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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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^aienbriefe von der Internationalen Annstausstcllung.

Bild benannt; ein Torreador scheint die elegante Gesellschaft zum Schauspiel
einzuladen, aber welcher Zeit gehört diese Gesellschaft um? Die Herren weisen
auf die Periode Ludwigs XV. hin, die Damen, ungepudert, scheinen der Gegen¬
wart anzugehören; aber vielleicht waren die Spanierinnen so verständig, ihr
Haar nicht zu verunstalten. Der virtuose Maler dieser zierlichen und galanten
Welt hat sich gleich daneben in eine abschreckende Historie aus ferner aragonischer
Zeit vertieft. Ein gekrönter Herr, Ramirv der Soundsovielte, umgeben vou
mehreren Geköpften, ein abgeschlagenes Haupt an einem Stricke schwebend, um
nach schöner, alter Sitte auf der Mauer aufgepflanzt zu werden, gegenüber eine
Gruppe vou Rittern mit grimmigen und bedenklichen Gesichtern: der Vorgang
wäre ganz verständlich, wenn anch nicht der Katalog geistreich erläuterte, der
König bedrohe die noch nicht geköpften Adlichen "mit den Folgen seiner Ge¬
walt." Weshalb die Szene "Die Glocke von Hnesea" heißt, werden bessere
Kenner der alten spanischen Geschichte wissen. Ein sehr gutes, ergreifendes Bild
ist "Johanna die Wahnsinnige am Sarge ihres Gemahls" von Pradilla
-- wir erinnern uns, daß die Untreue Philipps des Schönen die Ärmste um
deu Verstand gebracht hatte --, während Eseosuras "Karl V. bei Tizian"
einen wohl kaum beabsichtigt komischen Eindruck macht. Der alte Maler steht
wie ein Bilderhändler vor dem Kaiser, hinter dessen Rücken ein feistes Venns-
modell in der vorgeschriebenen Stellung beharrt und sich mit einem Papagei die
Zeit vertreibt.

Italien hat wenig eingesandt, und von dem Wenigen gehört das Beste
dein Genre an, das die Maler mit derselben Vorliebe zu pflege" scheinen wie
die Plastiker, aber mit mehr Verstand. Solchen Blödsinn, wie ihn die modernen
Bildhauer für die Friedhöfe des Landes oder für der Himmel weiß welche
Salons und Hallen in mißbrauchten Marmor meißeln, findet man da nicht,
wohl aber keck aus dem Leben gegriffene, manchmal mit gutem Humor behan¬
delte Stoffe. Magistretti (die Nachricht vom Tode Viktor Emanuels in Mai¬
land) und Lvvatti (Spazierfahrt) zeigen sich als Meister in der Darstellung
der Gegenwart.




Greiizvote" III, 1882.f.
^aienbriefe von der Internationalen Annstausstcllung.

Bild benannt; ein Torreador scheint die elegante Gesellschaft zum Schauspiel
einzuladen, aber welcher Zeit gehört diese Gesellschaft um? Die Herren weisen
auf die Periode Ludwigs XV. hin, die Damen, ungepudert, scheinen der Gegen¬
wart anzugehören; aber vielleicht waren die Spanierinnen so verständig, ihr
Haar nicht zu verunstalten. Der virtuose Maler dieser zierlichen und galanten
Welt hat sich gleich daneben in eine abschreckende Historie aus ferner aragonischer
Zeit vertieft. Ein gekrönter Herr, Ramirv der Soundsovielte, umgeben vou
mehreren Geköpften, ein abgeschlagenes Haupt an einem Stricke schwebend, um
nach schöner, alter Sitte auf der Mauer aufgepflanzt zu werden, gegenüber eine
Gruppe vou Rittern mit grimmigen und bedenklichen Gesichtern: der Vorgang
wäre ganz verständlich, wenn anch nicht der Katalog geistreich erläuterte, der
König bedrohe die noch nicht geköpften Adlichen „mit den Folgen seiner Ge¬
walt." Weshalb die Szene „Die Glocke von Hnesea" heißt, werden bessere
Kenner der alten spanischen Geschichte wissen. Ein sehr gutes, ergreifendes Bild
ist „Johanna die Wahnsinnige am Sarge ihres Gemahls" von Pradilla
— wir erinnern uns, daß die Untreue Philipps des Schönen die Ärmste um
deu Verstand gebracht hatte —, während Eseosuras „Karl V. bei Tizian"
einen wohl kaum beabsichtigt komischen Eindruck macht. Der alte Maler steht
wie ein Bilderhändler vor dem Kaiser, hinter dessen Rücken ein feistes Venns-
modell in der vorgeschriebenen Stellung beharrt und sich mit einem Papagei die
Zeit vertreibt.

Italien hat wenig eingesandt, und von dem Wenigen gehört das Beste
dein Genre an, das die Maler mit derselben Vorliebe zu pflege» scheinen wie
die Plastiker, aber mit mehr Verstand. Solchen Blödsinn, wie ihn die modernen
Bildhauer für die Friedhöfe des Landes oder für der Himmel weiß welche
Salons und Hallen in mißbrauchten Marmor meißeln, findet man da nicht,
wohl aber keck aus dem Leben gegriffene, manchmal mit gutem Humor behan¬
delte Stoffe. Magistretti (die Nachricht vom Tode Viktor Emanuels in Mai¬
land) und Lvvatti (Spazierfahrt) zeigen sich als Meister in der Darstellung
der Gegenwart.




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[0041] ^aienbriefe von der Internationalen Annstausstcllung. Bild benannt; ein Torreador scheint die elegante Gesellschaft zum Schauspiel einzuladen, aber welcher Zeit gehört diese Gesellschaft um? Die Herren weisen auf die Periode Ludwigs XV. hin, die Damen, ungepudert, scheinen der Gegen¬ wart anzugehören; aber vielleicht waren die Spanierinnen so verständig, ihr Haar nicht zu verunstalten. Der virtuose Maler dieser zierlichen und galanten Welt hat sich gleich daneben in eine abschreckende Historie aus ferner aragonischer Zeit vertieft. Ein gekrönter Herr, Ramirv der Soundsovielte, umgeben vou mehreren Geköpften, ein abgeschlagenes Haupt an einem Stricke schwebend, um nach schöner, alter Sitte auf der Mauer aufgepflanzt zu werden, gegenüber eine Gruppe vou Rittern mit grimmigen und bedenklichen Gesichtern: der Vorgang wäre ganz verständlich, wenn anch nicht der Katalog geistreich erläuterte, der König bedrohe die noch nicht geköpften Adlichen „mit den Folgen seiner Ge¬ walt." Weshalb die Szene „Die Glocke von Hnesea" heißt, werden bessere Kenner der alten spanischen Geschichte wissen. Ein sehr gutes, ergreifendes Bild ist „Johanna die Wahnsinnige am Sarge ihres Gemahls" von Pradilla — wir erinnern uns, daß die Untreue Philipps des Schönen die Ärmste um deu Verstand gebracht hatte —, während Eseosuras „Karl V. bei Tizian" einen wohl kaum beabsichtigt komischen Eindruck macht. Der alte Maler steht wie ein Bilderhändler vor dem Kaiser, hinter dessen Rücken ein feistes Venns- modell in der vorgeschriebenen Stellung beharrt und sich mit einem Papagei die Zeit vertreibt. Italien hat wenig eingesandt, und von dem Wenigen gehört das Beste dein Genre an, das die Maler mit derselben Vorliebe zu pflege» scheinen wie die Plastiker, aber mit mehr Verstand. Solchen Blödsinn, wie ihn die modernen Bildhauer für die Friedhöfe des Landes oder für der Himmel weiß welche Salons und Hallen in mißbrauchten Marmor meißeln, findet man da nicht, wohl aber keck aus dem Leben gegriffene, manchmal mit gutem Humor behan¬ delte Stoffe. Magistretti (die Nachricht vom Tode Viktor Emanuels in Mai¬ land) und Lvvatti (Spazierfahrt) zeigen sich als Meister in der Darstellung der Gegenwart. Greiizvote» III, 1882.f.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/41>, abgerufen am 01.07.2024.