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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Der jüngste Tag.

glauben. Sie stand auf dem Punkte, zu rebelliren und zu erklären, die Welt
dürfe nicht untergehen. Aber im ganzen und großen empfand sie doch, daß
die Regierung des Universums eine Sache sei, betreffs deren sie alle Hoffnung
ausgeben mußte, ihren Willen durchsetzen zu können. Indessen bemerkte man
leine Zunahme des religiösen Sinnes in der Township- Einige wurden auf eine
Weile von ihren Sünden zurückgeschreckt, aber eine leidenschaftliche Furcht dieser
Art ist die schlimmste Feindin wahrer Frömmigkeit.

Ich für meine Person, sagte Cynthy An", als sie mit Jonas nach Hause
ging, ich für meine Person glaube nichts von seinem Unsinn. John Wesley
(Jonas gehörte zur Sekte der Newlights, und Chnthy unterhielt sich mit ihm
immer über Wesley) wußte eiuen ganzen Hansen mehr über die heilige Schrift
als alle diese Hcmkins und Miller, die jemals auf der Welt waren, und ich
denke, er verstand sich auch auf die Zahlen. Warum sagte er denn nicht, daß
die Welt ans Rand lind Band zu gehen im Begriff sei? Und unser Vorsitzender
Ältester ist viel gelehrter als Hankins, und der sagt, daß Gott es niemandem
sage, wann die Welt ablaufen soll.

Das ist gut ausgedrückt, Cynthy Ann, erwiederte Jonas, ablaufen. Nach
Hankins ist die Welt, denk' ich, eine alte Wanduhr, in der die Feder nichts
mehr taugen will. Wie weiß denn Hankins, ob Zechels lebende Geschöpfe gerade
das und nicht was andres bedeuten? Er redet von diesen Rädern so natürlich,
als ob er ein Wagner wäre, der einen alten Vnggy wieder zusammenbaut. Er
sagt: Alles geht flöten. Keine Maiserute mehr auf dem fetten Bottomland,
keine Präsidentenwahl mehr in diesem freien und glorreichen Kolumbien, kein
vierter Juli mehr mit Schwärmern und Knallfröschen und sternbesäten Bannern,
nichts von dein allen mehr. Er rechnet und rechnet und spuckt dann auf seine
Schiefertafel und wischt uns alle ans. Sobald Gabriel bläst, will ichs glauben,
aber Hankinsens Getute statt dessen -- da danke ich schön. Ich lasse mich nicht
mit Blechtrompeten ins Bockshorn jagen nud mit ihren Pfeifen aus Melonen-
baumzweigen -- da sag' ich, vor solcher Musik wären Jerichos Mauern nicht
umgefallen, und auf die Art werden sie keine Sterns nicht herunterfallen lassen.

Hier mengte sich der alte Gottlieb Weste, der sich den Milleriten ange¬
schlossen hatte, ins Gespräch. Jonas, Sie machen Witze über die Bibel. Wenn
diese Gesichter in den Rädern und diese schrecklichen Räder in Rädern und diese
Zählen, die immer achtzehnhnndertunddreiundvierzig besagen -- wenn die nichts
Schreckliches bedenken sollen, was bedeuten sie denn dann, he?

Mein verehrter Freund und Mitbürger ans fremden Landen, sagte Jonas,
Sie treffen da den Nagel auf den Kopf und mit dem schwersten und größten
Schmiedehammer. Sie haben diesmal die Wahrheit beim Schöpfe gefaßt, wie
der amerikanische Vogel auf dem Wnppenschitde die Pfeile. Was haben sie zu
bedenken? Das ist eben die Frage, und ihr Milleriten argumentire immer wie
der Mann, der für seinen Hund garantirte, er sei ein guter Hund zur Coou-


Der jüngste Tag.

glauben. Sie stand auf dem Punkte, zu rebelliren und zu erklären, die Welt
dürfe nicht untergehen. Aber im ganzen und großen empfand sie doch, daß
die Regierung des Universums eine Sache sei, betreffs deren sie alle Hoffnung
ausgeben mußte, ihren Willen durchsetzen zu können. Indessen bemerkte man
leine Zunahme des religiösen Sinnes in der Township- Einige wurden auf eine
Weile von ihren Sünden zurückgeschreckt, aber eine leidenschaftliche Furcht dieser
Art ist die schlimmste Feindin wahrer Frömmigkeit.

Ich für meine Person, sagte Cynthy An», als sie mit Jonas nach Hause
ging, ich für meine Person glaube nichts von seinem Unsinn. John Wesley
(Jonas gehörte zur Sekte der Newlights, und Chnthy unterhielt sich mit ihm
immer über Wesley) wußte eiuen ganzen Hansen mehr über die heilige Schrift
als alle diese Hcmkins und Miller, die jemals auf der Welt waren, und ich
denke, er verstand sich auch auf die Zahlen. Warum sagte er denn nicht, daß
die Welt ans Rand lind Band zu gehen im Begriff sei? Und unser Vorsitzender
Ältester ist viel gelehrter als Hankins, und der sagt, daß Gott es niemandem
sage, wann die Welt ablaufen soll.

Das ist gut ausgedrückt, Cynthy Ann, erwiederte Jonas, ablaufen. Nach
Hankins ist die Welt, denk' ich, eine alte Wanduhr, in der die Feder nichts
mehr taugen will. Wie weiß denn Hankins, ob Zechels lebende Geschöpfe gerade
das und nicht was andres bedeuten? Er redet von diesen Rädern so natürlich,
als ob er ein Wagner wäre, der einen alten Vnggy wieder zusammenbaut. Er
sagt: Alles geht flöten. Keine Maiserute mehr auf dem fetten Bottomland,
keine Präsidentenwahl mehr in diesem freien und glorreichen Kolumbien, kein
vierter Juli mehr mit Schwärmern und Knallfröschen und sternbesäten Bannern,
nichts von dein allen mehr. Er rechnet und rechnet und spuckt dann auf seine
Schiefertafel und wischt uns alle ans. Sobald Gabriel bläst, will ichs glauben,
aber Hankinsens Getute statt dessen — da danke ich schön. Ich lasse mich nicht
mit Blechtrompeten ins Bockshorn jagen nud mit ihren Pfeifen aus Melonen-
baumzweigen — da sag' ich, vor solcher Musik wären Jerichos Mauern nicht
umgefallen, und auf die Art werden sie keine Sterns nicht herunterfallen lassen.

Hier mengte sich der alte Gottlieb Weste, der sich den Milleriten ange¬
schlossen hatte, ins Gespräch. Jonas, Sie machen Witze über die Bibel. Wenn
diese Gesichter in den Rädern und diese schrecklichen Räder in Rädern und diese
Zählen, die immer achtzehnhnndertunddreiundvierzig besagen — wenn die nichts
Schreckliches bedenken sollen, was bedeuten sie denn dann, he?

Mein verehrter Freund und Mitbürger ans fremden Landen, sagte Jonas,
Sie treffen da den Nagel auf den Kopf und mit dem schwersten und größten
Schmiedehammer. Sie haben diesmal die Wahrheit beim Schöpfe gefaßt, wie
der amerikanische Vogel auf dem Wnppenschitde die Pfeile. Was haben sie zu
bedenken? Das ist eben die Frage, und ihr Milleriten argumentire immer wie
der Mann, der für seinen Hund garantirte, er sei ein guter Hund zur Coou-


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[0382] Der jüngste Tag. glauben. Sie stand auf dem Punkte, zu rebelliren und zu erklären, die Welt dürfe nicht untergehen. Aber im ganzen und großen empfand sie doch, daß die Regierung des Universums eine Sache sei, betreffs deren sie alle Hoffnung ausgeben mußte, ihren Willen durchsetzen zu können. Indessen bemerkte man leine Zunahme des religiösen Sinnes in der Township- Einige wurden auf eine Weile von ihren Sünden zurückgeschreckt, aber eine leidenschaftliche Furcht dieser Art ist die schlimmste Feindin wahrer Frömmigkeit. Ich für meine Person, sagte Cynthy An», als sie mit Jonas nach Hause ging, ich für meine Person glaube nichts von seinem Unsinn. John Wesley (Jonas gehörte zur Sekte der Newlights, und Chnthy unterhielt sich mit ihm immer über Wesley) wußte eiuen ganzen Hansen mehr über die heilige Schrift als alle diese Hcmkins und Miller, die jemals auf der Welt waren, und ich denke, er verstand sich auch auf die Zahlen. Warum sagte er denn nicht, daß die Welt ans Rand lind Band zu gehen im Begriff sei? Und unser Vorsitzender Ältester ist viel gelehrter als Hankins, und der sagt, daß Gott es niemandem sage, wann die Welt ablaufen soll. Das ist gut ausgedrückt, Cynthy Ann, erwiederte Jonas, ablaufen. Nach Hankins ist die Welt, denk' ich, eine alte Wanduhr, in der die Feder nichts mehr taugen will. Wie weiß denn Hankins, ob Zechels lebende Geschöpfe gerade das und nicht was andres bedeuten? Er redet von diesen Rädern so natürlich, als ob er ein Wagner wäre, der einen alten Vnggy wieder zusammenbaut. Er sagt: Alles geht flöten. Keine Maiserute mehr auf dem fetten Bottomland, keine Präsidentenwahl mehr in diesem freien und glorreichen Kolumbien, kein vierter Juli mehr mit Schwärmern und Knallfröschen und sternbesäten Bannern, nichts von dein allen mehr. Er rechnet und rechnet und spuckt dann auf seine Schiefertafel und wischt uns alle ans. Sobald Gabriel bläst, will ichs glauben, aber Hankinsens Getute statt dessen — da danke ich schön. Ich lasse mich nicht mit Blechtrompeten ins Bockshorn jagen nud mit ihren Pfeifen aus Melonen- baumzweigen — da sag' ich, vor solcher Musik wären Jerichos Mauern nicht umgefallen, und auf die Art werden sie keine Sterns nicht herunterfallen lassen. Hier mengte sich der alte Gottlieb Weste, der sich den Milleriten ange¬ schlossen hatte, ins Gespräch. Jonas, Sie machen Witze über die Bibel. Wenn diese Gesichter in den Rädern und diese schrecklichen Räder in Rädern und diese Zählen, die immer achtzehnhnndertunddreiundvierzig besagen — wenn die nichts Schreckliches bedenken sollen, was bedeuten sie denn dann, he? Mein verehrter Freund und Mitbürger ans fremden Landen, sagte Jonas, Sie treffen da den Nagel auf den Kopf und mit dem schwersten und größten Schmiedehammer. Sie haben diesmal die Wahrheit beim Schöpfe gefaßt, wie der amerikanische Vogel auf dem Wnppenschitde die Pfeile. Was haben sie zu bedenken? Das ist eben die Frage, und ihr Milleriten argumentire immer wie der Mann, der für seinen Hund garantirte, er sei ein guter Hund zur Coou-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/382>, abgerufen am 01.07.2024.