Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Oio Grafen von Altenschwerdt.

einem Häuschen unterbrochen, einem Keinen freundlichen, zweistöckigen Gebäude
mit grünen Fensterladen und rotem Ziegeldach, Während die Mauer schwarz
und braun dastand, an manchen Stellen zerfallen, sodaß große Bruchsteine an
ihrem Fuß umherlagen, während dicker Epheu in schweren Guirlanden an ihr
herunterhing und allerhand andres Rankengewächs ungehindert an ihr empor¬
kletterte, war dies Häuschen schmuck und neu und glänzend, dem finstern Mauer¬
werk eingefügt, wie ein funkelnder Stein einem vom Alter geschwärzten Ringe,

Der Weg führte, als man näher kam, an einem gänzlich verfallenen und
von Grün überwucherten Bauwerk vorbei, dessen ursprüngliche Bestimmung nicht
leicht zu erkennen war, das aber wohl auch in früherer Zeit kriegerischen Zwecken
gedient hatte. Ihm gegenüber zur andern Seite des Weges war ein kleiner
Teich von klarem, doch beinahe schwarz aussehenden Wasser, Die hohen Linden¬
bäume in seiner Nähe und einige gewaltige Steinblöcke an seinem Rande spiegelten
sich im Wasser mit merkwürdiger Deutlichkeit ab. Es war ein düstrer Fleck,
obwohl so nahe dem Schlosse, und man konnte sich an dieser Stelle weit ent¬
fernt von der Welt, am Schauplatz schlimmer Gewaltthaten wähnen.

Hier blieb die schwarzäugige Dame stehen und verabschiedete den schützenden
Begleiter unter wiederholten Daukesbezeugungen, Der Weg, sagte sie, sei nun
nicht mehr zu verfehlen und erschiene ihr durchaus sicher. So dürfe sie denn die Güte
des Fremden nicht mehr in Anspruch nehmen. Doch wollte sie zuvor seinen
Namen wissen, um ihn ihrem dankbaren Gedächtnis einzuprägen.

Ich heiße Eberhardt Eschenburg und bin Maler, sagte er. Es würde mich
freuen, auch Ihren Namen zu erfahren, da mein Gedächtnis nicht minder
dankbar diese Stunde bewahren wird.

Ich heiße Dorothea Sextus und bin Fischerin, versetzte sie, und mit einen:
Knix, der den ländlichen Manieren nachgebildet war, wünschte sie guten Abend
und ging weiter, Ihre blonde Freundin ahmte ihr genau nach und folgte ihr,

Eberhardt blickte den beiden anziehenden Gestalten nach, bis sie in der
Thür des kleinen freundlichen Hauses verschwanden, und bemerkte, daß die Blonde
noch einmal stehen blieb und sich umblickte. Er stieß einen kleinen Seufzer aus
und sah träumerisch auf das glänzende dunkle Wasser, worin sich die langsam
ziehenden, vom Abendrot gefärbten Wolken malten.

Dann schweifte sein Blick über die trotzigen Thürme, die schönen Bäume
und die grauen Mauern des alten stolzen Schlosses hin. Dieser Besitz und
die nähere umgebende Landschaft trugen ein besonders aristokratisches Gepräge,
Da war nichts, dem man ansah, es sei so gemacht und eingerichtet worden,
sondern es schien alles von Ewigkeit her so gewesen zu sein. Man konnte sich
die Zeit nicht vorstellen, wo dies neu gewesen war, wo Arbeiter auf Gerüsten
herumgeklettert wären oder wo Gärtner diese Bäume gepflanzt hätten. Es sah
aus, als sei es so alt wie die Erde und mit dieser zugleich geschaffen, um ein
Geschlecht zu beherbergen, welches über das Land herrschen sollte.


Oio Grafen von Altenschwerdt.

einem Häuschen unterbrochen, einem Keinen freundlichen, zweistöckigen Gebäude
mit grünen Fensterladen und rotem Ziegeldach, Während die Mauer schwarz
und braun dastand, an manchen Stellen zerfallen, sodaß große Bruchsteine an
ihrem Fuß umherlagen, während dicker Epheu in schweren Guirlanden an ihr
herunterhing und allerhand andres Rankengewächs ungehindert an ihr empor¬
kletterte, war dies Häuschen schmuck und neu und glänzend, dem finstern Mauer¬
werk eingefügt, wie ein funkelnder Stein einem vom Alter geschwärzten Ringe,

Der Weg führte, als man näher kam, an einem gänzlich verfallenen und
von Grün überwucherten Bauwerk vorbei, dessen ursprüngliche Bestimmung nicht
leicht zu erkennen war, das aber wohl auch in früherer Zeit kriegerischen Zwecken
gedient hatte. Ihm gegenüber zur andern Seite des Weges war ein kleiner
Teich von klarem, doch beinahe schwarz aussehenden Wasser, Die hohen Linden¬
bäume in seiner Nähe und einige gewaltige Steinblöcke an seinem Rande spiegelten
sich im Wasser mit merkwürdiger Deutlichkeit ab. Es war ein düstrer Fleck,
obwohl so nahe dem Schlosse, und man konnte sich an dieser Stelle weit ent¬
fernt von der Welt, am Schauplatz schlimmer Gewaltthaten wähnen.

Hier blieb die schwarzäugige Dame stehen und verabschiedete den schützenden
Begleiter unter wiederholten Daukesbezeugungen, Der Weg, sagte sie, sei nun
nicht mehr zu verfehlen und erschiene ihr durchaus sicher. So dürfe sie denn die Güte
des Fremden nicht mehr in Anspruch nehmen. Doch wollte sie zuvor seinen
Namen wissen, um ihn ihrem dankbaren Gedächtnis einzuprägen.

Ich heiße Eberhardt Eschenburg und bin Maler, sagte er. Es würde mich
freuen, auch Ihren Namen zu erfahren, da mein Gedächtnis nicht minder
dankbar diese Stunde bewahren wird.

Ich heiße Dorothea Sextus und bin Fischerin, versetzte sie, und mit einen:
Knix, der den ländlichen Manieren nachgebildet war, wünschte sie guten Abend
und ging weiter, Ihre blonde Freundin ahmte ihr genau nach und folgte ihr,

Eberhardt blickte den beiden anziehenden Gestalten nach, bis sie in der
Thür des kleinen freundlichen Hauses verschwanden, und bemerkte, daß die Blonde
noch einmal stehen blieb und sich umblickte. Er stieß einen kleinen Seufzer aus
und sah träumerisch auf das glänzende dunkle Wasser, worin sich die langsam
ziehenden, vom Abendrot gefärbten Wolken malten.

Dann schweifte sein Blick über die trotzigen Thürme, die schönen Bäume
und die grauen Mauern des alten stolzen Schlosses hin. Dieser Besitz und
die nähere umgebende Landschaft trugen ein besonders aristokratisches Gepräge,
Da war nichts, dem man ansah, es sei so gemacht und eingerichtet worden,
sondern es schien alles von Ewigkeit her so gewesen zu sein. Man konnte sich
die Zeit nicht vorstellen, wo dies neu gewesen war, wo Arbeiter auf Gerüsten
herumgeklettert wären oder wo Gärtner diese Bäume gepflanzt hätten. Es sah
aus, als sei es so alt wie die Erde und mit dieser zugleich geschaffen, um ein
Geschlecht zu beherbergen, welches über das Land herrschen sollte.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0110" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151530"/>
            <fw type="header" place="top"> Oio Grafen von Altenschwerdt.</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_321" prev="#ID_320"> einem Häuschen unterbrochen, einem Keinen freundlichen, zweistöckigen Gebäude<lb/>
mit grünen Fensterladen und rotem Ziegeldach, Während die Mauer schwarz<lb/>
und braun dastand, an manchen Stellen zerfallen, sodaß große Bruchsteine an<lb/>
ihrem Fuß umherlagen, während dicker Epheu in schweren Guirlanden an ihr<lb/>
herunterhing und allerhand andres Rankengewächs ungehindert an ihr empor¬<lb/>
kletterte, war dies Häuschen schmuck und neu und glänzend, dem finstern Mauer¬<lb/>
werk eingefügt, wie ein funkelnder Stein einem vom Alter geschwärzten Ringe,</p><lb/>
            <p xml:id="ID_322"> Der Weg führte, als man näher kam, an einem gänzlich verfallenen und<lb/>
von Grün überwucherten Bauwerk vorbei, dessen ursprüngliche Bestimmung nicht<lb/>
leicht zu erkennen war, das aber wohl auch in früherer Zeit kriegerischen Zwecken<lb/>
gedient hatte. Ihm gegenüber zur andern Seite des Weges war ein kleiner<lb/>
Teich von klarem, doch beinahe schwarz aussehenden Wasser, Die hohen Linden¬<lb/>
bäume in seiner Nähe und einige gewaltige Steinblöcke an seinem Rande spiegelten<lb/>
sich im Wasser mit merkwürdiger Deutlichkeit ab. Es war ein düstrer Fleck,<lb/>
obwohl so nahe dem Schlosse, und man konnte sich an dieser Stelle weit ent¬<lb/>
fernt von der Welt, am Schauplatz schlimmer Gewaltthaten wähnen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_323"> Hier blieb die schwarzäugige Dame stehen und verabschiedete den schützenden<lb/>
Begleiter unter wiederholten Daukesbezeugungen, Der Weg, sagte sie, sei nun<lb/>
nicht mehr zu verfehlen und erschiene ihr durchaus sicher. So dürfe sie denn die Güte<lb/>
des Fremden nicht mehr in Anspruch nehmen. Doch wollte sie zuvor seinen<lb/>
Namen wissen, um ihn ihrem dankbaren Gedächtnis einzuprägen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_324"> Ich heiße Eberhardt Eschenburg und bin Maler, sagte er. Es würde mich<lb/>
freuen, auch Ihren Namen zu erfahren, da mein Gedächtnis nicht minder<lb/>
dankbar diese Stunde bewahren wird.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_325"> Ich heiße Dorothea Sextus und bin Fischerin, versetzte sie, und mit einen:<lb/>
Knix, der den ländlichen Manieren nachgebildet war, wünschte sie guten Abend<lb/>
und ging weiter, Ihre blonde Freundin ahmte ihr genau nach und folgte ihr,</p><lb/>
            <p xml:id="ID_326"> Eberhardt blickte den beiden anziehenden Gestalten nach, bis sie in der<lb/>
Thür des kleinen freundlichen Hauses verschwanden, und bemerkte, daß die Blonde<lb/>
noch einmal stehen blieb und sich umblickte. Er stieß einen kleinen Seufzer aus<lb/>
und sah träumerisch auf das glänzende dunkle Wasser, worin sich die langsam<lb/>
ziehenden, vom Abendrot gefärbten Wolken malten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_327"> Dann schweifte sein Blick über die trotzigen Thürme, die schönen Bäume<lb/>
und die grauen Mauern des alten stolzen Schlosses hin. Dieser Besitz und<lb/>
die nähere umgebende Landschaft trugen ein besonders aristokratisches Gepräge,<lb/>
Da war nichts, dem man ansah, es sei so gemacht und eingerichtet worden,<lb/>
sondern es schien alles von Ewigkeit her so gewesen zu sein. Man konnte sich<lb/>
die Zeit nicht vorstellen, wo dies neu gewesen war, wo Arbeiter auf Gerüsten<lb/>
herumgeklettert wären oder wo Gärtner diese Bäume gepflanzt hätten. Es sah<lb/>
aus, als sei es so alt wie die Erde und mit dieser zugleich geschaffen, um ein<lb/>
Geschlecht zu beherbergen, welches über das Land herrschen sollte.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0110] Oio Grafen von Altenschwerdt. einem Häuschen unterbrochen, einem Keinen freundlichen, zweistöckigen Gebäude mit grünen Fensterladen und rotem Ziegeldach, Während die Mauer schwarz und braun dastand, an manchen Stellen zerfallen, sodaß große Bruchsteine an ihrem Fuß umherlagen, während dicker Epheu in schweren Guirlanden an ihr herunterhing und allerhand andres Rankengewächs ungehindert an ihr empor¬ kletterte, war dies Häuschen schmuck und neu und glänzend, dem finstern Mauer¬ werk eingefügt, wie ein funkelnder Stein einem vom Alter geschwärzten Ringe, Der Weg führte, als man näher kam, an einem gänzlich verfallenen und von Grün überwucherten Bauwerk vorbei, dessen ursprüngliche Bestimmung nicht leicht zu erkennen war, das aber wohl auch in früherer Zeit kriegerischen Zwecken gedient hatte. Ihm gegenüber zur andern Seite des Weges war ein kleiner Teich von klarem, doch beinahe schwarz aussehenden Wasser, Die hohen Linden¬ bäume in seiner Nähe und einige gewaltige Steinblöcke an seinem Rande spiegelten sich im Wasser mit merkwürdiger Deutlichkeit ab. Es war ein düstrer Fleck, obwohl so nahe dem Schlosse, und man konnte sich an dieser Stelle weit ent¬ fernt von der Welt, am Schauplatz schlimmer Gewaltthaten wähnen. Hier blieb die schwarzäugige Dame stehen und verabschiedete den schützenden Begleiter unter wiederholten Daukesbezeugungen, Der Weg, sagte sie, sei nun nicht mehr zu verfehlen und erschiene ihr durchaus sicher. So dürfe sie denn die Güte des Fremden nicht mehr in Anspruch nehmen. Doch wollte sie zuvor seinen Namen wissen, um ihn ihrem dankbaren Gedächtnis einzuprägen. Ich heiße Eberhardt Eschenburg und bin Maler, sagte er. Es würde mich freuen, auch Ihren Namen zu erfahren, da mein Gedächtnis nicht minder dankbar diese Stunde bewahren wird. Ich heiße Dorothea Sextus und bin Fischerin, versetzte sie, und mit einen: Knix, der den ländlichen Manieren nachgebildet war, wünschte sie guten Abend und ging weiter, Ihre blonde Freundin ahmte ihr genau nach und folgte ihr, Eberhardt blickte den beiden anziehenden Gestalten nach, bis sie in der Thür des kleinen freundlichen Hauses verschwanden, und bemerkte, daß die Blonde noch einmal stehen blieb und sich umblickte. Er stieß einen kleinen Seufzer aus und sah träumerisch auf das glänzende dunkle Wasser, worin sich die langsam ziehenden, vom Abendrot gefärbten Wolken malten. Dann schweifte sein Blick über die trotzigen Thürme, die schönen Bäume und die grauen Mauern des alten stolzen Schlosses hin. Dieser Besitz und die nähere umgebende Landschaft trugen ein besonders aristokratisches Gepräge, Da war nichts, dem man ansah, es sei so gemacht und eingerichtet worden, sondern es schien alles von Ewigkeit her so gewesen zu sein. Man konnte sich die Zeit nicht vorstellen, wo dies neu gewesen war, wo Arbeiter auf Gerüsten herumgeklettert wären oder wo Gärtner diese Bäume gepflanzt hätten. Es sah aus, als sei es so alt wie die Erde und mit dieser zugleich geschaffen, um ein Geschlecht zu beherbergen, welches über das Land herrschen sollte.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/110
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/110>, abgerufen am 03.07.2024.