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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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persieae erklärt, sondern in früheren Jahre" auch von der Majorität des Stor-
things anerkannt worden. Wenn also jetzt ein großer Teil der norwegischen Volks-
Vertreter, darunter Sverdrnp, der Präsident des Storthings, das königliche Veto
auch in Verfass""gssnche" als ein blos; abschiebendes betrachtet wissen will,
so verleugnen sie ihre frühere Auffassung und zwar aus demokratischer Herrsch¬
sucht, in der Absicht, sich thatsächlich in den alleinigen Besitz der höchsten Staats¬
gewalt zu setzen. Wenn der Monarch das Grundgesetz nicht einseitig abändern
kann, wohl aber die Volksvertretung, so herrscht faktisch das Volk durch seine
Vertreter, oder so herrschen, richtiger, die Parteien, welche die Majorität bilden,
oder noch richtiger, die Führer der letzteren allein, und der König ist in inneren
Angelegenheiten so gut wie ganz überflüssig. Er ist höchstens noch der Minister
der Storthingsmehrheit, die wieder nnr die Ansichten und den Willen der Herren
Sverdrup und Genossen vertritt.

Die radikale Mehrheit der Nvlksrepräsentation ist aber in ihren Bestrebungen
nach Alleinherrschaft noch weiter gegangen. In der Session von 1880 machte
sie sich daran, auch die oberste richterliche Gewalt für ihre Zwecke zurecht zu
stutzen, um einer Verurteilung von Ministern, die sich ihr gegenüber unfügsam
erwiesen, zu jeder Zeit sicher sein zu können. Man verminderte dnrch Beschluß
die Zahl der Mitglieder des Reichsgerichts dermaßen, daß die übrigbleibenden
den im Falle einer Ministeranklnge von der Landesvertretung zu wählende"?
Mitgliedern gegenüber die Minderheit der Richter bilden, und eine solche Anklage
ist von den Führern der Radikalen schon für die nächste Session ins Ange
gefaßt. Daß bei dieser Beschränkung der Arbeitskräfte das höchste Gericht seine
Aufgaben nur schwer erfüllen, die Geschäfte nur nach langem Verzug bewältigen
kaun, und Prozeßsachen infolge solcher Verschleppung und Stockung jahrelang
unerledigt bleiben, ficht diese norwegischen Fortschrittler nicht an. Ihr Interesse,
ihr Vorteil steht ihnen über dein Wohle des Volkes, das sie mit ihren Bestrebungen
zu fördern vorgeben. Man erkennt hier recht deutlich, wohin die Doktrin des
Ultraliberalismns führt, und wohin es auch in Deutschland kommen würde, wenn
wir nicht ein starkes .Königtum und für den äußersten Notfall ein starkes Heer
zum Widerstande gegen die Gelüste der Demokratie hätte", die in den Führern
der Fortschrittspartei zu uns redet, und die jetzt zwar noch leidlich verbirgt, was
sie im letzten Grunde wünscht und erstrebt, sehr bald aber deutlicher und dreister
sprechen würde, wenn die Umstände sich ihr einmal günstiger gestalte" sollten.

Endlich hat das Storthing in seiner letzte" Session mit Umwendung einer
sehr künstlichen Deutung des Gesetzes das allgemeine Wahlrecht einzuführen
versucht, sodaß auch die untersten Schichten der Bevölkerung an demselben Teil
haben würden, wenn der König den betreffenden Beschlüsse" seine Sanktion
erteilte. Zu diese" drei Hciliptvcrsucheu, das Eidsvolder Grundgesetz im rein
demokratische" Sinne "mzilmvdel" und faktisch die Republik herzustellen, in welcher
der König nnr noch ein Ornament, nnr el" schwächliches Anhängsel sein würde,


persieae erklärt, sondern in früheren Jahre» auch von der Majorität des Stor-
things anerkannt worden. Wenn also jetzt ein großer Teil der norwegischen Volks-
Vertreter, darunter Sverdrnp, der Präsident des Storthings, das königliche Veto
auch in Verfass»»gssnche» als ein blos; abschiebendes betrachtet wissen will,
so verleugnen sie ihre frühere Auffassung und zwar aus demokratischer Herrsch¬
sucht, in der Absicht, sich thatsächlich in den alleinigen Besitz der höchsten Staats¬
gewalt zu setzen. Wenn der Monarch das Grundgesetz nicht einseitig abändern
kann, wohl aber die Volksvertretung, so herrscht faktisch das Volk durch seine
Vertreter, oder so herrschen, richtiger, die Parteien, welche die Majorität bilden,
oder noch richtiger, die Führer der letzteren allein, und der König ist in inneren
Angelegenheiten so gut wie ganz überflüssig. Er ist höchstens noch der Minister
der Storthingsmehrheit, die wieder nnr die Ansichten und den Willen der Herren
Sverdrup und Genossen vertritt.

Die radikale Mehrheit der Nvlksrepräsentation ist aber in ihren Bestrebungen
nach Alleinherrschaft noch weiter gegangen. In der Session von 1880 machte
sie sich daran, auch die oberste richterliche Gewalt für ihre Zwecke zurecht zu
stutzen, um einer Verurteilung von Ministern, die sich ihr gegenüber unfügsam
erwiesen, zu jeder Zeit sicher sein zu können. Man verminderte dnrch Beschluß
die Zahl der Mitglieder des Reichsgerichts dermaßen, daß die übrigbleibenden
den im Falle einer Ministeranklnge von der Landesvertretung zu wählende»?
Mitgliedern gegenüber die Minderheit der Richter bilden, und eine solche Anklage
ist von den Führern der Radikalen schon für die nächste Session ins Ange
gefaßt. Daß bei dieser Beschränkung der Arbeitskräfte das höchste Gericht seine
Aufgaben nur schwer erfüllen, die Geschäfte nur nach langem Verzug bewältigen
kaun, und Prozeßsachen infolge solcher Verschleppung und Stockung jahrelang
unerledigt bleiben, ficht diese norwegischen Fortschrittler nicht an. Ihr Interesse,
ihr Vorteil steht ihnen über dein Wohle des Volkes, das sie mit ihren Bestrebungen
zu fördern vorgeben. Man erkennt hier recht deutlich, wohin die Doktrin des
Ultraliberalismns führt, und wohin es auch in Deutschland kommen würde, wenn
wir nicht ein starkes .Königtum und für den äußersten Notfall ein starkes Heer
zum Widerstande gegen die Gelüste der Demokratie hätte», die in den Führern
der Fortschrittspartei zu uns redet, und die jetzt zwar noch leidlich verbirgt, was
sie im letzten Grunde wünscht und erstrebt, sehr bald aber deutlicher und dreister
sprechen würde, wenn die Umstände sich ihr einmal günstiger gestalte» sollten.

Endlich hat das Storthing in seiner letzte» Session mit Umwendung einer
sehr künstlichen Deutung des Gesetzes das allgemeine Wahlrecht einzuführen
versucht, sodaß auch die untersten Schichten der Bevölkerung an demselben Teil
haben würden, wenn der König den betreffenden Beschlüsse» seine Sanktion
erteilte. Zu diese» drei Hciliptvcrsucheu, das Eidsvolder Grundgesetz im rein
demokratische» Sinne »mzilmvdel» und faktisch die Republik herzustellen, in welcher
der König nnr noch ein Ornament, nnr el» schwächliches Anhängsel sein würde,


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[0063] persieae erklärt, sondern in früheren Jahre» auch von der Majorität des Stor- things anerkannt worden. Wenn also jetzt ein großer Teil der norwegischen Volks- Vertreter, darunter Sverdrnp, der Präsident des Storthings, das königliche Veto auch in Verfass»»gssnche» als ein blos; abschiebendes betrachtet wissen will, so verleugnen sie ihre frühere Auffassung und zwar aus demokratischer Herrsch¬ sucht, in der Absicht, sich thatsächlich in den alleinigen Besitz der höchsten Staats¬ gewalt zu setzen. Wenn der Monarch das Grundgesetz nicht einseitig abändern kann, wohl aber die Volksvertretung, so herrscht faktisch das Volk durch seine Vertreter, oder so herrschen, richtiger, die Parteien, welche die Majorität bilden, oder noch richtiger, die Führer der letzteren allein, und der König ist in inneren Angelegenheiten so gut wie ganz überflüssig. Er ist höchstens noch der Minister der Storthingsmehrheit, die wieder nnr die Ansichten und den Willen der Herren Sverdrup und Genossen vertritt. Die radikale Mehrheit der Nvlksrepräsentation ist aber in ihren Bestrebungen nach Alleinherrschaft noch weiter gegangen. In der Session von 1880 machte sie sich daran, auch die oberste richterliche Gewalt für ihre Zwecke zurecht zu stutzen, um einer Verurteilung von Ministern, die sich ihr gegenüber unfügsam erwiesen, zu jeder Zeit sicher sein zu können. Man verminderte dnrch Beschluß die Zahl der Mitglieder des Reichsgerichts dermaßen, daß die übrigbleibenden den im Falle einer Ministeranklnge von der Landesvertretung zu wählende»? Mitgliedern gegenüber die Minderheit der Richter bilden, und eine solche Anklage ist von den Führern der Radikalen schon für die nächste Session ins Ange gefaßt. Daß bei dieser Beschränkung der Arbeitskräfte das höchste Gericht seine Aufgaben nur schwer erfüllen, die Geschäfte nur nach langem Verzug bewältigen kaun, und Prozeßsachen infolge solcher Verschleppung und Stockung jahrelang unerledigt bleiben, ficht diese norwegischen Fortschrittler nicht an. Ihr Interesse, ihr Vorteil steht ihnen über dein Wohle des Volkes, das sie mit ihren Bestrebungen zu fördern vorgeben. Man erkennt hier recht deutlich, wohin die Doktrin des Ultraliberalismns führt, und wohin es auch in Deutschland kommen würde, wenn wir nicht ein starkes .Königtum und für den äußersten Notfall ein starkes Heer zum Widerstande gegen die Gelüste der Demokratie hätte», die in den Führern der Fortschrittspartei zu uns redet, und die jetzt zwar noch leidlich verbirgt, was sie im letzten Grunde wünscht und erstrebt, sehr bald aber deutlicher und dreister sprechen würde, wenn die Umstände sich ihr einmal günstiger gestalte» sollten. Endlich hat das Storthing in seiner letzte» Session mit Umwendung einer sehr künstlichen Deutung des Gesetzes das allgemeine Wahlrecht einzuführen versucht, sodaß auch die untersten Schichten der Bevölkerung an demselben Teil haben würden, wenn der König den betreffenden Beschlüsse» seine Sanktion erteilte. Zu diese» drei Hciliptvcrsucheu, das Eidsvolder Grundgesetz im rein demokratische» Sinne »mzilmvdel» und faktisch die Republik herzustellen, in welcher der König nnr noch ein Ornament, nnr el» schwächliches Anhängsel sein würde,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/63>, abgerufen am 03.07.2024.