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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Das Finale dieses Aktes ist der Situation nach mit dem des ersten sehr
verwandt. Wagner hat aber seine Steigerung zu finden gewußt und dein
Schlüsse des Ganzen einen lebhafter bewegten Charakter gegeben. Die Chöre
der Ritter, welche auf den Amfortas eindringen, und Amfortas' verzweifelte
Einreden geben eine gespannte dramatische Situation, welche von der Musik
ausgezeichnet unterstützt wird. Die Chöre haben einen kurzen, tumultuarischen
Charakter, die Partie des Amfortns ist für die Momente der Verzweiflung
jedenfalls besser als im ersten Akte erfunden und, wenn auch ohne eigentliche
Inspiration, doch mit musikalischen Bemühen geschrieben. Schon ist die Stelle,
wo Amfortas den Leichnam des Vaters im geöffneten Sarge erblickt. Da
stimmt das Orchester eine überwältigende Klage um und bleibt im Zuge. Es
steigert sich bis zu der Stelle, wo der Sohn zum toten Vater betet: "Einz'ge
Gnade," die zu den innigsten, wärmsten Bestandteilen nicht bloß des "Parsifal,"
sondern des gesammten Opernschatzes gehört.

Nachdem Pnrsisnl das Amt übernommen, schließt das Werk rasch, mit
frommen Klängen und stimmungsvoll.

Wir schließen unsern Bericht über das Bühnenweihfestspiel mit dem kurzen
Resümee, daß der "Parsifal" vieles große und eigentümlich bedeutende enthält.
Er ist namentlich durch lyrische" Reichtum ausgezeichnet. Aber er legt auch
die Schwächen der Wagnerschen Kunst in einer größeren Offenheit bloß, als
dies in den Werken der Fall ist, welche dem "Parsifal" zunächst vorangehen.

Was die Ausführung betrifft, so war sie uicht bis zum höchsten Grade
und in allen Punkten musterhaft und vollendet, jedoch in Anbetracht der Schwierig¬
keit des Werkes änßerst lobenswert. Zu der Vorstellung des "Nibelnngenriuges"
waren die Vorbereitungen vielleicht eingehender gewesen, und wir glauben, daß
damals eine größere und allseitigere Reinheit des Stiles in der Darstellung erzielt
worden ist. Diesmal waren einzelne Repräsentanten nicht ganz frei von den
Gewohnheiten der Schablone. Selbst die beiden Darsteller des Parsifal, welche
wir sahen, die Herren Winkelmann und Gndehns, blieben in der eigentlich
künstlerischen Darstellung, der mimischen wie der höhern musikalischen, ans einer
ganz bescheidenen Stufe stehen. Die Knndry wurde, soweit sie als verwildertes
Wesen aufzutreten hat, von Fräulein Brandt mit großer Genialität repräsentirt.
Die beiden Künstler, welche die Ehre des deutscheu Säugertums bei dieser Ge¬
legenheit in vollem Maße vertraten, waren die Herren Karl Hill und Emil Searia.
Schade, daß der erstere aus die undankbare Partie des Klingsor beschränkt war.
Über die Leistungen der Chöre haben wir unsre Bemerkung schon abgegeben.
Das Orchester der Münchener Hofkapelle, nnter der Leitung Hermann Levis,
zeigte das Streichquiutett als seineu bessern Teil.




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Das Finale dieses Aktes ist der Situation nach mit dem des ersten sehr
verwandt. Wagner hat aber seine Steigerung zu finden gewußt und dein
Schlüsse des Ganzen einen lebhafter bewegten Charakter gegeben. Die Chöre
der Ritter, welche auf den Amfortas eindringen, und Amfortas' verzweifelte
Einreden geben eine gespannte dramatische Situation, welche von der Musik
ausgezeichnet unterstützt wird. Die Chöre haben einen kurzen, tumultuarischen
Charakter, die Partie des Amfortns ist für die Momente der Verzweiflung
jedenfalls besser als im ersten Akte erfunden und, wenn auch ohne eigentliche
Inspiration, doch mit musikalischen Bemühen geschrieben. Schon ist die Stelle,
wo Amfortas den Leichnam des Vaters im geöffneten Sarge erblickt. Da
stimmt das Orchester eine überwältigende Klage um und bleibt im Zuge. Es
steigert sich bis zu der Stelle, wo der Sohn zum toten Vater betet: „Einz'ge
Gnade," die zu den innigsten, wärmsten Bestandteilen nicht bloß des „Parsifal,"
sondern des gesammten Opernschatzes gehört.

Nachdem Pnrsisnl das Amt übernommen, schließt das Werk rasch, mit
frommen Klängen und stimmungsvoll.

Wir schließen unsern Bericht über das Bühnenweihfestspiel mit dem kurzen
Resümee, daß der „Parsifal" vieles große und eigentümlich bedeutende enthält.
Er ist namentlich durch lyrische« Reichtum ausgezeichnet. Aber er legt auch
die Schwächen der Wagnerschen Kunst in einer größeren Offenheit bloß, als
dies in den Werken der Fall ist, welche dem „Parsifal" zunächst vorangehen.

Was die Ausführung betrifft, so war sie uicht bis zum höchsten Grade
und in allen Punkten musterhaft und vollendet, jedoch in Anbetracht der Schwierig¬
keit des Werkes änßerst lobenswert. Zu der Vorstellung des „Nibelnngenriuges"
waren die Vorbereitungen vielleicht eingehender gewesen, und wir glauben, daß
damals eine größere und allseitigere Reinheit des Stiles in der Darstellung erzielt
worden ist. Diesmal waren einzelne Repräsentanten nicht ganz frei von den
Gewohnheiten der Schablone. Selbst die beiden Darsteller des Parsifal, welche
wir sahen, die Herren Winkelmann und Gndehns, blieben in der eigentlich
künstlerischen Darstellung, der mimischen wie der höhern musikalischen, ans einer
ganz bescheidenen Stufe stehen. Die Knndry wurde, soweit sie als verwildertes
Wesen aufzutreten hat, von Fräulein Brandt mit großer Genialität repräsentirt.
Die beiden Künstler, welche die Ehre des deutscheu Säugertums bei dieser Ge¬
legenheit in vollem Maße vertraten, waren die Herren Karl Hill und Emil Searia.
Schade, daß der erstere aus die undankbare Partie des Klingsor beschränkt war.
Über die Leistungen der Chöre haben wir unsre Bemerkung schon abgegeben.
Das Orchester der Münchener Hofkapelle, nnter der Leitung Hermann Levis,
zeigte das Streichquiutett als seineu bessern Teil.




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[0513] Das Finale dieses Aktes ist der Situation nach mit dem des ersten sehr verwandt. Wagner hat aber seine Steigerung zu finden gewußt und dein Schlüsse des Ganzen einen lebhafter bewegten Charakter gegeben. Die Chöre der Ritter, welche auf den Amfortas eindringen, und Amfortas' verzweifelte Einreden geben eine gespannte dramatische Situation, welche von der Musik ausgezeichnet unterstützt wird. Die Chöre haben einen kurzen, tumultuarischen Charakter, die Partie des Amfortns ist für die Momente der Verzweiflung jedenfalls besser als im ersten Akte erfunden und, wenn auch ohne eigentliche Inspiration, doch mit musikalischen Bemühen geschrieben. Schon ist die Stelle, wo Amfortas den Leichnam des Vaters im geöffneten Sarge erblickt. Da stimmt das Orchester eine überwältigende Klage um und bleibt im Zuge. Es steigert sich bis zu der Stelle, wo der Sohn zum toten Vater betet: „Einz'ge Gnade," die zu den innigsten, wärmsten Bestandteilen nicht bloß des „Parsifal," sondern des gesammten Opernschatzes gehört. Nachdem Pnrsisnl das Amt übernommen, schließt das Werk rasch, mit frommen Klängen und stimmungsvoll. Wir schließen unsern Bericht über das Bühnenweihfestspiel mit dem kurzen Resümee, daß der „Parsifal" vieles große und eigentümlich bedeutende enthält. Er ist namentlich durch lyrische« Reichtum ausgezeichnet. Aber er legt auch die Schwächen der Wagnerschen Kunst in einer größeren Offenheit bloß, als dies in den Werken der Fall ist, welche dem „Parsifal" zunächst vorangehen. Was die Ausführung betrifft, so war sie uicht bis zum höchsten Grade und in allen Punkten musterhaft und vollendet, jedoch in Anbetracht der Schwierig¬ keit des Werkes änßerst lobenswert. Zu der Vorstellung des „Nibelnngenriuges" waren die Vorbereitungen vielleicht eingehender gewesen, und wir glauben, daß damals eine größere und allseitigere Reinheit des Stiles in der Darstellung erzielt worden ist. Diesmal waren einzelne Repräsentanten nicht ganz frei von den Gewohnheiten der Schablone. Selbst die beiden Darsteller des Parsifal, welche wir sahen, die Herren Winkelmann und Gndehns, blieben in der eigentlich künstlerischen Darstellung, der mimischen wie der höhern musikalischen, ans einer ganz bescheidenen Stufe stehen. Die Knndry wurde, soweit sie als verwildertes Wesen aufzutreten hat, von Fräulein Brandt mit großer Genialität repräsentirt. Die beiden Künstler, welche die Ehre des deutscheu Säugertums bei dieser Ge¬ legenheit in vollem Maße vertraten, waren die Herren Karl Hill und Emil Searia. Schade, daß der erstere aus die undankbare Partie des Klingsor beschränkt war. Über die Leistungen der Chöre haben wir unsre Bemerkung schon abgegeben. Das Orchester der Münchener Hofkapelle, nnter der Leitung Hermann Levis, zeigte das Streichquiutett als seineu bessern Teil. Grciizbvteu UI, Z882,<;->

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/513>, abgerufen am 23.07.2024.