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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Die No^al (Fvagru^Iüv^I Lnviuh' und die deutschen geographischen Gesellschaften.

des geistigen und materiellen Lebens einer Nation ist. Anders in Deutschland; hier
sind eine Anzahl zum Teil bedeutender Gesellschaften dem Bedürfnisse cntgegengen-
kommcn; hier haben eine große Anzahl von Universitäten und höheren Bildungs-
anstalten, über ganz Deutschland verbreitet, verschiedene Konzentrationspunkte
des geistigen Lebens geschaffen, welche ohne Schädigung der Wissenschaft und
des allgemeinen Wohles nicht unberücksichtigt bleiben können. Ferner ist Berlin
zwar Reichshauptstadt, auch Mittelpunkt für manche Zweige des geistigen und
materiellen Lebens und bietet den Vorzug einer Verbindung mit den leitenden
Kräfte" der Neichsregierung; es liegt aber nicht in der Mitte Deutschlands und
ist nicht als ein Mittelpunkt des gesammten geographischen Lebens anzusehen.
Am entscheidensten aber ist, daß Berlin weit von der See liegt, dem Seeverkehr
fern steht und so die geographische Gesellschaft die direkte Berührung mit den¬
jenigen Leuten und Ämtern entbehren müßte, welche die geographische Wissen¬
schaft vorzugsweise praktisch zu verwerten und wiederum mit ihren praktische"
Erfahrungen zu beleben haben. Diese Umstände sind umsomehr zu beklagen,
als gerade die deutsche Neichsregierung bisher der Geographie die wünschens¬
werteste Unterstützung hat zu teil werde" lassen und eine Fortdauer der letzteren
bei einem Verkehr der Gesellschaftsorgane mit der Regierung wohl zu hoffen wäre.

Den erwähnten Meinungsverschiedenheiten der Kommission wollte nun ein
von Dr. Marthe verfaßter Statutenentwurf allseitig Rechnung tragen, welcher
lediglich eine äußere Verbindung der einzelne" Vereine, gegenseitigen Austausch
der wissenschaftliche" Publikationen und Wanderversammlnngen feststellte, ohne
Geldbeiträge zu fordern oder Neiseuutcrstützung in Aussicht zu nehmen. Hier¬
mit würde aber gerade eines der wesentlichsten Ziele, welches zu erreichen die
deutsche Gesellschaft bestimmt sein müßte, außer Betracht geblieben sein.

Hervorzuheben sind von den Verhandlungen jener Kommission noch die in
einer längern Denkschrift enthaltenen Ausführungen des Professors Zöppritz über
die Ziele, denen man bei der Gründung der deutschen Gesellschaft zustrebe: das
praktische Ziel, bestehend in Beschaffung von Geld zur Unterstützung geographischer
Unternehmungen, und das akademische Ziel, bestehend in gegenseitiger wissen¬
schaftlicher Belehrung und Förderung. Das praktische Ziel sei mancher Umstünde
wegen, insbesondre mit Rücksicht auf das zur Zeit unthunliche Aufgehen der
eben erst begründeten Afrikanischen Gesellschaft in die Deutsche geographische
Gesellschaft gegenwärtig nicht wohl erreichbar, und es empfehle sich daher für
jetzt bei den Vereinigungsbestrebungen das akademische Ziel allein zu verfolgen
und zunächst Jahresversammlungen anzustreben; sei erst eine Einigung, wenn
auch in lockerem Bande, hergestellt, so würden fernere Schritte zur Ausdehnung
der Gesellschaftsthätigkeit auf praktische Ziele wahrscheinlich aus ihrem Schooße
heraus mit mehr Aussicht auf Verwirklichung geschehen können.")



*) Vgl. Pctermcums Mitteilungen, 1S80, S. 253, we> sich ein ausführliches Referat
über die Verhandlungen befindet.
Die No^al (Fvagru^Iüv^I Lnviuh' und die deutschen geographischen Gesellschaften.

des geistigen und materiellen Lebens einer Nation ist. Anders in Deutschland; hier
sind eine Anzahl zum Teil bedeutender Gesellschaften dem Bedürfnisse cntgegengen-
kommcn; hier haben eine große Anzahl von Universitäten und höheren Bildungs-
anstalten, über ganz Deutschland verbreitet, verschiedene Konzentrationspunkte
des geistigen Lebens geschaffen, welche ohne Schädigung der Wissenschaft und
des allgemeinen Wohles nicht unberücksichtigt bleiben können. Ferner ist Berlin
zwar Reichshauptstadt, auch Mittelpunkt für manche Zweige des geistigen und
materiellen Lebens und bietet den Vorzug einer Verbindung mit den leitenden
Kräfte» der Neichsregierung; es liegt aber nicht in der Mitte Deutschlands und
ist nicht als ein Mittelpunkt des gesammten geographischen Lebens anzusehen.
Am entscheidensten aber ist, daß Berlin weit von der See liegt, dem Seeverkehr
fern steht und so die geographische Gesellschaft die direkte Berührung mit den¬
jenigen Leuten und Ämtern entbehren müßte, welche die geographische Wissen¬
schaft vorzugsweise praktisch zu verwerten und wiederum mit ihren praktische»
Erfahrungen zu beleben haben. Diese Umstände sind umsomehr zu beklagen,
als gerade die deutsche Neichsregierung bisher der Geographie die wünschens¬
werteste Unterstützung hat zu teil werde» lassen und eine Fortdauer der letzteren
bei einem Verkehr der Gesellschaftsorgane mit der Regierung wohl zu hoffen wäre.

Den erwähnten Meinungsverschiedenheiten der Kommission wollte nun ein
von Dr. Marthe verfaßter Statutenentwurf allseitig Rechnung tragen, welcher
lediglich eine äußere Verbindung der einzelne» Vereine, gegenseitigen Austausch
der wissenschaftliche» Publikationen und Wanderversammlnngen feststellte, ohne
Geldbeiträge zu fordern oder Neiseuutcrstützung in Aussicht zu nehmen. Hier¬
mit würde aber gerade eines der wesentlichsten Ziele, welches zu erreichen die
deutsche Gesellschaft bestimmt sein müßte, außer Betracht geblieben sein.

Hervorzuheben sind von den Verhandlungen jener Kommission noch die in
einer längern Denkschrift enthaltenen Ausführungen des Professors Zöppritz über
die Ziele, denen man bei der Gründung der deutschen Gesellschaft zustrebe: das
praktische Ziel, bestehend in Beschaffung von Geld zur Unterstützung geographischer
Unternehmungen, und das akademische Ziel, bestehend in gegenseitiger wissen¬
schaftlicher Belehrung und Förderung. Das praktische Ziel sei mancher Umstünde
wegen, insbesondre mit Rücksicht auf das zur Zeit unthunliche Aufgehen der
eben erst begründeten Afrikanischen Gesellschaft in die Deutsche geographische
Gesellschaft gegenwärtig nicht wohl erreichbar, und es empfehle sich daher für
jetzt bei den Vereinigungsbestrebungen das akademische Ziel allein zu verfolgen
und zunächst Jahresversammlungen anzustreben; sei erst eine Einigung, wenn
auch in lockerem Bande, hergestellt, so würden fernere Schritte zur Ausdehnung
der Gesellschaftsthätigkeit auf praktische Ziele wahrscheinlich aus ihrem Schooße
heraus mit mehr Aussicht auf Verwirklichung geschehen können.")



*) Vgl. Pctermcums Mitteilungen, 1S80, S. 253, we> sich ein ausführliches Referat
über die Verhandlungen befindet.
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[0232] Die No^al (Fvagru^Iüv^I Lnviuh' und die deutschen geographischen Gesellschaften. des geistigen und materiellen Lebens einer Nation ist. Anders in Deutschland; hier sind eine Anzahl zum Teil bedeutender Gesellschaften dem Bedürfnisse cntgegengen- kommcn; hier haben eine große Anzahl von Universitäten und höheren Bildungs- anstalten, über ganz Deutschland verbreitet, verschiedene Konzentrationspunkte des geistigen Lebens geschaffen, welche ohne Schädigung der Wissenschaft und des allgemeinen Wohles nicht unberücksichtigt bleiben können. Ferner ist Berlin zwar Reichshauptstadt, auch Mittelpunkt für manche Zweige des geistigen und materiellen Lebens und bietet den Vorzug einer Verbindung mit den leitenden Kräfte» der Neichsregierung; es liegt aber nicht in der Mitte Deutschlands und ist nicht als ein Mittelpunkt des gesammten geographischen Lebens anzusehen. Am entscheidensten aber ist, daß Berlin weit von der See liegt, dem Seeverkehr fern steht und so die geographische Gesellschaft die direkte Berührung mit den¬ jenigen Leuten und Ämtern entbehren müßte, welche die geographische Wissen¬ schaft vorzugsweise praktisch zu verwerten und wiederum mit ihren praktische» Erfahrungen zu beleben haben. Diese Umstände sind umsomehr zu beklagen, als gerade die deutsche Neichsregierung bisher der Geographie die wünschens¬ werteste Unterstützung hat zu teil werde» lassen und eine Fortdauer der letzteren bei einem Verkehr der Gesellschaftsorgane mit der Regierung wohl zu hoffen wäre. Den erwähnten Meinungsverschiedenheiten der Kommission wollte nun ein von Dr. Marthe verfaßter Statutenentwurf allseitig Rechnung tragen, welcher lediglich eine äußere Verbindung der einzelne» Vereine, gegenseitigen Austausch der wissenschaftliche» Publikationen und Wanderversammlnngen feststellte, ohne Geldbeiträge zu fordern oder Neiseuutcrstützung in Aussicht zu nehmen. Hier¬ mit würde aber gerade eines der wesentlichsten Ziele, welches zu erreichen die deutsche Gesellschaft bestimmt sein müßte, außer Betracht geblieben sein. Hervorzuheben sind von den Verhandlungen jener Kommission noch die in einer längern Denkschrift enthaltenen Ausführungen des Professors Zöppritz über die Ziele, denen man bei der Gründung der deutschen Gesellschaft zustrebe: das praktische Ziel, bestehend in Beschaffung von Geld zur Unterstützung geographischer Unternehmungen, und das akademische Ziel, bestehend in gegenseitiger wissen¬ schaftlicher Belehrung und Förderung. Das praktische Ziel sei mancher Umstünde wegen, insbesondre mit Rücksicht auf das zur Zeit unthunliche Aufgehen der eben erst begründeten Afrikanischen Gesellschaft in die Deutsche geographische Gesellschaft gegenwärtig nicht wohl erreichbar, und es empfehle sich daher für jetzt bei den Vereinigungsbestrebungen das akademische Ziel allein zu verfolgen und zunächst Jahresversammlungen anzustreben; sei erst eine Einigung, wenn auch in lockerem Bande, hergestellt, so würden fernere Schritte zur Ausdehnung der Gesellschaftsthätigkeit auf praktische Ziele wahrscheinlich aus ihrem Schooße heraus mit mehr Aussicht auf Verwirklichung geschehen können.") *) Vgl. Pctermcums Mitteilungen, 1S80, S. 253, we> sich ein ausführliches Referat über die Verhandlungen befindet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/232>, abgerufen am 03.07.2024.