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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Pflege der Monumentalmalerei in Preußen.

Wahl des Stoffes für eine zweite Konkurrenz freigestellt, und infolge derselben
wurde Janssen die Ausführung des Cyklus, wie er ihn sich ursprünglich gedacht
hatte, übertragen. Er begab sich nun nach München, um dort einen Teil der
Kartons anzufertigen, und vollendete das ganze Werk im Laufe des Jahres 1873.
Die Technik war die Malerei in matten Wachsfarben, für welche das Rezept
von Andreas Müller maßgebend war. Im Jahre 1872 erhielt er den Auftrag,
für den großen Saal der Bremer Börse in einem großen, von Herrn Wätjen
gestifteten Wandgemälde nach dem Willen des Stifters die "Kolonisirung der
Ostseeprovinzen" darzustellen. Auch dieses Bild leidet trotz seiner großartigen
Konzeption unter der gewählten Technik, es ist flau und trocken in der Farbe
und ohne koloristische Haltung. Wie wäre es, wenn der Meister sich jetzt, nach
der Fülle gewonnener Erfahrungen, noch einmal über das Bild hermachte und
durch Auffrischung der Farben und durch Belebung und Erwärmung des
Kolorits auch der schönen Komposition zu vollerer Wirkung verHülfe, voraus¬
gesetzt, daß die Bremer Börsen ältesten ihren Geldsack aufthaten? Dem langweiligen
Saale könnte ein bischen Farbe ohnehin nicht schaden.

Die nächsten Jahre widmete Janssen der Ölmalerei. Außer einigen kleinen
Bildern vollendete er im Jahre 1876 eine Komposition, das "Gebet der Schweizer
vor der Schlacht bei Sempach," auf welcher neben der bedeutenden Auffassung
vornehmlich die energische und innerhalb der Gesetze des historischen Stils rea¬
listische Charakteristik der Köpfe auffiel. Das trockene und harte Kolorit
machte sich hier weniger störend bemerkbar, weil es mit zur Charakteristik der
herben und strengen Köpfe diente. Um dieselbe Zeit begann er mit den Vor¬
arbeiten für die Ausmalung des zweiten Corueliussaales in der Berliner Na-
lioualgälerie, welche in zehn Bvgeufeldern und einer großen, die Giebelflüche
der einen Schmalwand bedeckenden Komposition die Prometheussage behandeln
sollte. Vor der Ausführung dieser Kompositionen, welche ebenfalls in matten
Wachsfarben zu erfolgen hatte, stand dem Künstler ein schwieriger Kampf mit
dem leitenden Architekten der Nationalgalerie, Strack, bevor. Aus der Schule
Schinkels hervorgegangen, war derselbe einer der entschiedensten Vertreter des
oben gekennzeichneten Prinzips der Farblosigkeit in der Architektur. Janssen,
welcher sich bereits mehr und mehr von der Düsseldorfer Schultradition ent¬
fernt hatte, wollte in seinen Wandmalereien nunmehr dem Kolorit einen freiern
Spielraum gewähren, als er demselben bisher gestattet hatte. Aber der Wider¬
spruch des Architekten zwang ihn, sich dem gesamten dekorativen System der
Nationalgalerie, in welchem eine Art Chokoladenfarbe den lebhaftesten Ton
angab, unterzuordnen. Unter solchen Umständen machten die Malereien in der
Farbe wiederum einen wenig erfreulichen Eindruck. Trotzdem brachen sich die
Vorzüge der Komposition und -- als ein neues Element in der künstlerischen
Individualität des Malers -- die Schönheit und der ideale Reiz seiner Formen-
gebung siegreich Bahn. Letztere Vorzüge dokumentirten sich vornehmlich in dem


Die Pflege der Monumentalmalerei in Preußen.

Wahl des Stoffes für eine zweite Konkurrenz freigestellt, und infolge derselben
wurde Janssen die Ausführung des Cyklus, wie er ihn sich ursprünglich gedacht
hatte, übertragen. Er begab sich nun nach München, um dort einen Teil der
Kartons anzufertigen, und vollendete das ganze Werk im Laufe des Jahres 1873.
Die Technik war die Malerei in matten Wachsfarben, für welche das Rezept
von Andreas Müller maßgebend war. Im Jahre 1872 erhielt er den Auftrag,
für den großen Saal der Bremer Börse in einem großen, von Herrn Wätjen
gestifteten Wandgemälde nach dem Willen des Stifters die „Kolonisirung der
Ostseeprovinzen" darzustellen. Auch dieses Bild leidet trotz seiner großartigen
Konzeption unter der gewählten Technik, es ist flau und trocken in der Farbe
und ohne koloristische Haltung. Wie wäre es, wenn der Meister sich jetzt, nach
der Fülle gewonnener Erfahrungen, noch einmal über das Bild hermachte und
durch Auffrischung der Farben und durch Belebung und Erwärmung des
Kolorits auch der schönen Komposition zu vollerer Wirkung verHülfe, voraus¬
gesetzt, daß die Bremer Börsen ältesten ihren Geldsack aufthaten? Dem langweiligen
Saale könnte ein bischen Farbe ohnehin nicht schaden.

Die nächsten Jahre widmete Janssen der Ölmalerei. Außer einigen kleinen
Bildern vollendete er im Jahre 1876 eine Komposition, das „Gebet der Schweizer
vor der Schlacht bei Sempach," auf welcher neben der bedeutenden Auffassung
vornehmlich die energische und innerhalb der Gesetze des historischen Stils rea¬
listische Charakteristik der Köpfe auffiel. Das trockene und harte Kolorit
machte sich hier weniger störend bemerkbar, weil es mit zur Charakteristik der
herben und strengen Köpfe diente. Um dieselbe Zeit begann er mit den Vor¬
arbeiten für die Ausmalung des zweiten Corueliussaales in der Berliner Na-
lioualgälerie, welche in zehn Bvgeufeldern und einer großen, die Giebelflüche
der einen Schmalwand bedeckenden Komposition die Prometheussage behandeln
sollte. Vor der Ausführung dieser Kompositionen, welche ebenfalls in matten
Wachsfarben zu erfolgen hatte, stand dem Künstler ein schwieriger Kampf mit
dem leitenden Architekten der Nationalgalerie, Strack, bevor. Aus der Schule
Schinkels hervorgegangen, war derselbe einer der entschiedensten Vertreter des
oben gekennzeichneten Prinzips der Farblosigkeit in der Architektur. Janssen,
welcher sich bereits mehr und mehr von der Düsseldorfer Schultradition ent¬
fernt hatte, wollte in seinen Wandmalereien nunmehr dem Kolorit einen freiern
Spielraum gewähren, als er demselben bisher gestattet hatte. Aber der Wider¬
spruch des Architekten zwang ihn, sich dem gesamten dekorativen System der
Nationalgalerie, in welchem eine Art Chokoladenfarbe den lebhaftesten Ton
angab, unterzuordnen. Unter solchen Umständen machten die Malereien in der
Farbe wiederum einen wenig erfreulichen Eindruck. Trotzdem brachen sich die
Vorzüge der Komposition und — als ein neues Element in der künstlerischen
Individualität des Malers — die Schönheit und der ideale Reiz seiner Formen-
gebung siegreich Bahn. Letztere Vorzüge dokumentirten sich vornehmlich in dem


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[0210] Die Pflege der Monumentalmalerei in Preußen. Wahl des Stoffes für eine zweite Konkurrenz freigestellt, und infolge derselben wurde Janssen die Ausführung des Cyklus, wie er ihn sich ursprünglich gedacht hatte, übertragen. Er begab sich nun nach München, um dort einen Teil der Kartons anzufertigen, und vollendete das ganze Werk im Laufe des Jahres 1873. Die Technik war die Malerei in matten Wachsfarben, für welche das Rezept von Andreas Müller maßgebend war. Im Jahre 1872 erhielt er den Auftrag, für den großen Saal der Bremer Börse in einem großen, von Herrn Wätjen gestifteten Wandgemälde nach dem Willen des Stifters die „Kolonisirung der Ostseeprovinzen" darzustellen. Auch dieses Bild leidet trotz seiner großartigen Konzeption unter der gewählten Technik, es ist flau und trocken in der Farbe und ohne koloristische Haltung. Wie wäre es, wenn der Meister sich jetzt, nach der Fülle gewonnener Erfahrungen, noch einmal über das Bild hermachte und durch Auffrischung der Farben und durch Belebung und Erwärmung des Kolorits auch der schönen Komposition zu vollerer Wirkung verHülfe, voraus¬ gesetzt, daß die Bremer Börsen ältesten ihren Geldsack aufthaten? Dem langweiligen Saale könnte ein bischen Farbe ohnehin nicht schaden. Die nächsten Jahre widmete Janssen der Ölmalerei. Außer einigen kleinen Bildern vollendete er im Jahre 1876 eine Komposition, das „Gebet der Schweizer vor der Schlacht bei Sempach," auf welcher neben der bedeutenden Auffassung vornehmlich die energische und innerhalb der Gesetze des historischen Stils rea¬ listische Charakteristik der Köpfe auffiel. Das trockene und harte Kolorit machte sich hier weniger störend bemerkbar, weil es mit zur Charakteristik der herben und strengen Köpfe diente. Um dieselbe Zeit begann er mit den Vor¬ arbeiten für die Ausmalung des zweiten Corueliussaales in der Berliner Na- lioualgälerie, welche in zehn Bvgeufeldern und einer großen, die Giebelflüche der einen Schmalwand bedeckenden Komposition die Prometheussage behandeln sollte. Vor der Ausführung dieser Kompositionen, welche ebenfalls in matten Wachsfarben zu erfolgen hatte, stand dem Künstler ein schwieriger Kampf mit dem leitenden Architekten der Nationalgalerie, Strack, bevor. Aus der Schule Schinkels hervorgegangen, war derselbe einer der entschiedensten Vertreter des oben gekennzeichneten Prinzips der Farblosigkeit in der Architektur. Janssen, welcher sich bereits mehr und mehr von der Düsseldorfer Schultradition ent¬ fernt hatte, wollte in seinen Wandmalereien nunmehr dem Kolorit einen freiern Spielraum gewähren, als er demselben bisher gestattet hatte. Aber der Wider¬ spruch des Architekten zwang ihn, sich dem gesamten dekorativen System der Nationalgalerie, in welchem eine Art Chokoladenfarbe den lebhaftesten Ton angab, unterzuordnen. Unter solchen Umständen machten die Malereien in der Farbe wiederum einen wenig erfreulichen Eindruck. Trotzdem brachen sich die Vorzüge der Komposition und — als ein neues Element in der künstlerischen Individualität des Malers — die Schönheit und der ideale Reiz seiner Formen- gebung siegreich Bahn. Letztere Vorzüge dokumentirten sich vornehmlich in dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/210>, abgerufen am 25.08.2024.