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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Ale Grafen von Altenschwerdt.

wiederum Dorothea Sextus, Endlich hat mein Großvater, der Oberst Blasius
Sextus, große Verbindlichkeiten gegen das Haus Altenschwerdt gehabt, indem
er, als junger Offizier bei Kunersdorf verwundet und gefangen, sein Leben der
Gräfin Adelheid von Altenschwerdt verdankte. Er liebte diese Dame, welche sehr
schön gewesen sein soll, doch war die Liebe eine unglückliche, da die Gräfin bereits
verheiratet war, und er heiratete selber in spätrer Zeit eine andre Dame, meine
Großmutter, In seinem Testament aber machte er eine Bestimmung, welche
seine große Verehrung des Hauses Altenschwerdt bekundet. Der alte Herr hat,
wie ich aus den Schriftstücken und Briefen jener Zeit entnommen habe, großen
Wert auf äußerliche Umstünde gelegt, welche als eine Art von Vorbedeutung
für die Ereignisse der Zukunft angesehen werden konnten, und so scheint er, wie
ich mit Erstaunen gemerkt habe, das Vorgefühl besessen zu haben, es werde
einmal mit dem Hause Sextus dahin kommen, daß kein männlicher Erbe lebe.
Er hat nämlich bestimmt und zum Familiengesetz zu machen durchgesetzt, daß
die Herrschaft Eichhausen, im Falle des Ausbleibens männlicher Descendenz, an
das Haus Altenschwerdt kommen solle, in dem Falle, daß eine Freiin von
Sextus einen Nachkommen der Adelheid Altenschwerdt heirate. Diese Bestimmung
zeigt mir den einzigen Weg, auf dem es mir möglich ist, den hessischen Sextus
die Erbschaft vorzuenthalten, Dorothea muß den Grafen Altenschwerdt heiraten,
oder Eichhausen fällt nach meinem Tode an den liberalen Herrn Botho von
Sextus, was Gott verhüten möge.

Kennen Sie den Grafen Altenschwerdt? fragte der General.

Nein, ich kenne ihn persönlich nicht. Ich weiß nur, daß er ein sehr be¬
fähigter und strebsamer junger Herr sein soll, der gegenwärtig Attachö bei unsrer
Botschaft in Paris ist. Ich muß gestehen, daß mir der Gedanke einer Ver¬
bindung zwischen zwei jungen Leuten, die uicht durch gegenseitige Neigung,
sondern durch irgendwelche andern Gründe zu einander geführt werden, immer
etwas unangenehmes gehabt hat. Deshalb habe ich mich bis vor kurzem noch
uicht ernstlich mit diesem Plane beschäftigt. Erst das Auftreten des Herrn
Botho von Sextus bei den parlamentarischen Verhandlungen im Februar hat
mir den entscheidenden Anstoß gegeben, und ich habe vor einigen Monaten an
Gräfin Sibylle geschrieben, um sie zu veranlassen, einen unauffälligen Schritt
der Annäherung ihres Sohnes herbeizuführen. Der gute Vetter Botho läßt
sich nicht träumen, was bevorsteht. Er denkt, die Herrschaft könnte ihm nicht
entgehen, sonst Hütte er doch zweimal überlegt, was er gethan hat.

Ich habe den alten Grafen Altenschwerdt gekannt, sagte der General, Er
starb schon vor etwa zwanzig Jahren, Es war ein etwas excentrischer Herr,
wenn ich mich recht entsinne.

Die ganze Familie ist mir persönlich nicht bekannt. Aber ich habe eben
dasselbe von dem verstorbenen Grafen gehört. Er war viel auf Reisen und
interessirte sich für die Kunst. Ich für meine Person war im Dienst bis zu


Ale Grafen von Altenschwerdt.

wiederum Dorothea Sextus, Endlich hat mein Großvater, der Oberst Blasius
Sextus, große Verbindlichkeiten gegen das Haus Altenschwerdt gehabt, indem
er, als junger Offizier bei Kunersdorf verwundet und gefangen, sein Leben der
Gräfin Adelheid von Altenschwerdt verdankte. Er liebte diese Dame, welche sehr
schön gewesen sein soll, doch war die Liebe eine unglückliche, da die Gräfin bereits
verheiratet war, und er heiratete selber in spätrer Zeit eine andre Dame, meine
Großmutter, In seinem Testament aber machte er eine Bestimmung, welche
seine große Verehrung des Hauses Altenschwerdt bekundet. Der alte Herr hat,
wie ich aus den Schriftstücken und Briefen jener Zeit entnommen habe, großen
Wert auf äußerliche Umstünde gelegt, welche als eine Art von Vorbedeutung
für die Ereignisse der Zukunft angesehen werden konnten, und so scheint er, wie
ich mit Erstaunen gemerkt habe, das Vorgefühl besessen zu haben, es werde
einmal mit dem Hause Sextus dahin kommen, daß kein männlicher Erbe lebe.
Er hat nämlich bestimmt und zum Familiengesetz zu machen durchgesetzt, daß
die Herrschaft Eichhausen, im Falle des Ausbleibens männlicher Descendenz, an
das Haus Altenschwerdt kommen solle, in dem Falle, daß eine Freiin von
Sextus einen Nachkommen der Adelheid Altenschwerdt heirate. Diese Bestimmung
zeigt mir den einzigen Weg, auf dem es mir möglich ist, den hessischen Sextus
die Erbschaft vorzuenthalten, Dorothea muß den Grafen Altenschwerdt heiraten,
oder Eichhausen fällt nach meinem Tode an den liberalen Herrn Botho von
Sextus, was Gott verhüten möge.

Kennen Sie den Grafen Altenschwerdt? fragte der General.

Nein, ich kenne ihn persönlich nicht. Ich weiß nur, daß er ein sehr be¬
fähigter und strebsamer junger Herr sein soll, der gegenwärtig Attachö bei unsrer
Botschaft in Paris ist. Ich muß gestehen, daß mir der Gedanke einer Ver¬
bindung zwischen zwei jungen Leuten, die uicht durch gegenseitige Neigung,
sondern durch irgendwelche andern Gründe zu einander geführt werden, immer
etwas unangenehmes gehabt hat. Deshalb habe ich mich bis vor kurzem noch
uicht ernstlich mit diesem Plane beschäftigt. Erst das Auftreten des Herrn
Botho von Sextus bei den parlamentarischen Verhandlungen im Februar hat
mir den entscheidenden Anstoß gegeben, und ich habe vor einigen Monaten an
Gräfin Sibylle geschrieben, um sie zu veranlassen, einen unauffälligen Schritt
der Annäherung ihres Sohnes herbeizuführen. Der gute Vetter Botho läßt
sich nicht träumen, was bevorsteht. Er denkt, die Herrschaft könnte ihm nicht
entgehen, sonst Hütte er doch zweimal überlegt, was er gethan hat.

Ich habe den alten Grafen Altenschwerdt gekannt, sagte der General, Er
starb schon vor etwa zwanzig Jahren, Es war ein etwas excentrischer Herr,
wenn ich mich recht entsinne.

Die ganze Familie ist mir persönlich nicht bekannt. Aber ich habe eben
dasselbe von dem verstorbenen Grafen gehört. Er war viel auf Reisen und
interessirte sich für die Kunst. Ich für meine Person war im Dienst bis zu


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[0226] Ale Grafen von Altenschwerdt. wiederum Dorothea Sextus, Endlich hat mein Großvater, der Oberst Blasius Sextus, große Verbindlichkeiten gegen das Haus Altenschwerdt gehabt, indem er, als junger Offizier bei Kunersdorf verwundet und gefangen, sein Leben der Gräfin Adelheid von Altenschwerdt verdankte. Er liebte diese Dame, welche sehr schön gewesen sein soll, doch war die Liebe eine unglückliche, da die Gräfin bereits verheiratet war, und er heiratete selber in spätrer Zeit eine andre Dame, meine Großmutter, In seinem Testament aber machte er eine Bestimmung, welche seine große Verehrung des Hauses Altenschwerdt bekundet. Der alte Herr hat, wie ich aus den Schriftstücken und Briefen jener Zeit entnommen habe, großen Wert auf äußerliche Umstünde gelegt, welche als eine Art von Vorbedeutung für die Ereignisse der Zukunft angesehen werden konnten, und so scheint er, wie ich mit Erstaunen gemerkt habe, das Vorgefühl besessen zu haben, es werde einmal mit dem Hause Sextus dahin kommen, daß kein männlicher Erbe lebe. Er hat nämlich bestimmt und zum Familiengesetz zu machen durchgesetzt, daß die Herrschaft Eichhausen, im Falle des Ausbleibens männlicher Descendenz, an das Haus Altenschwerdt kommen solle, in dem Falle, daß eine Freiin von Sextus einen Nachkommen der Adelheid Altenschwerdt heirate. Diese Bestimmung zeigt mir den einzigen Weg, auf dem es mir möglich ist, den hessischen Sextus die Erbschaft vorzuenthalten, Dorothea muß den Grafen Altenschwerdt heiraten, oder Eichhausen fällt nach meinem Tode an den liberalen Herrn Botho von Sextus, was Gott verhüten möge. Kennen Sie den Grafen Altenschwerdt? fragte der General. Nein, ich kenne ihn persönlich nicht. Ich weiß nur, daß er ein sehr be¬ fähigter und strebsamer junger Herr sein soll, der gegenwärtig Attachö bei unsrer Botschaft in Paris ist. Ich muß gestehen, daß mir der Gedanke einer Ver¬ bindung zwischen zwei jungen Leuten, die uicht durch gegenseitige Neigung, sondern durch irgendwelche andern Gründe zu einander geführt werden, immer etwas unangenehmes gehabt hat. Deshalb habe ich mich bis vor kurzem noch uicht ernstlich mit diesem Plane beschäftigt. Erst das Auftreten des Herrn Botho von Sextus bei den parlamentarischen Verhandlungen im Februar hat mir den entscheidenden Anstoß gegeben, und ich habe vor einigen Monaten an Gräfin Sibylle geschrieben, um sie zu veranlassen, einen unauffälligen Schritt der Annäherung ihres Sohnes herbeizuführen. Der gute Vetter Botho läßt sich nicht träumen, was bevorsteht. Er denkt, die Herrschaft könnte ihm nicht entgehen, sonst Hütte er doch zweimal überlegt, was er gethan hat. Ich habe den alten Grafen Altenschwerdt gekannt, sagte der General, Er starb schon vor etwa zwanzig Jahren, Es war ein etwas excentrischer Herr, wenn ich mich recht entsinne. Die ganze Familie ist mir persönlich nicht bekannt. Aber ich habe eben dasselbe von dem verstorbenen Grafen gehört. Er war viel auf Reisen und interessirte sich für die Kunst. Ich für meine Person war im Dienst bis zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/226>, abgerufen am 25.08.2024.