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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Bakchcni und Thyrsostrc>g>:r.

unter der kühn geschnittenen Adlernase starrte ein Schnurbart mit mächtig langen
Spitzen, und die grauen Angen blitzten mit Schwertesglanz,

Nachdem die beiden Herren in herzlicher Freude über ihr Wiedersehen die
ersten Fragen und Antworten nach ihrem Ergehen ausgetauscht hatten, wie gute
Freunde nach langer Abwesenheit zu thun Pflegen, fragte der Offizier:

Was aber führt dich denn gerade zu dieser Zeit hierher, mein lieber Meriadec?

Der Prinz schwieg einen Augenblick nachdenklich, seufzte und sagte dann:
Das will ich dir in aller Aufrichtigkeit sagen, bester Vetter, ich habe die Ab¬
sicht zu heiraten.

Ah, heiraten! erwiederte der Offizier und zog die Augenbrauen in die Höhe.
Wen denn?

Siehst du, das weiß ich uoch nicht. Mein Entschluß geht nur ins All¬
gemeine. Ich glaube, es ist Zeit für mich, zu heiraten, und ich will es auch,
wenn ich eine standesgemäße Partie finde und die Dame schon, reich nud liebens¬
würdig ist. Was sagst du dazu? Räthe du mir, es zu thun?

Nun, sagte der Kürassier, wenn die Heirat selbst einmal beschlossene Sache ist,
so scheint es mir nur noch darauf anzukommen, die passende Partie zu finden.

Ich möchte es doch eigentlich nicht ohne deinen Rat thun, Victor. Dn
warst immer ein Mann von gutem Rat, und ich lege den größten Wert auf deine
Ansicht.

Nun gut, versetzte Victor, ich will dir gerne mit meinem Rat zur Seite
stehen.

Aber wenn du meinst, sagte der Prinz zögernd, daß ich besser thäte, Jung¬
geselle zu bleiben und meine jetzige Freiheit zu bewahren, so könnte ich das
ebenso gut thun.

Nun, dann heirate nicht! rief der Offizier lachend.

Aber willst dn denn, fragte der Prinz eifrig, daß ich mein Leben lang
allein und vereinsamt zubringen soll? Das ist auf die Dauer und, wenn man
älter wird, doch ein trauriges Loos.

Das ist wahr, entgegnete der Offizier, also heirate.

Mein Bedenken ist nur, sagte der Prinz, daß meine Frau, wie um einmal
der Lauf der Welt jetzt ist, mir untreu werden könnte. Das würde mich höchst
unglücklich machen. Ich kenne zwar manchen Mann in solcher Lage, der eben
nicht trostlos ist, mit dem ich gern umgehe, deu ich schätze und für höchst ehren¬
wert halte, aber selbst ein solcher Mann sein möchte ich nicht. Lieber tot.

Dann ist es besser, dn heiratest nicht, entgegnete der Kürassier, die Spitzen
seines Schnurrbarts drehend, denn was du andern gethan hast, das wird man
dir wieder thun. Das pflegt so Regel zu sein.

Du meinst?

Gewiß. Es heißt in der heiligen Schrift: Mit welchem Maß ihr messet,
wird euch wieder gemessen werden.


Bakchcni und Thyrsostrc>g>:r.

unter der kühn geschnittenen Adlernase starrte ein Schnurbart mit mächtig langen
Spitzen, und die grauen Angen blitzten mit Schwertesglanz,

Nachdem die beiden Herren in herzlicher Freude über ihr Wiedersehen die
ersten Fragen und Antworten nach ihrem Ergehen ausgetauscht hatten, wie gute
Freunde nach langer Abwesenheit zu thun Pflegen, fragte der Offizier:

Was aber führt dich denn gerade zu dieser Zeit hierher, mein lieber Meriadec?

Der Prinz schwieg einen Augenblick nachdenklich, seufzte und sagte dann:
Das will ich dir in aller Aufrichtigkeit sagen, bester Vetter, ich habe die Ab¬
sicht zu heiraten.

Ah, heiraten! erwiederte der Offizier und zog die Augenbrauen in die Höhe.
Wen denn?

Siehst du, das weiß ich uoch nicht. Mein Entschluß geht nur ins All¬
gemeine. Ich glaube, es ist Zeit für mich, zu heiraten, und ich will es auch,
wenn ich eine standesgemäße Partie finde und die Dame schon, reich nud liebens¬
würdig ist. Was sagst du dazu? Räthe du mir, es zu thun?

Nun, sagte der Kürassier, wenn die Heirat selbst einmal beschlossene Sache ist,
so scheint es mir nur noch darauf anzukommen, die passende Partie zu finden.

Ich möchte es doch eigentlich nicht ohne deinen Rat thun, Victor. Dn
warst immer ein Mann von gutem Rat, und ich lege den größten Wert auf deine
Ansicht.

Nun gut, versetzte Victor, ich will dir gerne mit meinem Rat zur Seite
stehen.

Aber wenn du meinst, sagte der Prinz zögernd, daß ich besser thäte, Jung¬
geselle zu bleiben und meine jetzige Freiheit zu bewahren, so könnte ich das
ebenso gut thun.

Nun, dann heirate nicht! rief der Offizier lachend.

Aber willst dn denn, fragte der Prinz eifrig, daß ich mein Leben lang
allein und vereinsamt zubringen soll? Das ist auf die Dauer und, wenn man
älter wird, doch ein trauriges Loos.

Das ist wahr, entgegnete der Offizier, also heirate.

Mein Bedenken ist nur, sagte der Prinz, daß meine Frau, wie um einmal
der Lauf der Welt jetzt ist, mir untreu werden könnte. Das würde mich höchst
unglücklich machen. Ich kenne zwar manchen Mann in solcher Lage, der eben
nicht trostlos ist, mit dem ich gern umgehe, deu ich schätze und für höchst ehren¬
wert halte, aber selbst ein solcher Mann sein möchte ich nicht. Lieber tot.

Dann ist es besser, dn heiratest nicht, entgegnete der Kürassier, die Spitzen
seines Schnurrbarts drehend, denn was du andern gethan hast, das wird man
dir wieder thun. Das pflegt so Regel zu sein.

Du meinst?

Gewiß. Es heißt in der heiligen Schrift: Mit welchem Maß ihr messet,
wird euch wieder gemessen werden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/102>, abgerufen am 03.07.2024.