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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Bakchen und Thyrsostrciger.

Dr. Stcchlhardt war inzwischen wieder ernst geworden, nickte ihr freundlich
zu, antwortete aber nicht.

Die Dame zog einen der einfachen Rohrstühle, die in dem dürftig möblirteu
Gemache standen, neben den polirten, ungcpolsterten Arbeitssessel des Gelehrten,
legte ihre wvhlgepflegte, volle Hand auf seine Schulter und wiederholte in ein¬
schmeichelnden Tone ihre Frage.

Ach, sagte er, mir fiel da etwas ein.

Dir fiel etwas ein? fragte sie. Willst du mir nicht sagen, was?

Er antwortete mit einem leichten Brummen, das in milder Form ausdrücken
sollte, er wolle unbehelligt sein.

Sag es nur doch, wiederholte sie noch einmal, sag mir doch, warum du
lachtest, damit ich auch lachen kann.

Wenn ich dächte, daß du auch darüber lachen würdest, hätte ich es dir
schon gesagt, erwiederte er.

Ein Blitz des Aergers zuckte ans ihren dunkelblauen Augen hervor, und
die schmalen, roten Lippen verzogen sich.

Ich verstehe überhaupt uicht, sagte sie, wie ein vernünftiger Mensch für
sich allein lachen kann.

Der Gelehrte stieß ein schwaches Grunzen aus.

Ich bin wirklich der Fröhlichkeit nicht abgeneigt, fuhr sie fort, während
ehre Wangen sich mit lebhafterem Rot färbten; ich verstehe auch einen Witz
sehr gut, obgleich du das zu bezweifeln scheinst. Ich glaube sogar, daß ich
öfter lache als du. Aber wie man lachen kann, wenn man allein ist, das ist
"ur unfaßbar.

Daran eben kannst du schon erkennen, liebe Clara, daß wir beiden über
ganz verschiedene Dinge lachen.

Nicht wahr, sagte sie rasch, du über ungeheuer tiefe Dinge, ich über Fri¬
volitäten.

Nun, nun, sagte er.

O, wenn dn es mir nicht sagen willst, so weiß ich es schon: du hast über
much gelacht.

Bah!

Ich kenne dies Lachen, es hat etwas beleidigendes für mich. Du lachst
stets über mich. Aber ich bitte mir wenigstens aus, daß du mir Rede stehst.

Mein liebes Kind, sagte der Gelehrte, indem er sich erhob und nach seinem
)nee griff, es ist heute ausnahmsweise so schönes Wetter, daß ich gern noch
eme kleine Promenade machte, um mich des frischen Grüns zu erfreuen.

Die Röte auf deu von Leidenschaft erregten Zügen der schönen Frau machte
"ner Plötzlichen Blässe Platz. Sie kämpfte ihre Bewegung nieder und sagte nach
einer Pause mit ruhiger Stimme: Bitte, geh nicht sort, Ephraim, das kann ich
"ehe ertragen.


Bakchen und Thyrsostrciger.

Dr. Stcchlhardt war inzwischen wieder ernst geworden, nickte ihr freundlich
zu, antwortete aber nicht.

Die Dame zog einen der einfachen Rohrstühle, die in dem dürftig möblirteu
Gemache standen, neben den polirten, ungcpolsterten Arbeitssessel des Gelehrten,
legte ihre wvhlgepflegte, volle Hand auf seine Schulter und wiederholte in ein¬
schmeichelnden Tone ihre Frage.

Ach, sagte er, mir fiel da etwas ein.

Dir fiel etwas ein? fragte sie. Willst du mir nicht sagen, was?

Er antwortete mit einem leichten Brummen, das in milder Form ausdrücken
sollte, er wolle unbehelligt sein.

Sag es nur doch, wiederholte sie noch einmal, sag mir doch, warum du
lachtest, damit ich auch lachen kann.

Wenn ich dächte, daß du auch darüber lachen würdest, hätte ich es dir
schon gesagt, erwiederte er.

Ein Blitz des Aergers zuckte ans ihren dunkelblauen Augen hervor, und
die schmalen, roten Lippen verzogen sich.

Ich verstehe überhaupt uicht, sagte sie, wie ein vernünftiger Mensch für
sich allein lachen kann.

Der Gelehrte stieß ein schwaches Grunzen aus.

Ich bin wirklich der Fröhlichkeit nicht abgeneigt, fuhr sie fort, während
ehre Wangen sich mit lebhafterem Rot färbten; ich verstehe auch einen Witz
sehr gut, obgleich du das zu bezweifeln scheinst. Ich glaube sogar, daß ich
öfter lache als du. Aber wie man lachen kann, wenn man allein ist, das ist
"ur unfaßbar.

Daran eben kannst du schon erkennen, liebe Clara, daß wir beiden über
ganz verschiedene Dinge lachen.

Nicht wahr, sagte sie rasch, du über ungeheuer tiefe Dinge, ich über Fri¬
volitäten.

Nun, nun, sagte er.

O, wenn dn es mir nicht sagen willst, so weiß ich es schon: du hast über
much gelacht.

Bah!

Ich kenne dies Lachen, es hat etwas beleidigendes für mich. Du lachst
stets über mich. Aber ich bitte mir wenigstens aus, daß du mir Rede stehst.

Mein liebes Kind, sagte der Gelehrte, indem er sich erhob und nach seinem
)nee griff, es ist heute ausnahmsweise so schönes Wetter, daß ich gern noch
eme kleine Promenade machte, um mich des frischen Grüns zu erfreuen.

Die Röte auf deu von Leidenschaft erregten Zügen der schönen Frau machte
"ner Plötzlichen Blässe Platz. Sie kämpfte ihre Bewegung nieder und sagte nach
einer Pause mit ruhiger Stimme: Bitte, geh nicht sort, Ephraim, das kann ich
"ehe ertragen.


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[0051] Bakchen und Thyrsostrciger. Dr. Stcchlhardt war inzwischen wieder ernst geworden, nickte ihr freundlich zu, antwortete aber nicht. Die Dame zog einen der einfachen Rohrstühle, die in dem dürftig möblirteu Gemache standen, neben den polirten, ungcpolsterten Arbeitssessel des Gelehrten, legte ihre wvhlgepflegte, volle Hand auf seine Schulter und wiederholte in ein¬ schmeichelnden Tone ihre Frage. Ach, sagte er, mir fiel da etwas ein. Dir fiel etwas ein? fragte sie. Willst du mir nicht sagen, was? Er antwortete mit einem leichten Brummen, das in milder Form ausdrücken sollte, er wolle unbehelligt sein. Sag es nur doch, wiederholte sie noch einmal, sag mir doch, warum du lachtest, damit ich auch lachen kann. Wenn ich dächte, daß du auch darüber lachen würdest, hätte ich es dir schon gesagt, erwiederte er. Ein Blitz des Aergers zuckte ans ihren dunkelblauen Augen hervor, und die schmalen, roten Lippen verzogen sich. Ich verstehe überhaupt uicht, sagte sie, wie ein vernünftiger Mensch für sich allein lachen kann. Der Gelehrte stieß ein schwaches Grunzen aus. Ich bin wirklich der Fröhlichkeit nicht abgeneigt, fuhr sie fort, während ehre Wangen sich mit lebhafterem Rot färbten; ich verstehe auch einen Witz sehr gut, obgleich du das zu bezweifeln scheinst. Ich glaube sogar, daß ich öfter lache als du. Aber wie man lachen kann, wenn man allein ist, das ist "ur unfaßbar. Daran eben kannst du schon erkennen, liebe Clara, daß wir beiden über ganz verschiedene Dinge lachen. Nicht wahr, sagte sie rasch, du über ungeheuer tiefe Dinge, ich über Fri¬ volitäten. Nun, nun, sagte er. O, wenn dn es mir nicht sagen willst, so weiß ich es schon: du hast über much gelacht. Bah! Ich kenne dies Lachen, es hat etwas beleidigendes für mich. Du lachst stets über mich. Aber ich bitte mir wenigstens aus, daß du mir Rede stehst. Mein liebes Kind, sagte der Gelehrte, indem er sich erhob und nach seinem )nee griff, es ist heute ausnahmsweise so schönes Wetter, daß ich gern noch eme kleine Promenade machte, um mich des frischen Grüns zu erfreuen. Die Röte auf deu von Leidenschaft erregten Zügen der schönen Frau machte "ner Plötzlichen Blässe Platz. Sie kämpfte ihre Bewegung nieder und sagte nach einer Pause mit ruhiger Stimme: Bitte, geh nicht sort, Ephraim, das kann ich "ehe ertragen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/51>, abgerufen am 01.07.2024.