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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Literatur.

"schelmeulieder von Edivin Bormann. Leipzig, Si. G. Liebeskind, 1383.

Als Bormann seine lustigen Leipziger Lokalspäße: "Mei Leipzig low' ich
mir" herausgab -- Bormann schreibt Leibzig, nut b, aber kein Leipziger spricht so,
kann so sprechen, wie denn überhaupt die graphische Darstellung seiner dialektischen
Scherze uicht sowohl auf seine Ohren, als vielmehr auf lachbegierige Augen ge¬
münzt ist und von Germanisten schwerlich gebilligt werden wird --, da waren wir
uns bald darüber klar, daß der Dialekt bei jenen "Boesien" eine unnötige Zugabe
sei und daß alles, was sie von Witz haben, auch im Hochdeutschen recht gut zur
Geltung komme. Die vorliegende Sammlung von "Schelmenliedern" giebt uns
recht; eine dialektische Enveloppe könnte bei ihnen nur deu Zweck haben, einer
Waare, die nach den verschiedensten Mustern imitirt worden ist, den Schein der
Gleichheit und der Originalität zu geben. Das Büchlein beherbergt eine sehr
gemischte Gesellschaft: philologische, medizinische und naturwissenschaftliche Bier-
zeitnngsscherze " l^ Viktor Scheffel, Bilderbogenreime in Wilhelm Bnschs Manier,
Leichcnearmina im Geschmack des Kladderadatsch, Tafellieder, die bei verschiedenen
Zweckessen gelehrter und ungelehrter Herren gesungen worden sind, Bnlladen-
späße im Ton der Fliegenden Blätter, nnr daß die Bilder fehlen, Oden, wie sie
zur Lyra Biedermeiers erklangen, Sinnsprüche und Epigramme, endlich Liebes-,
Trink- und Frühlingslieder in der üblichen Goldschnitt- und Kalikvmanier. Der
Verfasser scheint absichtlich diese Sächelchen in eine möglichst bunte Reihe ge¬
bracht zu haben, wie Kinder, wenn sie Glasperlen auffädeln; es wäre aber für
alle besser gewesen, er hätte sie etwas sortirt. Mau versenkt sich doch nicht gerade
in ein solches Buch, sondern blättert es flüchtig durch, und da beeinträchtigen die
hintereinander stehenden Nummern oft ihre Wirkung gegenseitig. An gutem Witz
fehlt es auch dieser neuen Sammlung von Bormanns Musenklängeu uicht; groß
ist er in Gesängen, wie "Des Oberseknndaners Augustus Aemilius Pfuuueuschmiedts
Huldigungsode an das Römertum," dergleichen macht ihm wohl so leicht niemand
nach; aber vorgemacht hat's ihm auch schon einer: ganz ähnliches erinnern wir uns
in Eichrodts Hortrrs clvlienuum gelesen zu haben.








Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig, -- Druck von Carl Marqnnrl in Rendnii? Leipzig.


Literatur.

«schelmeulieder von Edivin Bormann. Leipzig, Si. G. Liebeskind, 1383.

Als Bormann seine lustigen Leipziger Lokalspäße: „Mei Leipzig low' ich
mir" herausgab — Bormann schreibt Leibzig, nut b, aber kein Leipziger spricht so,
kann so sprechen, wie denn überhaupt die graphische Darstellung seiner dialektischen
Scherze uicht sowohl auf seine Ohren, als vielmehr auf lachbegierige Augen ge¬
münzt ist und von Germanisten schwerlich gebilligt werden wird —, da waren wir
uns bald darüber klar, daß der Dialekt bei jenen „Boesien" eine unnötige Zugabe
sei und daß alles, was sie von Witz haben, auch im Hochdeutschen recht gut zur
Geltung komme. Die vorliegende Sammlung von „Schelmenliedern" giebt uns
recht; eine dialektische Enveloppe könnte bei ihnen nur deu Zweck haben, einer
Waare, die nach den verschiedensten Mustern imitirt worden ist, den Schein der
Gleichheit und der Originalität zu geben. Das Büchlein beherbergt eine sehr
gemischte Gesellschaft: philologische, medizinische und naturwissenschaftliche Bier-
zeitnngsscherze » l^ Viktor Scheffel, Bilderbogenreime in Wilhelm Bnschs Manier,
Leichcnearmina im Geschmack des Kladderadatsch, Tafellieder, die bei verschiedenen
Zweckessen gelehrter und ungelehrter Herren gesungen worden sind, Bnlladen-
späße im Ton der Fliegenden Blätter, nnr daß die Bilder fehlen, Oden, wie sie
zur Lyra Biedermeiers erklangen, Sinnsprüche und Epigramme, endlich Liebes-,
Trink- und Frühlingslieder in der üblichen Goldschnitt- und Kalikvmanier. Der
Verfasser scheint absichtlich diese Sächelchen in eine möglichst bunte Reihe ge¬
bracht zu haben, wie Kinder, wenn sie Glasperlen auffädeln; es wäre aber für
alle besser gewesen, er hätte sie etwas sortirt. Mau versenkt sich doch nicht gerade
in ein solches Buch, sondern blättert es flüchtig durch, und da beeinträchtigen die
hintereinander stehenden Nummern oft ihre Wirkung gegenseitig. An gutem Witz
fehlt es auch dieser neuen Sammlung von Bormanns Musenklängeu uicht; groß
ist er in Gesängen, wie „Des Oberseknndaners Augustus Aemilius Pfuuueuschmiedts
Huldigungsode an das Römertum," dergleichen macht ihm wohl so leicht niemand
nach; aber vorgemacht hat's ihm auch schon einer: ganz ähnliches erinnern wir uns
in Eichrodts Hortrrs clvlienuum gelesen zu haben.








Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig, — Druck von Carl Marqnnrl in Rendnii? Leipzig.


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[0688] Literatur. «schelmeulieder von Edivin Bormann. Leipzig, Si. G. Liebeskind, 1383. Als Bormann seine lustigen Leipziger Lokalspäße: „Mei Leipzig low' ich mir" herausgab — Bormann schreibt Leibzig, nut b, aber kein Leipziger spricht so, kann so sprechen, wie denn überhaupt die graphische Darstellung seiner dialektischen Scherze uicht sowohl auf seine Ohren, als vielmehr auf lachbegierige Augen ge¬ münzt ist und von Germanisten schwerlich gebilligt werden wird —, da waren wir uns bald darüber klar, daß der Dialekt bei jenen „Boesien" eine unnötige Zugabe sei und daß alles, was sie von Witz haben, auch im Hochdeutschen recht gut zur Geltung komme. Die vorliegende Sammlung von „Schelmenliedern" giebt uns recht; eine dialektische Enveloppe könnte bei ihnen nur deu Zweck haben, einer Waare, die nach den verschiedensten Mustern imitirt worden ist, den Schein der Gleichheit und der Originalität zu geben. Das Büchlein beherbergt eine sehr gemischte Gesellschaft: philologische, medizinische und naturwissenschaftliche Bier- zeitnngsscherze » l^ Viktor Scheffel, Bilderbogenreime in Wilhelm Bnschs Manier, Leichcnearmina im Geschmack des Kladderadatsch, Tafellieder, die bei verschiedenen Zweckessen gelehrter und ungelehrter Herren gesungen worden sind, Bnlladen- späße im Ton der Fliegenden Blätter, nnr daß die Bilder fehlen, Oden, wie sie zur Lyra Biedermeiers erklangen, Sinnsprüche und Epigramme, endlich Liebes-, Trink- und Frühlingslieder in der üblichen Goldschnitt- und Kalikvmanier. Der Verfasser scheint absichtlich diese Sächelchen in eine möglichst bunte Reihe ge¬ bracht zu haben, wie Kinder, wenn sie Glasperlen auffädeln; es wäre aber für alle besser gewesen, er hätte sie etwas sortirt. Mau versenkt sich doch nicht gerade in ein solches Buch, sondern blättert es flüchtig durch, und da beeinträchtigen die hintereinander stehenden Nummern oft ihre Wirkung gegenseitig. An gutem Witz fehlt es auch dieser neuen Sammlung von Bormanns Musenklängeu uicht; groß ist er in Gesängen, wie „Des Oberseknndaners Augustus Aemilius Pfuuueuschmiedts Huldigungsode an das Römertum," dergleichen macht ihm wohl so leicht niemand nach; aber vorgemacht hat's ihm auch schon einer: ganz ähnliches erinnern wir uns in Eichrodts Hortrrs clvlienuum gelesen zu haben. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von F. L. Herbig in Leipzig, — Druck von Carl Marqnnrl in Rendnii? Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/688>, abgerufen am 29.06.2024.