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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt
Roman von August Niemann (Fvrtschung.)
Drittes Rapitel.

cum der fremde Maler im frischen Hering nicht lebhaft und
munter wurde, so war es nicht die Schuld der Frau Zey-
sing, Sie gab sich alle mögliche Mühe mit ihm, machte ihn
auf die Vergnügungen aufmerksam, welche Scholldorf nebst
Umgegend böten, wollte ihn im Kegelklub einführen, der die
Honoratioren in sich vereinigte, den Pfarrer, den Apotheker, den Küster, den
Materialwaarenhändler und andre an der Spitze der öffentlichen Angelegen¬
heiten stehende Notabilitäten, wollte ihn sogar nach Fischbeck fahren lassen, ob¬
wohl dieser Ort ihr ein Pfahl im Fleische war, nur um ihn zu amüsiren. Aber
sie machte mit ihm eine ahnliche Erfahrung wie Madame de Pompadour mit
dem schönen und majestätischen Ludwig XV: er erwies sich als "unamüsirbar,"
Er ging zwar freundlich, aber gelassen seines stillen Weges. Er verschmähte den
Kegelklub und den Frühschoppen der Honoratioren, ging weder nach Fischbeck
noch zu dem berühmten Scholldorfer Tempel, einem Kaffeehause auf halbem Wege
uach Fischbeck, wo jeden Sonntag Nachmittag eine Musikbande vor ausgewählter
Zuhörerschaft aus der ganzen Nachbarschaft konzertirte.

Er strich im Wald und an der Küste hin mit seinem Skizzenbuche und,
die Wahrheit zu gestehen, er lag gar manche Stunde, welche ein fleißiger Künstler
mit Nutzen für seine Schöpfungen verbracht haben würde, unter einem Baume
und starrte mit melancholischen Augen an den Himmel und auf das Meer,
wanderte auch gar oft stundenlang dahin, ohne sich im mindesten um die Punkte
zu bekümmern, von denen ans er eine günstige Zusammenstellung von grauen
Stämmen und sonnigem Grün oder von weißen Felsen und blauen Fluten hätte
studiren können.




Die Grafen von Altenschwerdt
Roman von August Niemann (Fvrtschung.)
Drittes Rapitel.

cum der fremde Maler im frischen Hering nicht lebhaft und
munter wurde, so war es nicht die Schuld der Frau Zey-
sing, Sie gab sich alle mögliche Mühe mit ihm, machte ihn
auf die Vergnügungen aufmerksam, welche Scholldorf nebst
Umgegend böten, wollte ihn im Kegelklub einführen, der die
Honoratioren in sich vereinigte, den Pfarrer, den Apotheker, den Küster, den
Materialwaarenhändler und andre an der Spitze der öffentlichen Angelegen¬
heiten stehende Notabilitäten, wollte ihn sogar nach Fischbeck fahren lassen, ob¬
wohl dieser Ort ihr ein Pfahl im Fleische war, nur um ihn zu amüsiren. Aber
sie machte mit ihm eine ahnliche Erfahrung wie Madame de Pompadour mit
dem schönen und majestätischen Ludwig XV: er erwies sich als „unamüsirbar,"
Er ging zwar freundlich, aber gelassen seines stillen Weges. Er verschmähte den
Kegelklub und den Frühschoppen der Honoratioren, ging weder nach Fischbeck
noch zu dem berühmten Scholldorfer Tempel, einem Kaffeehause auf halbem Wege
uach Fischbeck, wo jeden Sonntag Nachmittag eine Musikbande vor ausgewählter
Zuhörerschaft aus der ganzen Nachbarschaft konzertirte.

Er strich im Wald und an der Küste hin mit seinem Skizzenbuche und,
die Wahrheit zu gestehen, er lag gar manche Stunde, welche ein fleißiger Künstler
mit Nutzen für seine Schöpfungen verbracht haben würde, unter einem Baume
und starrte mit melancholischen Augen an den Himmel und auf das Meer,
wanderte auch gar oft stundenlang dahin, ohne sich im mindesten um die Punkte
zu bekümmern, von denen ans er eine günstige Zusammenstellung von grauen
Stämmen und sonnigem Grün oder von weißen Felsen und blauen Fluten hätte
studiren können.


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[0106] [Abbildung] Die Grafen von Altenschwerdt Roman von August Niemann (Fvrtschung.) Drittes Rapitel. cum der fremde Maler im frischen Hering nicht lebhaft und munter wurde, so war es nicht die Schuld der Frau Zey- sing, Sie gab sich alle mögliche Mühe mit ihm, machte ihn auf die Vergnügungen aufmerksam, welche Scholldorf nebst Umgegend böten, wollte ihn im Kegelklub einführen, der die Honoratioren in sich vereinigte, den Pfarrer, den Apotheker, den Küster, den Materialwaarenhändler und andre an der Spitze der öffentlichen Angelegen¬ heiten stehende Notabilitäten, wollte ihn sogar nach Fischbeck fahren lassen, ob¬ wohl dieser Ort ihr ein Pfahl im Fleische war, nur um ihn zu amüsiren. Aber sie machte mit ihm eine ahnliche Erfahrung wie Madame de Pompadour mit dem schönen und majestätischen Ludwig XV: er erwies sich als „unamüsirbar," Er ging zwar freundlich, aber gelassen seines stillen Weges. Er verschmähte den Kegelklub und den Frühschoppen der Honoratioren, ging weder nach Fischbeck noch zu dem berühmten Scholldorfer Tempel, einem Kaffeehause auf halbem Wege uach Fischbeck, wo jeden Sonntag Nachmittag eine Musikbande vor ausgewählter Zuhörerschaft aus der ganzen Nachbarschaft konzertirte. Er strich im Wald und an der Küste hin mit seinem Skizzenbuche und, die Wahrheit zu gestehen, er lag gar manche Stunde, welche ein fleißiger Künstler mit Nutzen für seine Schöpfungen verbracht haben würde, unter einem Baume und starrte mit melancholischen Augen an den Himmel und auf das Meer, wanderte auch gar oft stundenlang dahin, ohne sich im mindesten um die Punkte zu bekümmern, von denen ans er eine günstige Zusammenstellung von grauen Stämmen und sonnigem Grün oder von weißen Felsen und blauen Fluten hätte studiren können.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/106>, abgerufen am 03.07.2024.