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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Der zweite Pariser Rrach.

Dennoch waren die Epigonen Laws Stümper auf ihrem Gebiete, Erst
die Epoche der Restauration ließ das System der finanziellen Ausbeutung zum
Staatssystem werden, weil die Politiker der Zeit nicht vermochten, die Ma߬
losigkeit zu dämpfen, und weil sie trotz ihres politisch reaktionären Geistes doch
bereits in den modernen wirtschaftlichen Zirkel gezogen waren. Ja dieser mo¬
derne Zirkel kam ihnen selbst reaktionär vor. Die Idee, die Staatseinnahmen
lediglich als Fundation der Staatsschulden anzusehen, war auch eine so natür¬
liche Konsequenz des doch eigentlich von den alten Königen begründeten Systems
des "großen Buches" von Frankreich, daß man sich nicht hätte wundern dürfen,
wenn man sie geradezu als eine feudale betrachtet hätte; und praktisch führte
sie ja auch auf den sublimen Gedanken, die Eigcntnmsverschiebungen, welche
Revolution und Kaiserreich mit sich gebracht hatten, durch die Emission einer
Milliarde in Rente zu verwischen. Konnte man es noch als eine Frivolität
betrachten, als die Hofleute nach Veröffentlichung des ersten Jahresabschlusses,
den Necker nach Antritt seines Ministeriums machte, die Einnahmesteigerung
von 5 Millionen Livres, welche er auswies, sogleich in Rente umsetzten und
nicht zögerten, eine Anleihe von 100 Millionen zu fordern, so war diese Fri¬
volität nun zum System geworden, ein System, das eine völlige Umwälzung
des Staatswesens zur Folge haben und die Finanzherrschaft zur politischen
Tyrannei machen müßtet)



*) Wir charakterisiren diese Umwälzung in staatsfinanzieller Hinsicht schon hier durch
Nebeneinanderstellung der Budgets vom Jahre 1804 und von 1881, Das französische Budget
von 1804 wies an Einnahmen aus:
Grundsteuer 210 000 000 Fr.
Persönliche Abgaben, bewegliche Güter und Lebensmittel 32 800 000 "
Neue Centimen-Abgabe von beiden Steuern 16 777 000 ,,
-
Thür-und Fenstersteuer 16 000 000 "
Patcntsteuer 17 500 000 "
Centimen für die Kriegskosten21 534 000 "
Enregistrement, Domänen und Forsten180 000 000 "
Zölle25 000 000
Post11 000 000
Lotterie12 000 000
Salz3 000 000
Münze800 000 ,,
Zufällige Einnahmen2 589 000
551 000 000 Fr,
Dagegen gestalteten sich die Ausgaben folgendermaßen
71 153 766 Fr,Oeffentliche Schuld und Leibrenten
Justiz23 000 000
Inneres34 730 SIS
Auswärtiges7 000 000
Finanzen77 677 000
Schatzverwaltung8 000 000 ^
Krieg268 000 000 "
Seewesen und Kolonien180 000 000
Außerordentliche AusgabenZ5 000 000
Reservefonds15 438 315 ",
700 000 000 Fr,
Grenzboten I, 1883.24
Der zweite Pariser Rrach.

Dennoch waren die Epigonen Laws Stümper auf ihrem Gebiete, Erst
die Epoche der Restauration ließ das System der finanziellen Ausbeutung zum
Staatssystem werden, weil die Politiker der Zeit nicht vermochten, die Ma߬
losigkeit zu dämpfen, und weil sie trotz ihres politisch reaktionären Geistes doch
bereits in den modernen wirtschaftlichen Zirkel gezogen waren. Ja dieser mo¬
derne Zirkel kam ihnen selbst reaktionär vor. Die Idee, die Staatseinnahmen
lediglich als Fundation der Staatsschulden anzusehen, war auch eine so natür¬
liche Konsequenz des doch eigentlich von den alten Königen begründeten Systems
des „großen Buches" von Frankreich, daß man sich nicht hätte wundern dürfen,
wenn man sie geradezu als eine feudale betrachtet hätte; und praktisch führte
sie ja auch auf den sublimen Gedanken, die Eigcntnmsverschiebungen, welche
Revolution und Kaiserreich mit sich gebracht hatten, durch die Emission einer
Milliarde in Rente zu verwischen. Konnte man es noch als eine Frivolität
betrachten, als die Hofleute nach Veröffentlichung des ersten Jahresabschlusses,
den Necker nach Antritt seines Ministeriums machte, die Einnahmesteigerung
von 5 Millionen Livres, welche er auswies, sogleich in Rente umsetzten und
nicht zögerten, eine Anleihe von 100 Millionen zu fordern, so war diese Fri¬
volität nun zum System geworden, ein System, das eine völlige Umwälzung
des Staatswesens zur Folge haben und die Finanzherrschaft zur politischen
Tyrannei machen müßtet)



*) Wir charakterisiren diese Umwälzung in staatsfinanzieller Hinsicht schon hier durch
Nebeneinanderstellung der Budgets vom Jahre 1804 und von 1881, Das französische Budget
von 1804 wies an Einnahmen aus:
Grundsteuer 210 000 000 Fr.
Persönliche Abgaben, bewegliche Güter und Lebensmittel 32 800 000 „
Neue Centimen-Abgabe von beiden Steuern 16 777 000 ,,
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Thür-und Fenstersteuer 16 000 000 „
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Centimen für die Kriegskosten21 534 000 „
Enregistrement, Domänen und Forsten180 000 000 „
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Lotterie12 000 000
Salz3 000 000
Münze800 000 ,,
Zufällige Einnahmen2 589 000
551 000 000 Fr,
Dagegen gestalteten sich die Ausgaben folgendermaßen
71 153 766 Fr,Oeffentliche Schuld und Leibrenten
Justiz23 000 000
Inneres34 730 SIS
Auswärtiges7 000 000
Finanzen77 677 000
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Seewesen und Kolonien180 000 000
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Grenzboten I, 1883.24
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[0193] Der zweite Pariser Rrach. Dennoch waren die Epigonen Laws Stümper auf ihrem Gebiete, Erst die Epoche der Restauration ließ das System der finanziellen Ausbeutung zum Staatssystem werden, weil die Politiker der Zeit nicht vermochten, die Ma߬ losigkeit zu dämpfen, und weil sie trotz ihres politisch reaktionären Geistes doch bereits in den modernen wirtschaftlichen Zirkel gezogen waren. Ja dieser mo¬ derne Zirkel kam ihnen selbst reaktionär vor. Die Idee, die Staatseinnahmen lediglich als Fundation der Staatsschulden anzusehen, war auch eine so natür¬ liche Konsequenz des doch eigentlich von den alten Königen begründeten Systems des „großen Buches" von Frankreich, daß man sich nicht hätte wundern dürfen, wenn man sie geradezu als eine feudale betrachtet hätte; und praktisch führte sie ja auch auf den sublimen Gedanken, die Eigcntnmsverschiebungen, welche Revolution und Kaiserreich mit sich gebracht hatten, durch die Emission einer Milliarde in Rente zu verwischen. Konnte man es noch als eine Frivolität betrachten, als die Hofleute nach Veröffentlichung des ersten Jahresabschlusses, den Necker nach Antritt seines Ministeriums machte, die Einnahmesteigerung von 5 Millionen Livres, welche er auswies, sogleich in Rente umsetzten und nicht zögerten, eine Anleihe von 100 Millionen zu fordern, so war diese Fri¬ volität nun zum System geworden, ein System, das eine völlige Umwälzung des Staatswesens zur Folge haben und die Finanzherrschaft zur politischen Tyrannei machen müßtet) *) Wir charakterisiren diese Umwälzung in staatsfinanzieller Hinsicht schon hier durch Nebeneinanderstellung der Budgets vom Jahre 1804 und von 1881, Das französische Budget von 1804 wies an Einnahmen aus: Grundsteuer 210 000 000 Fr. Persönliche Abgaben, bewegliche Güter und Lebensmittel 32 800 000 „ Neue Centimen-Abgabe von beiden Steuern 16 777 000 ,, - Thür-und Fenstersteuer 16 000 000 „ Patcntsteuer 17 500 000 „ Centimen für die Kriegskosten21 534 000 „ Enregistrement, Domänen und Forsten180 000 000 „ Zölle25 000 000 Post11 000 000 Lotterie12 000 000 Salz3 000 000 Münze800 000 ,, Zufällige Einnahmen2 589 000 551 000 000 Fr, Dagegen gestalteten sich die Ausgaben folgendermaßen 71 153 766 Fr,Oeffentliche Schuld und Leibrenten Justiz23 000 000 Inneres34 730 SIS Auswärtiges7 000 000 Finanzen77 677 000 Schatzverwaltung8 000 000 ^ Krieg268 000 000 „ Seewesen und Kolonien180 000 000 Außerordentliche AusgabenZ5 000 000 Reservefonds15 438 315 ", 700 000 000 Fr, Grenzboten I, 1883.24

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/193>, abgerufen am 25.08.2024.