibt er die soeben bezeichnete Stelle mit den Worten: „Doch könne noch alles gerettet werden, wenn die Krone sich entschließe, ihrem Staate keine Volksver¬ tretung in dem modernen demokratischen Sinne zu geben, sondern sich mit Ständen zu begnügen," Wie man sieht, sügt er zu dem von Metternich ohne weiteren Zusatz ge¬ brauchten Worte „Volksvertretung" diejenige nähere Interpretation hinzu, welche, Wie er glaubt, Metternich dabei notwendig im Sinne gehabt haben mußte. Er 'se der Meinung, daß Metternich auch hier in Teplitz noch den König nicht gewarnt habe vor dem Erlaß einer Verfassung schlechthin, sondern nur vor etwaigen Velleitüten Hardenbergs im weitergehenden liberalen Sinne, in dem, wie Metternich selbst sich oft ausdrückt, „demokratischen" oder „demagogischen" Sinne der süddeutschen Verfnssungsexperimente. Diese Deutung hat Treitschke den Text seiner Darstellung aufgenommen, ein rein stilistisches Verfahren, auf Gu'uzdolen I, 1885!. !U

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/249>, abgerufen am 25.08.2024.