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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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nicht viel mehr bedeuten als die Ausdehnung eines internationalen Abkommens
auf den vorliegenden Fall. Lesseps behauptete im Jahre 1377, daß die Pforte
kein Recht besitze, gegen die Durchfahrt der russischen Schiffe dnrch seinen Kanal
Einspruch zu erheben, und England machte damals die Freistcllnng desselben
von allen kriegerischen Maßregeln zur Bedingung seiner Nichtbetciligung am
Kriege. Das genannte englische Blatt glaubt uicht, daß irgendeine zivilisirte
Macht gegen diese Vorschläge Einspruch erheben werde, und wir schließen uns
dieser Erwartung an. Italien hat, gewissermaßen als Wortführer der vier Ost¬
mächte, schon vor Ausbruch des ägyptischen Krieges den Antrag gestellt, den
Kanal durch eine internationale Seepvlizei zu sichern, und die Aufnahme, welche
derselbe gefunden, hat gezeigt, daß die Großmächte einer europäischen Bürgschaft
für die Freiheit dieser Wasserstraße, die England jetzt zu beschaffen strebt, nicht
ungünstig sind.

Mit Bezug auf die ägyptische Angelegenheit ist nun vielfach die Frage auf¬
geworfen worden, ob England zur Ordnung derselben eines Bundesgenossen be¬
dürfe, ja man hat schon von Allianzen, deren Abschluß im Gange sei, gesprochen.
Die linuzs warnte vor einem Bündnisse mit Deutschland, weil dasselbe die
wertvollere französische Freundschaft auflösen werde. Der Moriung- ^avere,i8kr
dagegen äußerte sich sehr entschieden Deutschland zugeneigt. Das konservative
Blatt sagt: "Was will man denn nur mit der französischen Allianz? Ist damit
die Kooperation Frankreichs mit uns in Ägypten gemeint, so wolle man sich
erinnern, daß diese Allianz bei einem Haare die wertvollsten englischen Interessen
geschädigt hätte. Die englisch-französische Note erweckte sofort den Argwohn
Europas, und Hütte die Politik Gnmbettas, die ein Ergebnis derselben war, die
Oberhand behalten, so hätten nur leicht in einen europäischen Krieg verwickelt
werden können, in welchem nur Frankreich unser Bundesgenosse gewesen wäre
und wir schwerlich den Triumph der englischen Interessen erreicht hätten, den
Nur jetzt errungen haben. Es ist sehr schön, von Sympathien der Liberalen
für Frankreich zu reden, aber die Sympathien Englands richten sich nach Deutsch-
land, mit dessen Interessen die unsern fast in allen Stücken zusammenfallen."
Der Odservcii' wieder will gar nichts von Allianzen wissen, und wir glauben,
er spricht damit, wenn auch in etwas zu selbstbewußtem Tone, die Meinung der
einflußreichsten englischen Politiker aus. Er sagt: "Wir sind Herren der Situation
in Ägypten. Unter diesen Umständen begreifen wir nicht, wozu wir Bundes¬
genossen bedürften. Doch werden wir von allen Seiten beschworen, unser Vor¬
gehen in Ägypten den Rücksichten fremder Politik unterzuordnen. Wir werden
selbst in Kreisen, in denen wir vernünftigerweise mehr Verständnis erwarten
dürften, vor den verhängnisvollen Folgen gewarnt, die entstehen könnten, wenn
wir uns unsrer Stellung in Ägypten nicht bedienten, um unser gutes Einver¬
nehmen mit Deutschland zu befestigen, während wir andrerseits mit unerhörten
Übelständen bedroht werdeu, wenn wir unsre ägyptische Politik uicht so ein-


nicht viel mehr bedeuten als die Ausdehnung eines internationalen Abkommens
auf den vorliegenden Fall. Lesseps behauptete im Jahre 1377, daß die Pforte
kein Recht besitze, gegen die Durchfahrt der russischen Schiffe dnrch seinen Kanal
Einspruch zu erheben, und England machte damals die Freistcllnng desselben
von allen kriegerischen Maßregeln zur Bedingung seiner Nichtbetciligung am
Kriege. Das genannte englische Blatt glaubt uicht, daß irgendeine zivilisirte
Macht gegen diese Vorschläge Einspruch erheben werde, und wir schließen uns
dieser Erwartung an. Italien hat, gewissermaßen als Wortführer der vier Ost¬
mächte, schon vor Ausbruch des ägyptischen Krieges den Antrag gestellt, den
Kanal durch eine internationale Seepvlizei zu sichern, und die Aufnahme, welche
derselbe gefunden, hat gezeigt, daß die Großmächte einer europäischen Bürgschaft
für die Freiheit dieser Wasserstraße, die England jetzt zu beschaffen strebt, nicht
ungünstig sind.

Mit Bezug auf die ägyptische Angelegenheit ist nun vielfach die Frage auf¬
geworfen worden, ob England zur Ordnung derselben eines Bundesgenossen be¬
dürfe, ja man hat schon von Allianzen, deren Abschluß im Gange sei, gesprochen.
Die linuzs warnte vor einem Bündnisse mit Deutschland, weil dasselbe die
wertvollere französische Freundschaft auflösen werde. Der Moriung- ^avere,i8kr
dagegen äußerte sich sehr entschieden Deutschland zugeneigt. Das konservative
Blatt sagt: „Was will man denn nur mit der französischen Allianz? Ist damit
die Kooperation Frankreichs mit uns in Ägypten gemeint, so wolle man sich
erinnern, daß diese Allianz bei einem Haare die wertvollsten englischen Interessen
geschädigt hätte. Die englisch-französische Note erweckte sofort den Argwohn
Europas, und Hütte die Politik Gnmbettas, die ein Ergebnis derselben war, die
Oberhand behalten, so hätten nur leicht in einen europäischen Krieg verwickelt
werden können, in welchem nur Frankreich unser Bundesgenosse gewesen wäre
und wir schwerlich den Triumph der englischen Interessen erreicht hätten, den
Nur jetzt errungen haben. Es ist sehr schön, von Sympathien der Liberalen
für Frankreich zu reden, aber die Sympathien Englands richten sich nach Deutsch-
land, mit dessen Interessen die unsern fast in allen Stücken zusammenfallen."
Der Odservcii' wieder will gar nichts von Allianzen wissen, und wir glauben,
er spricht damit, wenn auch in etwas zu selbstbewußtem Tone, die Meinung der
einflußreichsten englischen Politiker aus. Er sagt: „Wir sind Herren der Situation
in Ägypten. Unter diesen Umständen begreifen wir nicht, wozu wir Bundes¬
genossen bedürften. Doch werden wir von allen Seiten beschworen, unser Vor¬
gehen in Ägypten den Rücksichten fremder Politik unterzuordnen. Wir werden
selbst in Kreisen, in denen wir vernünftigerweise mehr Verständnis erwarten
dürften, vor den verhängnisvollen Folgen gewarnt, die entstehen könnten, wenn
wir uns unsrer Stellung in Ägypten nicht bedienten, um unser gutes Einver¬
nehmen mit Deutschland zu befestigen, während wir andrerseits mit unerhörten
Übelständen bedroht werdeu, wenn wir unsre ägyptische Politik uicht so ein-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/114>, abgerufen am 22.07.2024.