Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.Panislamismns. hin gebot, nach Möglichkeit wieder herzustellen -- ein Bestreben, das sich in Es ist zuviel behauptet, wenn ein englisches Blatt vor einigen Wochen Was in der letzten Hälfte des verflossenen Jahres vorging, deutet die Mög¬ Panislamismns. hin gebot, nach Möglichkeit wieder herzustellen — ein Bestreben, das sich in Es ist zuviel behauptet, wenn ein englisches Blatt vor einigen Wochen Was in der letzten Hälfte des verflossenen Jahres vorging, deutet die Mög¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0114" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86235"/> <fw type="header" place="top"> Panislamismns.</fw><lb/> <p xml:id="ID_442" prev="#ID_441"> hin gebot, nach Möglichkeit wieder herzustellen — ein Bestreben, das sich in<lb/> der letzten Zeit den eingetretenen Verhältnissen gemäß mehr gegen Frankreich<lb/> als gegen eine andre europäische Macht richtete.</p><lb/> <p xml:id="ID_443"> Es ist zuviel behauptet, wenn ein englisches Blatt vor einigen Wochen<lb/> sagte, die Schlüssel der Politik der Zukunft lägen in Paris und in Konstantinopel.<lb/> Richtig ist hiervon zunächst nur, daß die Absicht der türkischem Politik, ihre Ver¬<lb/> luste im Friede» von Sau Stefano wett zu machen, in Tripolis, in Tunis, in<lb/> Ägypten und Arabien deutlich sichtbar wurde, und daß diese Politik in Ländern<lb/> des fernen Ostens, wo das Ansehen des Padischah früher praktisch fast unbekannt<lb/> war, alte Einflüsse wieder zu gewinnen und neue Macht zu erlangen bemüht war.<lb/> Gleichfalls unverkennbar ist, daß Frankreich von der Betäubung, in die es der<lb/> Ausgang des Kampfes mit Deutschland versetzt hatte, erwacht ist, und daß ein<lb/> starkes Pulsiren an der äußersten Peripherie seiner Machtsphäre bezeugt, wie<lb/> sein Herz von neuem mächtig arbeitet. Die Expedition nach Tunis, neue Rührig¬<lb/> keit in Ägypten, Intriguen in Syrien, Vorbereitungen in Kochiuchiua waren<lb/> Symptome dieses Pulsschlags. Die eine der beiden Mächte wie die andre sucht<lb/> sich in der Richtung auszudehnen, wo sie deu wenigsten Widerstand zu gewär¬<lb/> tigen hat. Die Thätigkeit Frankreichs richtet sich nicht gegen den ehernen Felsen,<lb/> den Bismarck im deutschen Reiche stabilirt hat, die der Pforte nicht gegen den<lb/> gewaltigen russischen Nachbar. Die Lücken, die man auf Seiten der Republik<lb/> und des Sultans zum Eintreiben eines Kens herausgefunden hat oder heraus-<lb/> gefunden zu haben meint, befinden sich auf dem Gebiete bisher wenig beachteter<lb/> Stämme und unbedeutender Staaten. Indes liegt immerhin ein gewisses un¬<lb/> behagliches Gefühl in dem Umstände, daß die beiden auf Ausdehnung ihres Ein¬<lb/> flusses und Besitzes ausgehenden Mächte bei ihrem Tasten nach Anhalt und<lb/> Gelegenheit in Afrika dichter aneinandergeraten und endlich zusammenstoßen<lb/> können.</p><lb/> <p xml:id="ID_444" next="#ID_445"> Was in der letzten Hälfte des verflossenen Jahres vorging, deutet die Mög¬<lb/> lichkeit eines zukünftige» direkteren Autagcmismus a». Frankreich hatte ursprünglich<lb/> kein Interesse, die muslimische Welt vor deu Kopf zu stoßen und sich feindlich<lb/> zu stimme». Da es in Nordafrika mit fanatischen Stämmen zu thun hatte, so<lb/> würde es politisch gewesen sein, den Nachfolger der Kalifen zum Freunde zu<lb/> gewinnen, ctiva wie England sich vor einigen Decennien bemühte, den Papst<lb/> zur Beschwichtigung der irischen Katholiken zu bewegen. Darnach schien man,<lb/> nachdem Waddington mit seinem Enthusiasmus für Griechenland beseitigt war,<lb/> in Paris verfahren zu wollen; denn der Sultan hatte eben keinen Grund, sich<lb/> darüber zu beklagen, daß Barthelemy Se. Hilaire sich für die Abtretung Thes¬<lb/> saliens an Hellas zu sehr ereifert. Die Expedition unes Tunis aber erweckte<lb/> selbstverständlich das Mißtrauen und die Empfindlichkeit der Pforte. Dieselbe<lb/> hatte ihre Oberhoheit über den Bey niemals aufgegeben, und als sie denselben<lb/> jetzt zum Vasallen Frankreichs degradirt sah, begann sie für das benachbarte</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0114]
Panislamismns.
hin gebot, nach Möglichkeit wieder herzustellen — ein Bestreben, das sich in
der letzten Zeit den eingetretenen Verhältnissen gemäß mehr gegen Frankreich
als gegen eine andre europäische Macht richtete.
Es ist zuviel behauptet, wenn ein englisches Blatt vor einigen Wochen
sagte, die Schlüssel der Politik der Zukunft lägen in Paris und in Konstantinopel.
Richtig ist hiervon zunächst nur, daß die Absicht der türkischem Politik, ihre Ver¬
luste im Friede» von Sau Stefano wett zu machen, in Tripolis, in Tunis, in
Ägypten und Arabien deutlich sichtbar wurde, und daß diese Politik in Ländern
des fernen Ostens, wo das Ansehen des Padischah früher praktisch fast unbekannt
war, alte Einflüsse wieder zu gewinnen und neue Macht zu erlangen bemüht war.
Gleichfalls unverkennbar ist, daß Frankreich von der Betäubung, in die es der
Ausgang des Kampfes mit Deutschland versetzt hatte, erwacht ist, und daß ein
starkes Pulsiren an der äußersten Peripherie seiner Machtsphäre bezeugt, wie
sein Herz von neuem mächtig arbeitet. Die Expedition nach Tunis, neue Rührig¬
keit in Ägypten, Intriguen in Syrien, Vorbereitungen in Kochiuchiua waren
Symptome dieses Pulsschlags. Die eine der beiden Mächte wie die andre sucht
sich in der Richtung auszudehnen, wo sie deu wenigsten Widerstand zu gewär¬
tigen hat. Die Thätigkeit Frankreichs richtet sich nicht gegen den ehernen Felsen,
den Bismarck im deutschen Reiche stabilirt hat, die der Pforte nicht gegen den
gewaltigen russischen Nachbar. Die Lücken, die man auf Seiten der Republik
und des Sultans zum Eintreiben eines Kens herausgefunden hat oder heraus-
gefunden zu haben meint, befinden sich auf dem Gebiete bisher wenig beachteter
Stämme und unbedeutender Staaten. Indes liegt immerhin ein gewisses un¬
behagliches Gefühl in dem Umstände, daß die beiden auf Ausdehnung ihres Ein¬
flusses und Besitzes ausgehenden Mächte bei ihrem Tasten nach Anhalt und
Gelegenheit in Afrika dichter aneinandergeraten und endlich zusammenstoßen
können.
Was in der letzten Hälfte des verflossenen Jahres vorging, deutet die Mög¬
lichkeit eines zukünftige» direkteren Autagcmismus a». Frankreich hatte ursprünglich
kein Interesse, die muslimische Welt vor deu Kopf zu stoßen und sich feindlich
zu stimme». Da es in Nordafrika mit fanatischen Stämmen zu thun hatte, so
würde es politisch gewesen sein, den Nachfolger der Kalifen zum Freunde zu
gewinnen, ctiva wie England sich vor einigen Decennien bemühte, den Papst
zur Beschwichtigung der irischen Katholiken zu bewegen. Darnach schien man,
nachdem Waddington mit seinem Enthusiasmus für Griechenland beseitigt war,
in Paris verfahren zu wollen; denn der Sultan hatte eben keinen Grund, sich
darüber zu beklagen, daß Barthelemy Se. Hilaire sich für die Abtretung Thes¬
saliens an Hellas zu sehr ereifert. Die Expedition unes Tunis aber erweckte
selbstverständlich das Mißtrauen und die Empfindlichkeit der Pforte. Dieselbe
hatte ihre Oberhoheit über den Bey niemals aufgegeben, und als sie denselben
jetzt zum Vasallen Frankreichs degradirt sah, begann sie für das benachbarte
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