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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Aktionäre werden nicht Geld genug aufbringen, hatte List behauptet. In der
That traf dies ein. Die sächsische Negierung mußte sich 1847 des Unter¬
nehmens annehmen und die Bahn fertig bauen. Später wird es eine höchst
rentable Bahn werden, hatte List gesagt. Auch das ist sie geworden.

Als List sah, daß er in Thüringen selbst vorläufig nicht mehr dringend
nötig sei, machte er sich auf den Weg nach Berlin Er kam von Gotha, und
in Weimar erfuhr er bereits, daß von Berlin eine äußerst entgegenkommende
Erklärung eingelaufen sei, daß der Minister vou Nagler seinen Widerstand auf¬
gegeben habe und namentlich der Finanzminister von Alvensleben durch Lifts
überzeugende Gründe für die Thüringer Linie gewonnen sei. Er wandte sich
deshalb nach Leipzig, um über den Stand des sächsischen Projekts genaueres zu
erfahren, und von da nach Nürnberg und Augsburg, um das dortige Eisen-
bahnkomitee für einen Anschluß der bairischen Linien an die Thüringer Central¬
bahn anzufeuern. Hier war jedoch nicht viel Mut mehr vorhanden. Die bairische
Regierung schickte sich bereits an, in das feste System der Staatsbahn ein¬
zulenken.

So schürte List das Feuer von neuem in Thüringen. Er wies immer wieder
darauf hin, daß man mit den angrenzenden Staaten in Verhandlung treten
müsse, um von vornherein die Fortsetzung der Bahn nach Süden, Norden und
Westen zu sichern, und gab unzweideutig zu verstehen, daß er der Mann sei,
der diese Verhandlungen zu leiten wisse. Allein die Staatsbeamten glaubten
nun selber hinlängliche Erfahrung erlangt zu haben. Außer Stein meinten
alle, es heiße, sich etwas vergeben, wenn man sich von List Rath erhole. List
hatte fest gehofft, von den Thüringischen Staaten mit irgend welchen Funktionen
in der Eisenbahnaugclegenheit offiziell betraut zu werden. Die herzliche Aufnahme,
die er überall und auch an den Höfen gefunden, hatte ihn in diesem Glauben
bestärkt. Er hatte seine Familie schon nach Weimar übergesiedelt in dem Ge¬
danken, von hier aus als Konsulent des thüringischen Eiscnbnhnvereins einige
Jahre für ein großes deutsches Eisenbahnsystem wirken zu können. Bald sollte
er einsehen, daß dies eine Tänschung war.

Aber wenn die Regierungen auch seinen sehnlichsten Wunsch nicht erfüllten,
so versagten sie ihm doch für die geleisteten Dienste keineswegs die Anerkennung,
wie es früher in Leipzig vielfach der Fall gewesen war. Oftmals wurde ihm
versichert, daß man ihm die Rettung der drei Herzogtümer zu verdanken habe.
Als der Handelsstand von Gotha dem Herzog für seine eifrige persönliche Be¬
treibung der Eisenbahnsache durch eine Deputation seinen Dank darbringen ließ,
antwortete dieser, deu Dank ablehnend: "Meine Herren, wenn wir alle in dieser
Sache klar sehen, so haben wir es einem Manne zu verdanken; dies ist der
Herr Konsul List, der früher für sein patriotisches Wirken mit Undank belohnt
worden ist und dadurch gleichwohl nicht abgeschreckt zu uns kam und uns seine
Zeit und Kräfte widmete, um uns über unsre Interessen aufzuklären." Als


Aktionäre werden nicht Geld genug aufbringen, hatte List behauptet. In der
That traf dies ein. Die sächsische Negierung mußte sich 1847 des Unter¬
nehmens annehmen und die Bahn fertig bauen. Später wird es eine höchst
rentable Bahn werden, hatte List gesagt. Auch das ist sie geworden.

Als List sah, daß er in Thüringen selbst vorläufig nicht mehr dringend
nötig sei, machte er sich auf den Weg nach Berlin Er kam von Gotha, und
in Weimar erfuhr er bereits, daß von Berlin eine äußerst entgegenkommende
Erklärung eingelaufen sei, daß der Minister vou Nagler seinen Widerstand auf¬
gegeben habe und namentlich der Finanzminister von Alvensleben durch Lifts
überzeugende Gründe für die Thüringer Linie gewonnen sei. Er wandte sich
deshalb nach Leipzig, um über den Stand des sächsischen Projekts genaueres zu
erfahren, und von da nach Nürnberg und Augsburg, um das dortige Eisen-
bahnkomitee für einen Anschluß der bairischen Linien an die Thüringer Central¬
bahn anzufeuern. Hier war jedoch nicht viel Mut mehr vorhanden. Die bairische
Regierung schickte sich bereits an, in das feste System der Staatsbahn ein¬
zulenken.

So schürte List das Feuer von neuem in Thüringen. Er wies immer wieder
darauf hin, daß man mit den angrenzenden Staaten in Verhandlung treten
müsse, um von vornherein die Fortsetzung der Bahn nach Süden, Norden und
Westen zu sichern, und gab unzweideutig zu verstehen, daß er der Mann sei,
der diese Verhandlungen zu leiten wisse. Allein die Staatsbeamten glaubten
nun selber hinlängliche Erfahrung erlangt zu haben. Außer Stein meinten
alle, es heiße, sich etwas vergeben, wenn man sich von List Rath erhole. List
hatte fest gehofft, von den Thüringischen Staaten mit irgend welchen Funktionen
in der Eisenbahnaugclegenheit offiziell betraut zu werden. Die herzliche Aufnahme,
die er überall und auch an den Höfen gefunden, hatte ihn in diesem Glauben
bestärkt. Er hatte seine Familie schon nach Weimar übergesiedelt in dem Ge¬
danken, von hier aus als Konsulent des thüringischen Eiscnbnhnvereins einige
Jahre für ein großes deutsches Eisenbahnsystem wirken zu können. Bald sollte
er einsehen, daß dies eine Tänschung war.

Aber wenn die Regierungen auch seinen sehnlichsten Wunsch nicht erfüllten,
so versagten sie ihm doch für die geleisteten Dienste keineswegs die Anerkennung,
wie es früher in Leipzig vielfach der Fall gewesen war. Oftmals wurde ihm
versichert, daß man ihm die Rettung der drei Herzogtümer zu verdanken habe.
Als der Handelsstand von Gotha dem Herzog für seine eifrige persönliche Be¬
treibung der Eisenbahnsache durch eine Deputation seinen Dank darbringen ließ,
antwortete dieser, deu Dank ablehnend: „Meine Herren, wenn wir alle in dieser
Sache klar sehen, so haben wir es einem Manne zu verdanken; dies ist der
Herr Konsul List, der früher für sein patriotisches Wirken mit Undank belohnt
worden ist und dadurch gleichwohl nicht abgeschreckt zu uns kam und uns seine
Zeit und Kräfte widmete, um uns über unsre Interessen aufzuklären." Als


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/178>, abgerufen am 03.07.2024.