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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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anzunehmen, durch Gase verursachte Erhebungen der Erdkruste, welche zerplatzt
und nun in konzentrischen Ringen um die jetzigen Vulkane herum tief uuter der
Oberfläche, dem Menschen unzugänglich, gelagert seien. Aber, abgesehen davon,
daß diese vulkanischen Erscheinungen doch nnr einen verhältnismäßig kleinen Teil
der Erdoberfläche betreffen können, haben auch genaue Untersuchungen der
Lagerungsverhältnisse ergebe",, daß selbst die größeren Vulkauriuge nur aus
Kegeln bestehen, die dnrch vulkanische Auswürfe entstanden, und daß die sedimen¬
tären Gesteine zu den Seiten der Vulkane in einer Weise gelagert erscheinen,
welche die Theorie der Erhebungskrater überhaupt unhaltbar macht. Beachtens¬
wert bleibt jedoch, daß die genannten Forscher bei ihren Katnstrophenthevrien
teilweise eine vollständige Neuschöpfung, jedenfalls einen wesentlichen Einfluß auf
die Umwandlung der überlebenden Arten durch Erdrevolutionen im Gegensatz
zu Lyell und seinen Anhängern annahmen.

H. Habenicht nnn, immer an der Voraussetzung eiues feurig-flüssigen, er¬
starrenden Erdkörpers festhaltend, hat versucht, nach den sich gegenwärtig bietenden
Gestaltungen der gesnmmten Erdoberfläche eine Rekonstruktion der früheren Ge-
staltungen im Bilde auszuführen, ähnlich einem archäologisch geschulten Archi¬
tekten, der etwa auf Samothrcike nach dem vorgefundenen Fundament und der
Lage und Struktur der zerstreut umherliegende"! Säulen und Blöcke die Rekon-
struktion des uralten Tempels der Arsinvö uns dem Papier unternehmen möchte,
nnr mit dem Unterschiede, daß der Architekt nach Trümmern die alte Herrlich¬
keit auferstehen läßt, während hier nach dem vollkommeneren Bilde die alten,
einfacheren und weniger entwickelten Formen aufgesucht werden.

Zu diesem Versuche führte den Autor der neuen Katastrophentheorie zu¬
nächst die Wahrnehmung, daß die Geologen, welche Lyells Anhänger sind, eben¬
sowenig wie Lyell selbst mit ihrer Theorie der allmählichen Entwicklung befrie¬
digende Erklärungen für große Probleme, wie die Entstehung der Gebirge, der
Lagerungsverhältnisse und der Bildung vieler Gesteine, die Entstehung der Kon¬
tinentalformen, die Verteilung von Wasser und Land A',. zu finden imstande sind.
Außer der Gestaltung der Kettengebirge, deren Dimensionen so gewaltig sind
und deren Material erwiesenermaßen zur Zeit des Bruchs so spröde war, daß
man sich die Faltungen, Übertippuugeu und Verwerfungen so ungeheuer harter
Massen gar nicht ohne große Katastrophen denken kann -- außer diesem Rätsel
der mächtigsten Verwerfungen und Ruuzeluugen der Erdrinde bieten sich noch
andre Erscheinungen, welche deu Anhängern Lyells als bedenkliche Einwürfe
entgegentreten und sie verhindern, die gewünschte Lösung der wichtigeren Auf¬
gabelt zu finden. Hinsichtlich der Lagerung der Gesteine ist auffallend, daß
sich Schichteukomplexe zu riesigen, in der Richtung des Gebirges laufenden
Parallelfällen zusammengepreßt zeigen, welche an den Stellen, wo die Krümmung
der Schichten am stärksten war, also an den obersten, augenscheinlich zerrissen
und so übereinandergestürzt sind, daß die ältesten Schichten oben, die jüngste"


anzunehmen, durch Gase verursachte Erhebungen der Erdkruste, welche zerplatzt
und nun in konzentrischen Ringen um die jetzigen Vulkane herum tief uuter der
Oberfläche, dem Menschen unzugänglich, gelagert seien. Aber, abgesehen davon,
daß diese vulkanischen Erscheinungen doch nnr einen verhältnismäßig kleinen Teil
der Erdoberfläche betreffen können, haben auch genaue Untersuchungen der
Lagerungsverhältnisse ergebe»,, daß selbst die größeren Vulkauriuge nur aus
Kegeln bestehen, die dnrch vulkanische Auswürfe entstanden, und daß die sedimen¬
tären Gesteine zu den Seiten der Vulkane in einer Weise gelagert erscheinen,
welche die Theorie der Erhebungskrater überhaupt unhaltbar macht. Beachtens¬
wert bleibt jedoch, daß die genannten Forscher bei ihren Katnstrophenthevrien
teilweise eine vollständige Neuschöpfung, jedenfalls einen wesentlichen Einfluß auf
die Umwandlung der überlebenden Arten durch Erdrevolutionen im Gegensatz
zu Lyell und seinen Anhängern annahmen.

H. Habenicht nnn, immer an der Voraussetzung eiues feurig-flüssigen, er¬
starrenden Erdkörpers festhaltend, hat versucht, nach den sich gegenwärtig bietenden
Gestaltungen der gesnmmten Erdoberfläche eine Rekonstruktion der früheren Ge-
staltungen im Bilde auszuführen, ähnlich einem archäologisch geschulten Archi¬
tekten, der etwa auf Samothrcike nach dem vorgefundenen Fundament und der
Lage und Struktur der zerstreut umherliegende«! Säulen und Blöcke die Rekon-
struktion des uralten Tempels der Arsinvö uns dem Papier unternehmen möchte,
nnr mit dem Unterschiede, daß der Architekt nach Trümmern die alte Herrlich¬
keit auferstehen läßt, während hier nach dem vollkommeneren Bilde die alten,
einfacheren und weniger entwickelten Formen aufgesucht werden.

Zu diesem Versuche führte den Autor der neuen Katastrophentheorie zu¬
nächst die Wahrnehmung, daß die Geologen, welche Lyells Anhänger sind, eben¬
sowenig wie Lyell selbst mit ihrer Theorie der allmählichen Entwicklung befrie¬
digende Erklärungen für große Probleme, wie die Entstehung der Gebirge, der
Lagerungsverhältnisse und der Bildung vieler Gesteine, die Entstehung der Kon¬
tinentalformen, die Verteilung von Wasser und Land A',. zu finden imstande sind.
Außer der Gestaltung der Kettengebirge, deren Dimensionen so gewaltig sind
und deren Material erwiesenermaßen zur Zeit des Bruchs so spröde war, daß
man sich die Faltungen, Übertippuugeu und Verwerfungen so ungeheuer harter
Massen gar nicht ohne große Katastrophen denken kann — außer diesem Rätsel
der mächtigsten Verwerfungen und Ruuzeluugen der Erdrinde bieten sich noch
andre Erscheinungen, welche deu Anhängern Lyells als bedenkliche Einwürfe
entgegentreten und sie verhindern, die gewünschte Lösung der wichtigeren Auf¬
gabelt zu finden. Hinsichtlich der Lagerung der Gesteine ist auffallend, daß
sich Schichteukomplexe zu riesigen, in der Richtung des Gebirges laufenden
Parallelfällen zusammengepreßt zeigen, welche an den Stellen, wo die Krümmung
der Schichten am stärksten war, also an den obersten, augenscheinlich zerrissen
und so übereinandergestürzt sind, daß die ältesten Schichten oben, die jüngste»


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/356>, abgerufen am 22.07.2024.