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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Vom Wiener Vurgtheater.

meer den deutschen Theater,? nimmt keines widerspruchslos den
ersten Rang ein, so wie das ^ki"M>.'L I>i>in.-ni> nnter den fran¬
zösischen. Kaum ans einem andern Punkte ist der Lokalpatriv-
tismus so empfindlich; mag in einzelnen Fällen das Publikum der
größern Städte mit den Leistungen ihrer Bühne noch so wenig
zufrieden sein, noch so gern von einer frühern guten Zeit schwärmen: handelt
es sich um den Vergleich mit fremden Anstalten, so wird mit Wärme oder auch
Hitze für die heimische Anstalt eingetreten. Und aller Wahrscheinlichkeit nach
können Wien und Berlin, München und Dresden, Leipzig und Frankfurt mit
Grund eigentümliche Vorzüge ihrer Theater geltend machen. Nichtsdestoweniger
genießt das Vurgtheater in der Theaterwelt selbst einen Grad von Ansehen wie
keins der Kvnknrrenzinstitnte. An die "Burg" zu kommen oder doch wenigstens
dort die Feuerprobe glücklich zu bestehen, ist die Sehnsucht aller strebsamen
Künstler; hinterher sind natürlich manchmal die Trauben sauer. Worauf beruht
nnn diese bevorzugte Stellung? Auf der Nepertoirebilduug uicht. Nur selteu
ist das Burgtheater in dieser Beziehung führend und tonangebend gewesen.
Rechnen wir die höchst fruchtbare Direktionszeit Schreyvvgls und die Blüte-
Periode Friedrich Halms ab, so ist Wien uur ausnahmsweise den übrigen
Städten vorangegangen, wenigstens ebenso oft deren Beispiel gefolgt. Das
heißt: große Rührigkeit im Vvrführen von Nettigkeiten war in Wien meistens
anzutreffen, aber die Verschiedenheit des Geschmackes im Osten, Westen und
Norden ließ nnzühligemal Berlin, Dresden, München darauf verzichten, ebenfalls
aufzuführen, was in Wien mit Erfolg über die Bretter gegangen war. Die
Sehen vor echt tragischen Konflikten wurde seit der Mitte des Jahrhunderts
wohl an der Donau überwunden. dasür aber die dramatische Produktion der
Franzosen mit einer Vorliebe kultivirt, zu welcher man sich an andern Orten
glücklicherweise nicht aufzuschwingen vermochte, und den wiederholten Anläufen
zu eiuer "edleren Richtung" fehlte der rechte Ernst, um das Übelwollen einer
frwvlen Journalistik zu überdauern. Auch läßt sich kaum behaupten, daß gerade
die glänzendsten schauspielerischeu Talente immer in Wien versammelt gewesen
waren. Jm Gegenteil hatten die gefeiertsten gewöhnlich eine feste Stellung,
falls sie überhaupt eine solche hatten, in andern Städten, ja sie waren wohl
ausdrücklich Wien untren geworden.

Hiermit berühren wir die eigentliche Stärke des Bnrgtheaters. Der brennende
Ehrgeiz, welcher des Beifalls nie genug haben kaun, und die ruhelose Gewinn-


Vom Wiener Vurgtheater.

meer den deutschen Theater,? nimmt keines widerspruchslos den
ersten Rang ein, so wie das ^ki«M>.'L I>i>in.-ni> nnter den fran¬
zösischen. Kaum ans einem andern Punkte ist der Lokalpatriv-
tismus so empfindlich; mag in einzelnen Fällen das Publikum der
größern Städte mit den Leistungen ihrer Bühne noch so wenig
zufrieden sein, noch so gern von einer frühern guten Zeit schwärmen: handelt
es sich um den Vergleich mit fremden Anstalten, so wird mit Wärme oder auch
Hitze für die heimische Anstalt eingetreten. Und aller Wahrscheinlichkeit nach
können Wien und Berlin, München und Dresden, Leipzig und Frankfurt mit
Grund eigentümliche Vorzüge ihrer Theater geltend machen. Nichtsdestoweniger
genießt das Vurgtheater in der Theaterwelt selbst einen Grad von Ansehen wie
keins der Kvnknrrenzinstitnte. An die „Burg" zu kommen oder doch wenigstens
dort die Feuerprobe glücklich zu bestehen, ist die Sehnsucht aller strebsamen
Künstler; hinterher sind natürlich manchmal die Trauben sauer. Worauf beruht
nnn diese bevorzugte Stellung? Auf der Nepertoirebilduug uicht. Nur selteu
ist das Burgtheater in dieser Beziehung führend und tonangebend gewesen.
Rechnen wir die höchst fruchtbare Direktionszeit Schreyvvgls und die Blüte-
Periode Friedrich Halms ab, so ist Wien uur ausnahmsweise den übrigen
Städten vorangegangen, wenigstens ebenso oft deren Beispiel gefolgt. Das
heißt: große Rührigkeit im Vvrführen von Nettigkeiten war in Wien meistens
anzutreffen, aber die Verschiedenheit des Geschmackes im Osten, Westen und
Norden ließ nnzühligemal Berlin, Dresden, München darauf verzichten, ebenfalls
aufzuführen, was in Wien mit Erfolg über die Bretter gegangen war. Die
Sehen vor echt tragischen Konflikten wurde seit der Mitte des Jahrhunderts
wohl an der Donau überwunden. dasür aber die dramatische Produktion der
Franzosen mit einer Vorliebe kultivirt, zu welcher man sich an andern Orten
glücklicherweise nicht aufzuschwingen vermochte, und den wiederholten Anläufen
zu eiuer „edleren Richtung" fehlte der rechte Ernst, um das Übelwollen einer
frwvlen Journalistik zu überdauern. Auch läßt sich kaum behaupten, daß gerade
die glänzendsten schauspielerischeu Talente immer in Wien versammelt gewesen
waren. Jm Gegenteil hatten die gefeiertsten gewöhnlich eine feste Stellung,
falls sie überhaupt eine solche hatten, in andern Städten, ja sie waren wohl
ausdrücklich Wien untren geworden.

Hiermit berühren wir die eigentliche Stärke des Bnrgtheaters. Der brennende
Ehrgeiz, welcher des Beifalls nie genug haben kaun, und die ruhelose Gewinn-


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[0043] Vom Wiener Vurgtheater. meer den deutschen Theater,? nimmt keines widerspruchslos den ersten Rang ein, so wie das ^ki«M>.'L I>i>in.-ni> nnter den fran¬ zösischen. Kaum ans einem andern Punkte ist der Lokalpatriv- tismus so empfindlich; mag in einzelnen Fällen das Publikum der größern Städte mit den Leistungen ihrer Bühne noch so wenig zufrieden sein, noch so gern von einer frühern guten Zeit schwärmen: handelt es sich um den Vergleich mit fremden Anstalten, so wird mit Wärme oder auch Hitze für die heimische Anstalt eingetreten. Und aller Wahrscheinlichkeit nach können Wien und Berlin, München und Dresden, Leipzig und Frankfurt mit Grund eigentümliche Vorzüge ihrer Theater geltend machen. Nichtsdestoweniger genießt das Vurgtheater in der Theaterwelt selbst einen Grad von Ansehen wie keins der Kvnknrrenzinstitnte. An die „Burg" zu kommen oder doch wenigstens dort die Feuerprobe glücklich zu bestehen, ist die Sehnsucht aller strebsamen Künstler; hinterher sind natürlich manchmal die Trauben sauer. Worauf beruht nnn diese bevorzugte Stellung? Auf der Nepertoirebilduug uicht. Nur selteu ist das Burgtheater in dieser Beziehung führend und tonangebend gewesen. Rechnen wir die höchst fruchtbare Direktionszeit Schreyvvgls und die Blüte- Periode Friedrich Halms ab, so ist Wien uur ausnahmsweise den übrigen Städten vorangegangen, wenigstens ebenso oft deren Beispiel gefolgt. Das heißt: große Rührigkeit im Vvrführen von Nettigkeiten war in Wien meistens anzutreffen, aber die Verschiedenheit des Geschmackes im Osten, Westen und Norden ließ nnzühligemal Berlin, Dresden, München darauf verzichten, ebenfalls aufzuführen, was in Wien mit Erfolg über die Bretter gegangen war. Die Sehen vor echt tragischen Konflikten wurde seit der Mitte des Jahrhunderts wohl an der Donau überwunden. dasür aber die dramatische Produktion der Franzosen mit einer Vorliebe kultivirt, zu welcher man sich an andern Orten glücklicherweise nicht aufzuschwingen vermochte, und den wiederholten Anläufen zu eiuer „edleren Richtung" fehlte der rechte Ernst, um das Übelwollen einer frwvlen Journalistik zu überdauern. Auch läßt sich kaum behaupten, daß gerade die glänzendsten schauspielerischeu Talente immer in Wien versammelt gewesen waren. Jm Gegenteil hatten die gefeiertsten gewöhnlich eine feste Stellung, falls sie überhaupt eine solche hatten, in andern Städten, ja sie waren wohl ausdrücklich Wien untren geworden. Hiermit berühren wir die eigentliche Stärke des Bnrgtheaters. Der brennende Ehrgeiz, welcher des Beifalls nie genug haben kaun, und die ruhelose Gewinn-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/43>, abgerufen am 22.07.2024.