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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

glänzendes Haar waren lieblich anzusehen. Das andre Fischermädchen dagegen
trug einen so aristokratischen Zug, und ihr Gesicht hatte einen so ausgeprägt
geistigen Charakter, daß man kaum wagen mochte, ihre tiefschwarzen Augen und
die sonstigen Reize ihrer Erscheinung so unbefangen zu prüfen wie bei ihrer
Gefährtin, Es war gar nicht zu begreifen, daß dies eine Fischerin sein sollte,
und wenn der Maler schon bei Betrachtung der Blondine erstaunt gewesen war,
eine so schöne Hautfarbe bei einem Mädchen zu sehen, welches doch seinem
Stande und Berufe nach niedrige Arbeiten versehen und an der Sonne sitzend
Netze flicken mußte, so überzeugte ihn die königliche Gestalt und Haltung der
andern, ihr zarter Teint und die längliche Form ihrer Hände vollends, daß er
hier in einem rätselhaften Abenteuer stehe und daß dies unmöglich Fischermädchen
sein könnten.

Von dieser Beobachtung erfüllt, konnte auch er nicht gleich Worte finden
und stand der Schwarzen einige Sekunden stumm gegenüber, als sie mit An¬
stand und Ton der besten Gesellschaft ihm ihren Dank für seine schnelle Hilfe
aussprach. Es lag eine solche Grazie in ihrer Art und Weise, der stolze Mund
hatte einen so freundlichen Ausdruck dabei, daß die kleine Danksagung einen un¬
widerstehlich gewinnenden Eindruck machte.

Auch die Blondine hatte inzwischen ihre Sprache wiedergefunden und klagte
mit lauten: Schelten und ärgerlichem Lachen über die Frechheit jenes Menschen,
während sie zugleich ihr Kleid zurechtzupfte, welches im Ringkampfe gelitten zu
haben schien.

Beruhige dich nur, Millicent, sagte ihr die Gefährtin mit einem Lächeln,
welches Zeugnis davon gab, daß sie ihrerseits ihren Gleichmut völlig wieder¬
gewonnen hatte, es ist ja noch leidlich abgelaufen.

Du hast gut reden, entgegnete die Blonde, du standest in Sicherheit dabei,
aber mich hat er angepackt, und mit welchen Fäusten!

Es bleibt doch immer ein Kompliment für dich, daß er es gerade ans dich
abgesehen hatte, sagte die andre in schalkhaftem Übermut.

Da können wir uns beide geschmeichelt fühlen, versetzte Millieent. Bei dir
hat er doch wohl das edle Blut durch den wollenen Rock hindurchschimmern
sehen, und die Ehrfurcht hat ihn abgehalten, den Sproß von sechzehn Ahnen
wie eine Viehmagd zu behandeln.

Wir hatten uns einen Scherz ausgedacht, und unsre Verkleidung war dazu
nötig, sagte die schwarzäugige erklärend zu dem Maler, da wollen wir nun
auch die Folgen mit Humor ertragen. Haben Sie nochmals herzlichen Dank,
mein Herr, wir begeben uns jetzt auf den Heimweg.

Wenn Sie gestatten, erwiederte er, so begleite ich Sie. Wir wissen nicht,
ob der freche Bursch nicht wieder umkehrt.

Die Mädchen sahen einander fragend an, und dann erklärte die schwarz¬
äugige, welcher das entscheidende Wort zu gebühren schien, sie würden eine


Die Grafen von Altenschwerdt.

glänzendes Haar waren lieblich anzusehen. Das andre Fischermädchen dagegen
trug einen so aristokratischen Zug, und ihr Gesicht hatte einen so ausgeprägt
geistigen Charakter, daß man kaum wagen mochte, ihre tiefschwarzen Augen und
die sonstigen Reize ihrer Erscheinung so unbefangen zu prüfen wie bei ihrer
Gefährtin, Es war gar nicht zu begreifen, daß dies eine Fischerin sein sollte,
und wenn der Maler schon bei Betrachtung der Blondine erstaunt gewesen war,
eine so schöne Hautfarbe bei einem Mädchen zu sehen, welches doch seinem
Stande und Berufe nach niedrige Arbeiten versehen und an der Sonne sitzend
Netze flicken mußte, so überzeugte ihn die königliche Gestalt und Haltung der
andern, ihr zarter Teint und die längliche Form ihrer Hände vollends, daß er
hier in einem rätselhaften Abenteuer stehe und daß dies unmöglich Fischermädchen
sein könnten.

Von dieser Beobachtung erfüllt, konnte auch er nicht gleich Worte finden
und stand der Schwarzen einige Sekunden stumm gegenüber, als sie mit An¬
stand und Ton der besten Gesellschaft ihm ihren Dank für seine schnelle Hilfe
aussprach. Es lag eine solche Grazie in ihrer Art und Weise, der stolze Mund
hatte einen so freundlichen Ausdruck dabei, daß die kleine Danksagung einen un¬
widerstehlich gewinnenden Eindruck machte.

Auch die Blondine hatte inzwischen ihre Sprache wiedergefunden und klagte
mit lauten: Schelten und ärgerlichem Lachen über die Frechheit jenes Menschen,
während sie zugleich ihr Kleid zurechtzupfte, welches im Ringkampfe gelitten zu
haben schien.

Beruhige dich nur, Millicent, sagte ihr die Gefährtin mit einem Lächeln,
welches Zeugnis davon gab, daß sie ihrerseits ihren Gleichmut völlig wieder¬
gewonnen hatte, es ist ja noch leidlich abgelaufen.

Du hast gut reden, entgegnete die Blonde, du standest in Sicherheit dabei,
aber mich hat er angepackt, und mit welchen Fäusten!

Es bleibt doch immer ein Kompliment für dich, daß er es gerade ans dich
abgesehen hatte, sagte die andre in schalkhaftem Übermut.

Da können wir uns beide geschmeichelt fühlen, versetzte Millieent. Bei dir
hat er doch wohl das edle Blut durch den wollenen Rock hindurchschimmern
sehen, und die Ehrfurcht hat ihn abgehalten, den Sproß von sechzehn Ahnen
wie eine Viehmagd zu behandeln.

Wir hatten uns einen Scherz ausgedacht, und unsre Verkleidung war dazu
nötig, sagte die schwarzäugige erklärend zu dem Maler, da wollen wir nun
auch die Folgen mit Humor ertragen. Haben Sie nochmals herzlichen Dank,
mein Herr, wir begeben uns jetzt auf den Heimweg.

Wenn Sie gestatten, erwiederte er, so begleite ich Sie. Wir wissen nicht,
ob der freche Bursch nicht wieder umkehrt.

Die Mädchen sahen einander fragend an, und dann erklärte die schwarz¬
äugige, welcher das entscheidende Wort zu gebühren schien, sie würden eine


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[0108] Die Grafen von Altenschwerdt. glänzendes Haar waren lieblich anzusehen. Das andre Fischermädchen dagegen trug einen so aristokratischen Zug, und ihr Gesicht hatte einen so ausgeprägt geistigen Charakter, daß man kaum wagen mochte, ihre tiefschwarzen Augen und die sonstigen Reize ihrer Erscheinung so unbefangen zu prüfen wie bei ihrer Gefährtin, Es war gar nicht zu begreifen, daß dies eine Fischerin sein sollte, und wenn der Maler schon bei Betrachtung der Blondine erstaunt gewesen war, eine so schöne Hautfarbe bei einem Mädchen zu sehen, welches doch seinem Stande und Berufe nach niedrige Arbeiten versehen und an der Sonne sitzend Netze flicken mußte, so überzeugte ihn die königliche Gestalt und Haltung der andern, ihr zarter Teint und die längliche Form ihrer Hände vollends, daß er hier in einem rätselhaften Abenteuer stehe und daß dies unmöglich Fischermädchen sein könnten. Von dieser Beobachtung erfüllt, konnte auch er nicht gleich Worte finden und stand der Schwarzen einige Sekunden stumm gegenüber, als sie mit An¬ stand und Ton der besten Gesellschaft ihm ihren Dank für seine schnelle Hilfe aussprach. Es lag eine solche Grazie in ihrer Art und Weise, der stolze Mund hatte einen so freundlichen Ausdruck dabei, daß die kleine Danksagung einen un¬ widerstehlich gewinnenden Eindruck machte. Auch die Blondine hatte inzwischen ihre Sprache wiedergefunden und klagte mit lauten: Schelten und ärgerlichem Lachen über die Frechheit jenes Menschen, während sie zugleich ihr Kleid zurechtzupfte, welches im Ringkampfe gelitten zu haben schien. Beruhige dich nur, Millicent, sagte ihr die Gefährtin mit einem Lächeln, welches Zeugnis davon gab, daß sie ihrerseits ihren Gleichmut völlig wieder¬ gewonnen hatte, es ist ja noch leidlich abgelaufen. Du hast gut reden, entgegnete die Blonde, du standest in Sicherheit dabei, aber mich hat er angepackt, und mit welchen Fäusten! Es bleibt doch immer ein Kompliment für dich, daß er es gerade ans dich abgesehen hatte, sagte die andre in schalkhaftem Übermut. Da können wir uns beide geschmeichelt fühlen, versetzte Millieent. Bei dir hat er doch wohl das edle Blut durch den wollenen Rock hindurchschimmern sehen, und die Ehrfurcht hat ihn abgehalten, den Sproß von sechzehn Ahnen wie eine Viehmagd zu behandeln. Wir hatten uns einen Scherz ausgedacht, und unsre Verkleidung war dazu nötig, sagte die schwarzäugige erklärend zu dem Maler, da wollen wir nun auch die Folgen mit Humor ertragen. Haben Sie nochmals herzlichen Dank, mein Herr, wir begeben uns jetzt auf den Heimweg. Wenn Sie gestatten, erwiederte er, so begleite ich Sie. Wir wissen nicht, ob der freche Bursch nicht wieder umkehrt. Die Mädchen sahen einander fragend an, und dann erklärte die schwarz¬ äugige, welcher das entscheidende Wort zu gebühren schien, sie würden eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/108>, abgerufen am 03.07.2024.