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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt,

Auch die zu ihrem Sohne? fragte Eberhardt kopfschüttelnd.

Die Lady mochte Wohl der Meinung sein, daß es nicht von Wert wäre,
welchen Namen ihr Sohn führe, daß aber sichere Schande den Namen und die
Familie des Mannes treffen würde, welchen sie liebte, wenn diese Dokumente
zur Giltigkeit gebracht wurden. Sie hatte sich in die erhabene Denknngsweise
der frommen Shaker eingelebt und hatte gelernt, äußern Tand zu verachten.

Der alte Neger heftete bei diesen Worten einen ernsten Blick ans Eber-
hardts Gesicht, und seine Haltung wie seine Art zu sprechen zeigten, daß auch
er nicht ohne tiefgreifende Wirkung lange Jahre hindurch in einer der ernsten
und stillen Gemeinden gelebt hatte, die im fernen Amerika die Lehre des Heilands
auf ihre eigentümliche Weise Pflegen.

Kehren Sie mit mir zurück, setzte er in tiefem sanftem Tone hinzu.
Schließen Sie sich wieder der Gemeinde an, in der Sie ihre Kindheit ver¬
brachten. Dort ist Frieden, dort ist Ruhe und Segen, dort werden Sie nicht
von den ehrgeizigen Gedanken gestachelt werden, die hier draußen in der Welt
Sie peinigen. Sie werden auf einer Farm am schönen Hudson wohnen, und
ich werde Ihnen helfen, das Maisfeld zu bestellen und den Weinstock von
Baltimore zu pflegen.

Eberhardt betrachtete gedankenvoll das ehrliche Gesicht des alten Negers.

Ja, sagte er, was du da sprichst, ist nicht ohne gute Bedeutung, und da dieser
Kasten uneröffnet bleiben soll, so wäre es vielleicht das klügste, dir zu folgen.
Ich weiß, der Hudson ist schön, und wohl ist es eine Freude, die dankbare Erde
in dem guten Springlake zu bebauen. Der Ort steht lebhaft vor meinem Ge¬
dächtnis, und ich habe nirgend einen Ort gefunden, der ihm an Reiz gleich
zu stellen wäre. Es ist dort immer Sonntag, seine Hänser sehen aus als
wären sie gestern gebaut, und ein Wohlgeruch von Lavendel und Rosen zieht
durch die Straßen, auch kenne ich recht wohl die sanften Hügel mit ihren
schattigen Gängen und plätschernden Quellen, die smaragdenen Wiesen und den
breiten hellen Strom, der ihren Saum bespült und mein Segelboot schaukelt
Dort könnte ich auf dem Grabe meiner Mutter lange Stunden in sanfter
Traurigkeit verträumen. Aber, mein lieber Andrew, ich kann mich doch nicht
entschließen, in jene Einsamkeit zurückzukehren. Du siehst dich hier in dieser
Hütte um, und stillschweigend fragst du mich, ob nicht hier am Strande und
im Fischerdorfe die Einsamkeit größer sei als dort, aber ich will dir sagen:
Deutschland hat für mich eine unbesiegliche Anziehungskraft. Ich weiß uicht,
worin es liegt, ist es sein alter Ruhm, den ich als Knabe aus Büchern kennen
lernte und der nun in diesem siegreichen Kriege lebendig in mir wurde, ist ein
geheimnisvoller Zusammenhang zwischen uns und dem Erdenfleck, ans dem wir
geboren wurden und der unsern Stamm trug, genug, ich fühle mich jetzt noch
mit starken Fesseln an dies Land gebunden. Es ist ein starker Zauber, der
von diesem alten Europa ausgeht, sodaß es mir dagegen fast so scheint, als


Die Grafen von Altenschwerdt,

Auch die zu ihrem Sohne? fragte Eberhardt kopfschüttelnd.

Die Lady mochte Wohl der Meinung sein, daß es nicht von Wert wäre,
welchen Namen ihr Sohn führe, daß aber sichere Schande den Namen und die
Familie des Mannes treffen würde, welchen sie liebte, wenn diese Dokumente
zur Giltigkeit gebracht wurden. Sie hatte sich in die erhabene Denknngsweise
der frommen Shaker eingelebt und hatte gelernt, äußern Tand zu verachten.

Der alte Neger heftete bei diesen Worten einen ernsten Blick ans Eber-
hardts Gesicht, und seine Haltung wie seine Art zu sprechen zeigten, daß auch
er nicht ohne tiefgreifende Wirkung lange Jahre hindurch in einer der ernsten
und stillen Gemeinden gelebt hatte, die im fernen Amerika die Lehre des Heilands
auf ihre eigentümliche Weise Pflegen.

Kehren Sie mit mir zurück, setzte er in tiefem sanftem Tone hinzu.
Schließen Sie sich wieder der Gemeinde an, in der Sie ihre Kindheit ver¬
brachten. Dort ist Frieden, dort ist Ruhe und Segen, dort werden Sie nicht
von den ehrgeizigen Gedanken gestachelt werden, die hier draußen in der Welt
Sie peinigen. Sie werden auf einer Farm am schönen Hudson wohnen, und
ich werde Ihnen helfen, das Maisfeld zu bestellen und den Weinstock von
Baltimore zu pflegen.

Eberhardt betrachtete gedankenvoll das ehrliche Gesicht des alten Negers.

Ja, sagte er, was du da sprichst, ist nicht ohne gute Bedeutung, und da dieser
Kasten uneröffnet bleiben soll, so wäre es vielleicht das klügste, dir zu folgen.
Ich weiß, der Hudson ist schön, und wohl ist es eine Freude, die dankbare Erde
in dem guten Springlake zu bebauen. Der Ort steht lebhaft vor meinem Ge¬
dächtnis, und ich habe nirgend einen Ort gefunden, der ihm an Reiz gleich
zu stellen wäre. Es ist dort immer Sonntag, seine Hänser sehen aus als
wären sie gestern gebaut, und ein Wohlgeruch von Lavendel und Rosen zieht
durch die Straßen, auch kenne ich recht wohl die sanften Hügel mit ihren
schattigen Gängen und plätschernden Quellen, die smaragdenen Wiesen und den
breiten hellen Strom, der ihren Saum bespült und mein Segelboot schaukelt
Dort könnte ich auf dem Grabe meiner Mutter lange Stunden in sanfter
Traurigkeit verträumen. Aber, mein lieber Andrew, ich kann mich doch nicht
entschließen, in jene Einsamkeit zurückzukehren. Du siehst dich hier in dieser
Hütte um, und stillschweigend fragst du mich, ob nicht hier am Strande und
im Fischerdorfe die Einsamkeit größer sei als dort, aber ich will dir sagen:
Deutschland hat für mich eine unbesiegliche Anziehungskraft. Ich weiß uicht,
worin es liegt, ist es sein alter Ruhm, den ich als Knabe aus Büchern kennen
lernte und der nun in diesem siegreichen Kriege lebendig in mir wurde, ist ein
geheimnisvoller Zusammenhang zwischen uns und dem Erdenfleck, ans dem wir
geboren wurden und der unsern Stamm trug, genug, ich fühle mich jetzt noch
mit starken Fesseln an dies Land gebunden. Es ist ein starker Zauber, der
von diesem alten Europa ausgeht, sodaß es mir dagegen fast so scheint, als


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/116>, abgerufen am 23.07.2024.