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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Vie Heilslehre Richard Wagners.

daß ihm die Gewalt aus den Hände" gewunden wird und es mit seiner Herr¬
schaft zu Ende geht, so kann man die Dämmerung dieser Einsicht doch nicht
Weltverueinung nennen. Da sind die Tragödien Shakespeares zum Teil viel
mehr Tragödien der Weltverneinung als die Wagnerschen. Wenn ich also in
den Werken Wagners nichts finden kann, was die Übereinstimmung des Stand-
Punktes mit demjenigen der Schopenhanerschen Philosophie zu beweisen imstande
wäre, so ist dagegen leicht zu beweisen, daß die Moral, die Wagner vorgeschwebt
hat, teils eine sehr zweifelhafte, teils eine ganz triviale ist. Mir die letztere
Behauptung ist namentlich der "Ring des Nibelungen" anzuführen, in welchem der
Satz illustrirt wird, daß das Streben nach Macht und Besitz, wenn mens über¬
treibt, uicht nur sich mit der Liebe (notabene der Liebe zum Weibe) nicht ver¬
trägt, sondern auch aus andern Gründen zu einem schlimmen Ende führen kaun.
So richtig dies nun anch sein mag, so ist doch dies so wenig wie alles andre,
was Wagner von Ideen und Prinzipien teils schriftstellerisch verfochten, teils
künstlerisch gestaltet hat, geeignet, als gleichsam neue Weltanschauung von ethischer
Tragweite oder Bedeutsamkeit hingestellt zu werden. Oder ist die an ihrer
Armseligkeit zu Grunde gehende Götterwelt des "Nibelnngenringes" etwa als Ver¬
neinung des Willens aufzufassen? Gewiß nicht, denn gleich, nachdem Brunhilde
den Untergang Walhalls verkündet, weist sie der Welt ihres heiligsten Wissens
Hort zu mit Worten, in denen u. n. folgendes vorkommt:


Nicht trüber Verträge
Trügender Bund,
Noch heuchelnder Sitte
Hartes Gesetz:
Selig in Lust und Leid
Läßt -- die Liebe uur sein!

natürlich die weder durch trüber Verträge trügender Bund, noch durch heucheln¬
der (!) Sitte hartes (!) Gesetz bedrängte Liebe. Und weiter:


Fühl meine Brust auch,
Wie sie entbrennt:
Helles Feuer
Faßt mir das Herz;
Ihn zu umschlingen,
Umschlossen von ihm,
In mächtigster Minne (!)
Vermähle ihm zu sein ze.

klingt das wie Verneinung des Lebens oder der Welt? Wahrlich nicht, und
wer Schypenhaucrsche Philosophie einigermaßen kennt und mehr als bloß die
"Pnrerga" gelesen hat, der weiß garnicht, was er zu der dreisten Behauptung
!ager soll, der "Ring des Nibelungen" sei eine Tragödie der Weltverneinuug. Sie
lst im Gegenteil eine Tragödie der Willensbejahung, die sich am Schlüsse des
Stücks in den oben angeführten Versen offenbar damit tröstet, daß sie den Schau-


Vie Heilslehre Richard Wagners.

daß ihm die Gewalt aus den Hände» gewunden wird und es mit seiner Herr¬
schaft zu Ende geht, so kann man die Dämmerung dieser Einsicht doch nicht
Weltverueinung nennen. Da sind die Tragödien Shakespeares zum Teil viel
mehr Tragödien der Weltverneinung als die Wagnerschen. Wenn ich also in
den Werken Wagners nichts finden kann, was die Übereinstimmung des Stand-
Punktes mit demjenigen der Schopenhanerschen Philosophie zu beweisen imstande
wäre, so ist dagegen leicht zu beweisen, daß die Moral, die Wagner vorgeschwebt
hat, teils eine sehr zweifelhafte, teils eine ganz triviale ist. Mir die letztere
Behauptung ist namentlich der „Ring des Nibelungen" anzuführen, in welchem der
Satz illustrirt wird, daß das Streben nach Macht und Besitz, wenn mens über¬
treibt, uicht nur sich mit der Liebe (notabene der Liebe zum Weibe) nicht ver¬
trägt, sondern auch aus andern Gründen zu einem schlimmen Ende führen kaun.
So richtig dies nun anch sein mag, so ist doch dies so wenig wie alles andre,
was Wagner von Ideen und Prinzipien teils schriftstellerisch verfochten, teils
künstlerisch gestaltet hat, geeignet, als gleichsam neue Weltanschauung von ethischer
Tragweite oder Bedeutsamkeit hingestellt zu werden. Oder ist die an ihrer
Armseligkeit zu Grunde gehende Götterwelt des „Nibelnngenringes" etwa als Ver¬
neinung des Willens aufzufassen? Gewiß nicht, denn gleich, nachdem Brunhilde
den Untergang Walhalls verkündet, weist sie der Welt ihres heiligsten Wissens
Hort zu mit Worten, in denen u. n. folgendes vorkommt:


Nicht trüber Verträge
Trügender Bund,
Noch heuchelnder Sitte
Hartes Gesetz:
Selig in Lust und Leid
Läßt — die Liebe uur sein!

natürlich die weder durch trüber Verträge trügender Bund, noch durch heucheln¬
der (!) Sitte hartes (!) Gesetz bedrängte Liebe. Und weiter:


Fühl meine Brust auch,
Wie sie entbrennt:
Helles Feuer
Faßt mir das Herz;
Ihn zu umschlingen,
Umschlossen von ihm,
In mächtigster Minne (!)
Vermähle ihm zu sein ze.

klingt das wie Verneinung des Lebens oder der Welt? Wahrlich nicht, und
wer Schypenhaucrsche Philosophie einigermaßen kennt und mehr als bloß die
"Pnrerga" gelesen hat, der weiß garnicht, was er zu der dreisten Behauptung
!ager soll, der „Ring des Nibelungen" sei eine Tragödie der Weltverneinuug. Sie
lst im Gegenteil eine Tragödie der Willensbejahung, die sich am Schlüsse des
Stücks in den oben angeführten Versen offenbar damit tröstet, daß sie den Schau-


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[0565] Vie Heilslehre Richard Wagners. daß ihm die Gewalt aus den Hände» gewunden wird und es mit seiner Herr¬ schaft zu Ende geht, so kann man die Dämmerung dieser Einsicht doch nicht Weltverueinung nennen. Da sind die Tragödien Shakespeares zum Teil viel mehr Tragödien der Weltverneinung als die Wagnerschen. Wenn ich also in den Werken Wagners nichts finden kann, was die Übereinstimmung des Stand- Punktes mit demjenigen der Schopenhanerschen Philosophie zu beweisen imstande wäre, so ist dagegen leicht zu beweisen, daß die Moral, die Wagner vorgeschwebt hat, teils eine sehr zweifelhafte, teils eine ganz triviale ist. Mir die letztere Behauptung ist namentlich der „Ring des Nibelungen" anzuführen, in welchem der Satz illustrirt wird, daß das Streben nach Macht und Besitz, wenn mens über¬ treibt, uicht nur sich mit der Liebe (notabene der Liebe zum Weibe) nicht ver¬ trägt, sondern auch aus andern Gründen zu einem schlimmen Ende führen kaun. So richtig dies nun anch sein mag, so ist doch dies so wenig wie alles andre, was Wagner von Ideen und Prinzipien teils schriftstellerisch verfochten, teils künstlerisch gestaltet hat, geeignet, als gleichsam neue Weltanschauung von ethischer Tragweite oder Bedeutsamkeit hingestellt zu werden. Oder ist die an ihrer Armseligkeit zu Grunde gehende Götterwelt des „Nibelnngenringes" etwa als Ver¬ neinung des Willens aufzufassen? Gewiß nicht, denn gleich, nachdem Brunhilde den Untergang Walhalls verkündet, weist sie der Welt ihres heiligsten Wissens Hort zu mit Worten, in denen u. n. folgendes vorkommt: Nicht trüber Verträge Trügender Bund, Noch heuchelnder Sitte Hartes Gesetz: Selig in Lust und Leid Läßt — die Liebe uur sein! natürlich die weder durch trüber Verträge trügender Bund, noch durch heucheln¬ der (!) Sitte hartes (!) Gesetz bedrängte Liebe. Und weiter: Fühl meine Brust auch, Wie sie entbrennt: Helles Feuer Faßt mir das Herz; Ihn zu umschlingen, Umschlossen von ihm, In mächtigster Minne (!) Vermähle ihm zu sein ze. klingt das wie Verneinung des Lebens oder der Welt? Wahrlich nicht, und wer Schypenhaucrsche Philosophie einigermaßen kennt und mehr als bloß die "Pnrerga" gelesen hat, der weiß garnicht, was er zu der dreisten Behauptung !ager soll, der „Ring des Nibelungen" sei eine Tragödie der Weltverneinuug. Sie lst im Gegenteil eine Tragödie der Willensbejahung, die sich am Schlüsse des Stücks in den oben angeführten Versen offenbar damit tröstet, daß sie den Schau-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/565>, abgerufen am 25.08.2024.