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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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anderen Höfe den Eindruck behalten, daß uns diese Möglichkeit offen steht. Be¬
sonders für näher Verhältniß zu Österreich und den anderen deutschen Höfen halte
ich diesen Eindruck für entscheidend. Von dem Augenblicke an, wo ein österreichisch¬
französisches Bündnis, mit Ausschluß Preußens von demselben, zur Wahrheit
würde, zweifle ich nicht, daß Österreich einen sehr hohen Ton uns gegenüber
anstimmen und die deutschen Staaten keinen andern Kompaß für ihre Politik
mehr haben würden als den der Angst vor Frankreich und Österreich.... Reisende,
welche aus Paris kommen, erzählen, daß der Kaiser Napoleon gelegentlich zu
preußische" Offizieren . . . den Wunsch und die Hoffnung geäußert habe, die
preußischen Truppen bei einer Übung zu sehen. . . . Wenn das richtig wäre,
so würde ich in einem solchen Vesnche einen sehr gelungenen Abschluß der
preußischen Politik in der orientalische" Frage und eine eklatante Exempelprobe
für deren Nichtigkeit erblicken. Der Selbstherrscher der Franzosen hat dermalen
eine so entscheidende Bedeutung in den Kombinationen der europäischen Politik,
und seiue Freundschaft oder auch uur der Kredit des äußeren Anscheins derselben
wird vou den mächtigsten Monarchen so eifrig gesucht, daß es nicht bloß ein
formeller Beweis von Anerkennung, sondern eine Thatsache von politischem Gewicht
sein würde, wenn er nach der Ehre strebte, rufe-rin Allergnädigsten Herrn eiuen
Bestich zu machen, während die Kaiser von Österreich und Rußland vielleicht
damit umgehen, ihm bis Paris entgegenzukommen, und nicht wenige Monarchen
mir überlegen, wie sie ohne Nachteil für ihre Stellung dem Beispiele des Königs
von Württemberg folgen können. Man mag es beklagen, daß es so steht, aber
Thatsachen lassen sich nicht ändern, nnr benutzen, und wie die Dinge liegen,
stellt sich ein Besuch des französischen Kaisers in Berlin als ein diplomatischer
Gewinn, das Unterlassen der Einladung, falls die Velleität bei ihm wirklich
vorhanden ist, als ein politischer Fehler, meiner Ansicht nach, dar."

Wer erkennt nicht in alledem das Genie ersten Ranges ans dem Gebiete
der Politik? Gründliche Kenntnis, prophetischer Scharfblick, Kvmlnnationsgabe
seltenster Art, Energie und Entschlossenheit neben behutsamem Rechnen, alles ist
hier in gleich bewnndernswertem Maße vorhanden. Die wenigen Lehrjahre in
Frankfurt hatten rasch den Ministerdiplvmaten entwickelt, der von 1862 an Eu¬
ropa dnrch seine Thaten und Schöpfungen in Erstannen setzen und Deutschland
die ihm gebührende Geltung erwerben sollte.




anderen Höfe den Eindruck behalten, daß uns diese Möglichkeit offen steht. Be¬
sonders für näher Verhältniß zu Österreich und den anderen deutschen Höfen halte
ich diesen Eindruck für entscheidend. Von dem Augenblicke an, wo ein österreichisch¬
französisches Bündnis, mit Ausschluß Preußens von demselben, zur Wahrheit
würde, zweifle ich nicht, daß Österreich einen sehr hohen Ton uns gegenüber
anstimmen und die deutschen Staaten keinen andern Kompaß für ihre Politik
mehr haben würden als den der Angst vor Frankreich und Österreich.... Reisende,
welche aus Paris kommen, erzählen, daß der Kaiser Napoleon gelegentlich zu
preußische» Offizieren . . . den Wunsch und die Hoffnung geäußert habe, die
preußischen Truppen bei einer Übung zu sehen. . . . Wenn das richtig wäre,
so würde ich in einem solchen Vesnche einen sehr gelungenen Abschluß der
preußischen Politik in der orientalische» Frage und eine eklatante Exempelprobe
für deren Nichtigkeit erblicken. Der Selbstherrscher der Franzosen hat dermalen
eine so entscheidende Bedeutung in den Kombinationen der europäischen Politik,
und seiue Freundschaft oder auch uur der Kredit des äußeren Anscheins derselben
wird vou den mächtigsten Monarchen so eifrig gesucht, daß es nicht bloß ein
formeller Beweis von Anerkennung, sondern eine Thatsache von politischem Gewicht
sein würde, wenn er nach der Ehre strebte, rufe-rin Allergnädigsten Herrn eiuen
Bestich zu machen, während die Kaiser von Österreich und Rußland vielleicht
damit umgehen, ihm bis Paris entgegenzukommen, und nicht wenige Monarchen
mir überlegen, wie sie ohne Nachteil für ihre Stellung dem Beispiele des Königs
von Württemberg folgen können. Man mag es beklagen, daß es so steht, aber
Thatsachen lassen sich nicht ändern, nnr benutzen, und wie die Dinge liegen,
stellt sich ein Besuch des französischen Kaisers in Berlin als ein diplomatischer
Gewinn, das Unterlassen der Einladung, falls die Velleität bei ihm wirklich
vorhanden ist, als ein politischer Fehler, meiner Ansicht nach, dar."

Wer erkennt nicht in alledem das Genie ersten Ranges ans dem Gebiete
der Politik? Gründliche Kenntnis, prophetischer Scharfblick, Kvmlnnationsgabe
seltenster Art, Energie und Entschlossenheit neben behutsamem Rechnen, alles ist
hier in gleich bewnndernswertem Maße vorhanden. Die wenigen Lehrjahre in
Frankfurt hatten rasch den Ministerdiplvmaten entwickelt, der von 1862 an Eu¬
ropa dnrch seine Thaten und Schöpfungen in Erstannen setzen und Deutschland
die ihm gebührende Geltung erwerben sollte.




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[0403] anderen Höfe den Eindruck behalten, daß uns diese Möglichkeit offen steht. Be¬ sonders für näher Verhältniß zu Österreich und den anderen deutschen Höfen halte ich diesen Eindruck für entscheidend. Von dem Augenblicke an, wo ein österreichisch¬ französisches Bündnis, mit Ausschluß Preußens von demselben, zur Wahrheit würde, zweifle ich nicht, daß Österreich einen sehr hohen Ton uns gegenüber anstimmen und die deutschen Staaten keinen andern Kompaß für ihre Politik mehr haben würden als den der Angst vor Frankreich und Österreich.... Reisende, welche aus Paris kommen, erzählen, daß der Kaiser Napoleon gelegentlich zu preußische» Offizieren . . . den Wunsch und die Hoffnung geäußert habe, die preußischen Truppen bei einer Übung zu sehen. . . . Wenn das richtig wäre, so würde ich in einem solchen Vesnche einen sehr gelungenen Abschluß der preußischen Politik in der orientalische» Frage und eine eklatante Exempelprobe für deren Nichtigkeit erblicken. Der Selbstherrscher der Franzosen hat dermalen eine so entscheidende Bedeutung in den Kombinationen der europäischen Politik, und seiue Freundschaft oder auch uur der Kredit des äußeren Anscheins derselben wird vou den mächtigsten Monarchen so eifrig gesucht, daß es nicht bloß ein formeller Beweis von Anerkennung, sondern eine Thatsache von politischem Gewicht sein würde, wenn er nach der Ehre strebte, rufe-rin Allergnädigsten Herrn eiuen Bestich zu machen, während die Kaiser von Österreich und Rußland vielleicht damit umgehen, ihm bis Paris entgegenzukommen, und nicht wenige Monarchen mir überlegen, wie sie ohne Nachteil für ihre Stellung dem Beispiele des Königs von Württemberg folgen können. Man mag es beklagen, daß es so steht, aber Thatsachen lassen sich nicht ändern, nnr benutzen, und wie die Dinge liegen, stellt sich ein Besuch des französischen Kaisers in Berlin als ein diplomatischer Gewinn, das Unterlassen der Einladung, falls die Velleität bei ihm wirklich vorhanden ist, als ein politischer Fehler, meiner Ansicht nach, dar." Wer erkennt nicht in alledem das Genie ersten Ranges ans dem Gebiete der Politik? Gründliche Kenntnis, prophetischer Scharfblick, Kvmlnnationsgabe seltenster Art, Energie und Entschlossenheit neben behutsamem Rechnen, alles ist hier in gleich bewnndernswertem Maße vorhanden. Die wenigen Lehrjahre in Frankfurt hatten rasch den Ministerdiplvmaten entwickelt, der von 1862 an Eu¬ ropa dnrch seine Thaten und Schöpfungen in Erstannen setzen und Deutschland die ihm gebührende Geltung erwerben sollte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/403>, abgerufen am 25.08.2024.