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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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LlM'todt? von 7<ath und Paul.

Von Kalb, geborne Marschall von Ostheim, an den jungen Schriftsteller Johann
Punt Friedrich Richter in Hof, der sich "Jean Paul" nannte, abgehen ließ und
der also lautete: "In den letzten Monaten wurden hier Ihre Schriften bekannt,
sie erregten Aufmerksamkeit und vielen waren sie eine sehr willkommene Er¬
scheinung. Mir gaben sie die angenehmste Unterhaltung, und die schönsten
Stunden in dieser Vergangenheit verdanke ich dieser Lektüre, bei der ich gerne
verweilte, und in diesem Gednnlentranme schwanden die Bildungen Ihrer Phan¬
tasie gleich lieblichen Phantomen aus dem Geisterreiche meiner Seele vorüber. --
Oft ward ich durch deu Reiz und Reichtum Ihrer Ideen so innigst beglückt,
dankbar ergriff ich die Feder. Aber wie unbedeutend wäre dies einzelne Zeichen
von einer Unbekannten gewesen! Also untersagte ich mir, an Sie zu schreiben,
bis in einer glücklichen Stunde ich Ihr Lob von Männern hörte, die Sie längst
kennen und verehret?. Dann ward der Vorsatz von neuem in mir rege. Jetzt
ist es nicht mehr die einzelne Blume der Bewunderung, die ich Ihnen übersende,
sondern der unverwelkliche Kranz, den Beifall und Achtung von Wieland und
Herder Ihnen wand! -- Wieland hat vieles im Hesperus und Quintus aus¬
nehmend gefallen, er nennt Sie unsern Avril, unsern Rabelais; das reinste Ge¬
müt, den höchsten Schwung der Phantasie, die reichste Laune, die oft in deu
anmutigsten, überraschendsten Wendungen sich ergießt, dies alles erkennt er mit
inniger Freude in Ihren Schriften. -- Vor einigen Tagen lasen wir in Ge¬
sellschaft das Programm vom Rektor Frendel. Sonst wirken Satiren, ans mich
wenigstens, beschränkend. Mit kaltem Sinn, selbst in der Dämmerung, schwingen
die meisten die Geißel der Satire willkürlich, oder der gereizte Affekt bewaffnet
ein Vorurteil gegen das andere. -- Ihrem Blick hingegen hat sich ein weiter
Horizont eröffnet, Ihr Herz achtet jedes Glück der Empfindung, jede Blume
der Phantasie. Es ist eine helle Fackel, mit der Sie die Thorheiten und Un¬
arten beleuchten, und Scherz, Gefühl und Hoffnung folgen stets diesem Licht
Ihres Geistes. -- Sie finden hier noch mehrere Freunde, deren Namen ich
Ihnen anch nennen muß: Herr von Knebel, der Übersetzer der Elegien von
Properz in den Hören, Herr von Einsiedel und von Kalb. -- Ihre Schriften
gehören zu ihrer Lieblingslektüre, die noch lange ihr Lesepult zieren. Ja wir
hoffen, daß bei dieser Empfänglichkeit für Welt- und Menschenkenntnis und
diesem Talent, feine Individualitäten zu zeichnen, Sie uns noch viele Werke
Ihrer Feder schenken. -- Leben Sie wohl, beglückt durch die Freuden der Natur,
erhöht durch die Genüsse der Kunst, und machen uns mit Ideale" bekannt, die
den Dichter ehren und den Leser veredeln werden!"

Dieser enthusiastische Brief konnte als reiner Ausdruck der Freude an Jean
Pauls geiht- und phautnsievolleu Erstlingsschriften gelten, und würde much eine
für Huldigungen minder empfängliche Natur, als die des jungen Schriftstellers
war, in freudige Erregung versetzt haben. Jean Paul verstand zwischen den
Zeilen zu lesen und erblickte in dem Briefe eine Einladung, sich an dem Musen-


LlM'todt? von 7<ath und Paul.

Von Kalb, geborne Marschall von Ostheim, an den jungen Schriftsteller Johann
Punt Friedrich Richter in Hof, der sich „Jean Paul" nannte, abgehen ließ und
der also lautete: „In den letzten Monaten wurden hier Ihre Schriften bekannt,
sie erregten Aufmerksamkeit und vielen waren sie eine sehr willkommene Er¬
scheinung. Mir gaben sie die angenehmste Unterhaltung, und die schönsten
Stunden in dieser Vergangenheit verdanke ich dieser Lektüre, bei der ich gerne
verweilte, und in diesem Gednnlentranme schwanden die Bildungen Ihrer Phan¬
tasie gleich lieblichen Phantomen aus dem Geisterreiche meiner Seele vorüber. —
Oft ward ich durch deu Reiz und Reichtum Ihrer Ideen so innigst beglückt,
dankbar ergriff ich die Feder. Aber wie unbedeutend wäre dies einzelne Zeichen
von einer Unbekannten gewesen! Also untersagte ich mir, an Sie zu schreiben,
bis in einer glücklichen Stunde ich Ihr Lob von Männern hörte, die Sie längst
kennen und verehret?. Dann ward der Vorsatz von neuem in mir rege. Jetzt
ist es nicht mehr die einzelne Blume der Bewunderung, die ich Ihnen übersende,
sondern der unverwelkliche Kranz, den Beifall und Achtung von Wieland und
Herder Ihnen wand! — Wieland hat vieles im Hesperus und Quintus aus¬
nehmend gefallen, er nennt Sie unsern Avril, unsern Rabelais; das reinste Ge¬
müt, den höchsten Schwung der Phantasie, die reichste Laune, die oft in deu
anmutigsten, überraschendsten Wendungen sich ergießt, dies alles erkennt er mit
inniger Freude in Ihren Schriften. — Vor einigen Tagen lasen wir in Ge¬
sellschaft das Programm vom Rektor Frendel. Sonst wirken Satiren, ans mich
wenigstens, beschränkend. Mit kaltem Sinn, selbst in der Dämmerung, schwingen
die meisten die Geißel der Satire willkürlich, oder der gereizte Affekt bewaffnet
ein Vorurteil gegen das andere. — Ihrem Blick hingegen hat sich ein weiter
Horizont eröffnet, Ihr Herz achtet jedes Glück der Empfindung, jede Blume
der Phantasie. Es ist eine helle Fackel, mit der Sie die Thorheiten und Un¬
arten beleuchten, und Scherz, Gefühl und Hoffnung folgen stets diesem Licht
Ihres Geistes. — Sie finden hier noch mehrere Freunde, deren Namen ich
Ihnen anch nennen muß: Herr von Knebel, der Übersetzer der Elegien von
Properz in den Hören, Herr von Einsiedel und von Kalb. — Ihre Schriften
gehören zu ihrer Lieblingslektüre, die noch lange ihr Lesepult zieren. Ja wir
hoffen, daß bei dieser Empfänglichkeit für Welt- und Menschenkenntnis und
diesem Talent, feine Individualitäten zu zeichnen, Sie uns noch viele Werke
Ihrer Feder schenken. — Leben Sie wohl, beglückt durch die Freuden der Natur,
erhöht durch die Genüsse der Kunst, und machen uns mit Ideale» bekannt, die
den Dichter ehren und den Leser veredeln werden!"

Dieser enthusiastische Brief konnte als reiner Ausdruck der Freude an Jean
Pauls geiht- und phautnsievolleu Erstlingsschriften gelten, und würde much eine
für Huldigungen minder empfängliche Natur, als die des jungen Schriftstellers
war, in freudige Erregung versetzt haben. Jean Paul verstand zwischen den
Zeilen zu lesen und erblickte in dem Briefe eine Einladung, sich an dem Musen-


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[0515] LlM'todt? von 7<ath und Paul. Von Kalb, geborne Marschall von Ostheim, an den jungen Schriftsteller Johann Punt Friedrich Richter in Hof, der sich „Jean Paul" nannte, abgehen ließ und der also lautete: „In den letzten Monaten wurden hier Ihre Schriften bekannt, sie erregten Aufmerksamkeit und vielen waren sie eine sehr willkommene Er¬ scheinung. Mir gaben sie die angenehmste Unterhaltung, und die schönsten Stunden in dieser Vergangenheit verdanke ich dieser Lektüre, bei der ich gerne verweilte, und in diesem Gednnlentranme schwanden die Bildungen Ihrer Phan¬ tasie gleich lieblichen Phantomen aus dem Geisterreiche meiner Seele vorüber. — Oft ward ich durch deu Reiz und Reichtum Ihrer Ideen so innigst beglückt, dankbar ergriff ich die Feder. Aber wie unbedeutend wäre dies einzelne Zeichen von einer Unbekannten gewesen! Also untersagte ich mir, an Sie zu schreiben, bis in einer glücklichen Stunde ich Ihr Lob von Männern hörte, die Sie längst kennen und verehret?. Dann ward der Vorsatz von neuem in mir rege. Jetzt ist es nicht mehr die einzelne Blume der Bewunderung, die ich Ihnen übersende, sondern der unverwelkliche Kranz, den Beifall und Achtung von Wieland und Herder Ihnen wand! — Wieland hat vieles im Hesperus und Quintus aus¬ nehmend gefallen, er nennt Sie unsern Avril, unsern Rabelais; das reinste Ge¬ müt, den höchsten Schwung der Phantasie, die reichste Laune, die oft in deu anmutigsten, überraschendsten Wendungen sich ergießt, dies alles erkennt er mit inniger Freude in Ihren Schriften. — Vor einigen Tagen lasen wir in Ge¬ sellschaft das Programm vom Rektor Frendel. Sonst wirken Satiren, ans mich wenigstens, beschränkend. Mit kaltem Sinn, selbst in der Dämmerung, schwingen die meisten die Geißel der Satire willkürlich, oder der gereizte Affekt bewaffnet ein Vorurteil gegen das andere. — Ihrem Blick hingegen hat sich ein weiter Horizont eröffnet, Ihr Herz achtet jedes Glück der Empfindung, jede Blume der Phantasie. Es ist eine helle Fackel, mit der Sie die Thorheiten und Un¬ arten beleuchten, und Scherz, Gefühl und Hoffnung folgen stets diesem Licht Ihres Geistes. — Sie finden hier noch mehrere Freunde, deren Namen ich Ihnen anch nennen muß: Herr von Knebel, der Übersetzer der Elegien von Properz in den Hören, Herr von Einsiedel und von Kalb. — Ihre Schriften gehören zu ihrer Lieblingslektüre, die noch lange ihr Lesepult zieren. Ja wir hoffen, daß bei dieser Empfänglichkeit für Welt- und Menschenkenntnis und diesem Talent, feine Individualitäten zu zeichnen, Sie uns noch viele Werke Ihrer Feder schenken. — Leben Sie wohl, beglückt durch die Freuden der Natur, erhöht durch die Genüsse der Kunst, und machen uns mit Ideale» bekannt, die den Dichter ehren und den Leser veredeln werden!" Dieser enthusiastische Brief konnte als reiner Ausdruck der Freude an Jean Pauls geiht- und phautnsievolleu Erstlingsschriften gelten, und würde much eine für Huldigungen minder empfängliche Natur, als die des jungen Schriftstellers war, in freudige Erregung versetzt haben. Jean Paul verstand zwischen den Zeilen zu lesen und erblickte in dem Briefe eine Einladung, sich an dem Musen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/515>, abgerufen am 23.07.2024.