Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Amerikanische Sekten.

lösen ist. Durch Menschen siel die Erde, durch Menschen kann sie wieder auf¬
gerichtet werden. Jeder, der vom Vater erwühlt ist, hat das Recht, bei dieser
Wiederaufrichtung mit thätig zu sein, um nicht nnr durch die Arbeit seiner
Hände und die Erfindungsgabe seines Geistes, sondern anch durch die Sym¬
pathie seiner Seele die Welt mit Grün zu bedecken, die Luft mit Wohlgerüchen
zu erfüllen, die Vorratskammern mit Früchten zu bereichern. Der-Geist, in
welchem er arbeitet, ist ein neuer. Bis jetzt war ihm die Erde dienstbar, jetzt
ist sie sein Genosse und ihm durch himmlische Bande verbunden. Er schaut in
das Antlitz der Natur mit deu Augen eines Liebhabers, und die Hauptleiden¬
schaften seines Herzens wenden sich von seinem Gelde weg auf den Garten und
das Feld." Von deu Mormonen schreibt er u. a.: "Die Frauen des Pro¬
pheten müssen sich selbst durch Näharbeit, Lehren, Spinnen, Garnfärben und
Einmachen von Früchten erhalten. Jede Frau am Salzsee hat ihren Teil Arbeit,
jede nach ihren Gaben. Jede hat den festen Glauben, daß Arbeit edel und
heilig sei, ein Opfer, welches dem Menschen darzubringen zukömmt und Gott
annehmen müsse. Die Damen machen Handschuhe und Fächer, trocknen Pfirsiche
und Feigen, schneiden Muster, präpariren Sämereien, weben Leinen und stricken
Strümpfe. Lues und Emiline, bisweilen die Lichter von Vrighams Harem
genannt, sollen Wunderbares in der Kunst der Blumenstickerei leisten. Manches
von Emiliueus Näharbeit ist gewiß schön, und Susannens eingemachte Pfirsiche
sind unvergleichlich. Auf die Mäuner fallen die schwereren Arbeiten: ans dem
Felde, dein Graben und am Berge, wo sie den Boden aufbrechen, den Fluß ein¬
dämmen, den Ahorn und die Zwergeiche fällen, die Heerde weiden und das
wilde Pferd fangen. Aber es giebt eine gemeinschaftliche Arbeit, woran beide
Geschlechter ihren Anteil nehmen müssen, das ist das Erbauen der Häuser, die
Kultur des Gartens, das Errichten von Werkstätten und die Arbeit in den
Minen. Beide Geschlechter arbeiten hieran mit einem Aufwand von Energie
und Leidenschaft, wie er östlich von der Wasatschkette nicht gefunden wird. Die
Apostel pflügen, die Patriarchen treiben ein Gespann, der Präsident des Rates
der Siebzig begegnete mir mit einem Korbe selbstgezogener Pfirsiche, die er
zu Markte trug. . . . Diese Heiligen haben nicht einen einzigen faulen Herrn in
ihrer Gemeinde, selbst die Prälaten erhalten gleich allen ihren Geistlichen keinen
Gehalt, sondern müssen ihren Lebensunterhalt durch eigne Arbeit erwerben. Und
die unbezahlten Funktionen eines Bischofs sind sehr zahlreich, er hat nicht nur
auf das geistige Wohl seiner Heerde zu achten, sondern hat auch nachzusehen,
ob ihre Farmer kultivirt und ihre Häuser reinlich sind, ob sie ihre Kinder in
die Schule schicken und ihr Vieh füttern."

Ähnlich lauten die Berichte andrer Schriftsteller über diese und andre Sekten.
Sie alle heben hervor, daß der vortreffliche Acker- und Gartenbau dieser merkwür¬
digen Gemeinden nicht der Spekulation halber, soiudern hauptsächlich um seiner selbst
willen, als eine Art von Kultus getrieben wird, der seinen Lohn in sich selber findet.


Amerikanische Sekten.

lösen ist. Durch Menschen siel die Erde, durch Menschen kann sie wieder auf¬
gerichtet werden. Jeder, der vom Vater erwühlt ist, hat das Recht, bei dieser
Wiederaufrichtung mit thätig zu sein, um nicht nnr durch die Arbeit seiner
Hände und die Erfindungsgabe seines Geistes, sondern anch durch die Sym¬
pathie seiner Seele die Welt mit Grün zu bedecken, die Luft mit Wohlgerüchen
zu erfüllen, die Vorratskammern mit Früchten zu bereichern. Der-Geist, in
welchem er arbeitet, ist ein neuer. Bis jetzt war ihm die Erde dienstbar, jetzt
ist sie sein Genosse und ihm durch himmlische Bande verbunden. Er schaut in
das Antlitz der Natur mit deu Augen eines Liebhabers, und die Hauptleiden¬
schaften seines Herzens wenden sich von seinem Gelde weg auf den Garten und
das Feld." Von deu Mormonen schreibt er u. a.: „Die Frauen des Pro¬
pheten müssen sich selbst durch Näharbeit, Lehren, Spinnen, Garnfärben und
Einmachen von Früchten erhalten. Jede Frau am Salzsee hat ihren Teil Arbeit,
jede nach ihren Gaben. Jede hat den festen Glauben, daß Arbeit edel und
heilig sei, ein Opfer, welches dem Menschen darzubringen zukömmt und Gott
annehmen müsse. Die Damen machen Handschuhe und Fächer, trocknen Pfirsiche
und Feigen, schneiden Muster, präpariren Sämereien, weben Leinen und stricken
Strümpfe. Lues und Emiline, bisweilen die Lichter von Vrighams Harem
genannt, sollen Wunderbares in der Kunst der Blumenstickerei leisten. Manches
von Emiliueus Näharbeit ist gewiß schön, und Susannens eingemachte Pfirsiche
sind unvergleichlich. Auf die Mäuner fallen die schwereren Arbeiten: ans dem
Felde, dein Graben und am Berge, wo sie den Boden aufbrechen, den Fluß ein¬
dämmen, den Ahorn und die Zwergeiche fällen, die Heerde weiden und das
wilde Pferd fangen. Aber es giebt eine gemeinschaftliche Arbeit, woran beide
Geschlechter ihren Anteil nehmen müssen, das ist das Erbauen der Häuser, die
Kultur des Gartens, das Errichten von Werkstätten und die Arbeit in den
Minen. Beide Geschlechter arbeiten hieran mit einem Aufwand von Energie
und Leidenschaft, wie er östlich von der Wasatschkette nicht gefunden wird. Die
Apostel pflügen, die Patriarchen treiben ein Gespann, der Präsident des Rates
der Siebzig begegnete mir mit einem Korbe selbstgezogener Pfirsiche, die er
zu Markte trug. . . . Diese Heiligen haben nicht einen einzigen faulen Herrn in
ihrer Gemeinde, selbst die Prälaten erhalten gleich allen ihren Geistlichen keinen
Gehalt, sondern müssen ihren Lebensunterhalt durch eigne Arbeit erwerben. Und
die unbezahlten Funktionen eines Bischofs sind sehr zahlreich, er hat nicht nur
auf das geistige Wohl seiner Heerde zu achten, sondern hat auch nachzusehen,
ob ihre Farmer kultivirt und ihre Häuser reinlich sind, ob sie ihre Kinder in
die Schule schicken und ihr Vieh füttern."

Ähnlich lauten die Berichte andrer Schriftsteller über diese und andre Sekten.
Sie alle heben hervor, daß der vortreffliche Acker- und Gartenbau dieser merkwür¬
digen Gemeinden nicht der Spekulation halber, soiudern hauptsächlich um seiner selbst
willen, als eine Art von Kultus getrieben wird, der seinen Lohn in sich selber findet.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0023" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193364"/>
          <fw type="header" place="top"> Amerikanische Sekten.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_52" prev="#ID_51"> lösen ist. Durch Menschen siel die Erde, durch Menschen kann sie wieder auf¬<lb/>
gerichtet werden. Jeder, der vom Vater erwühlt ist, hat das Recht, bei dieser<lb/>
Wiederaufrichtung mit thätig zu sein, um nicht nnr durch die Arbeit seiner<lb/>
Hände und die Erfindungsgabe seines Geistes, sondern anch durch die Sym¬<lb/>
pathie seiner Seele die Welt mit Grün zu bedecken, die Luft mit Wohlgerüchen<lb/>
zu erfüllen, die Vorratskammern mit Früchten zu bereichern. Der-Geist, in<lb/>
welchem er arbeitet, ist ein neuer. Bis jetzt war ihm die Erde dienstbar, jetzt<lb/>
ist sie sein Genosse und ihm durch himmlische Bande verbunden. Er schaut in<lb/>
das Antlitz der Natur mit deu Augen eines Liebhabers, und die Hauptleiden¬<lb/>
schaften seines Herzens wenden sich von seinem Gelde weg auf den Garten und<lb/>
das Feld." Von deu Mormonen schreibt er u. a.: &#x201E;Die Frauen des Pro¬<lb/>
pheten müssen sich selbst durch Näharbeit, Lehren, Spinnen, Garnfärben und<lb/>
Einmachen von Früchten erhalten. Jede Frau am Salzsee hat ihren Teil Arbeit,<lb/>
jede nach ihren Gaben. Jede hat den festen Glauben, daß Arbeit edel und<lb/>
heilig sei, ein Opfer, welches dem Menschen darzubringen zukömmt und Gott<lb/>
annehmen müsse. Die Damen machen Handschuhe und Fächer, trocknen Pfirsiche<lb/>
und Feigen, schneiden Muster, präpariren Sämereien, weben Leinen und stricken<lb/>
Strümpfe. Lues und Emiline, bisweilen die Lichter von Vrighams Harem<lb/>
genannt, sollen Wunderbares in der Kunst der Blumenstickerei leisten. Manches<lb/>
von Emiliueus Näharbeit ist gewiß schön, und Susannens eingemachte Pfirsiche<lb/>
sind unvergleichlich. Auf die Mäuner fallen die schwereren Arbeiten: ans dem<lb/>
Felde, dein Graben und am Berge, wo sie den Boden aufbrechen, den Fluß ein¬<lb/>
dämmen, den Ahorn und die Zwergeiche fällen, die Heerde weiden und das<lb/>
wilde Pferd fangen. Aber es giebt eine gemeinschaftliche Arbeit, woran beide<lb/>
Geschlechter ihren Anteil nehmen müssen, das ist das Erbauen der Häuser, die<lb/>
Kultur des Gartens, das Errichten von Werkstätten und die Arbeit in den<lb/>
Minen. Beide Geschlechter arbeiten hieran mit einem Aufwand von Energie<lb/>
und Leidenschaft, wie er östlich von der Wasatschkette nicht gefunden wird. Die<lb/>
Apostel pflügen, die Patriarchen treiben ein Gespann, der Präsident des Rates<lb/>
der Siebzig begegnete mir mit einem Korbe selbstgezogener Pfirsiche, die er<lb/>
zu Markte trug. . . . Diese Heiligen haben nicht einen einzigen faulen Herrn in<lb/>
ihrer Gemeinde, selbst die Prälaten erhalten gleich allen ihren Geistlichen keinen<lb/>
Gehalt, sondern müssen ihren Lebensunterhalt durch eigne Arbeit erwerben. Und<lb/>
die unbezahlten Funktionen eines Bischofs sind sehr zahlreich, er hat nicht nur<lb/>
auf das geistige Wohl seiner Heerde zu achten, sondern hat auch nachzusehen,<lb/>
ob ihre Farmer kultivirt und ihre Häuser reinlich sind, ob sie ihre Kinder in<lb/>
die Schule schicken und ihr Vieh füttern."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_53"> Ähnlich lauten die Berichte andrer Schriftsteller über diese und andre Sekten.<lb/>
Sie alle heben hervor, daß der vortreffliche Acker- und Gartenbau dieser merkwür¬<lb/>
digen Gemeinden nicht der Spekulation halber, soiudern hauptsächlich um seiner selbst<lb/>
willen, als eine Art von Kultus getrieben wird, der seinen Lohn in sich selber findet.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0023] Amerikanische Sekten. lösen ist. Durch Menschen siel die Erde, durch Menschen kann sie wieder auf¬ gerichtet werden. Jeder, der vom Vater erwühlt ist, hat das Recht, bei dieser Wiederaufrichtung mit thätig zu sein, um nicht nnr durch die Arbeit seiner Hände und die Erfindungsgabe seines Geistes, sondern anch durch die Sym¬ pathie seiner Seele die Welt mit Grün zu bedecken, die Luft mit Wohlgerüchen zu erfüllen, die Vorratskammern mit Früchten zu bereichern. Der-Geist, in welchem er arbeitet, ist ein neuer. Bis jetzt war ihm die Erde dienstbar, jetzt ist sie sein Genosse und ihm durch himmlische Bande verbunden. Er schaut in das Antlitz der Natur mit deu Augen eines Liebhabers, und die Hauptleiden¬ schaften seines Herzens wenden sich von seinem Gelde weg auf den Garten und das Feld." Von deu Mormonen schreibt er u. a.: „Die Frauen des Pro¬ pheten müssen sich selbst durch Näharbeit, Lehren, Spinnen, Garnfärben und Einmachen von Früchten erhalten. Jede Frau am Salzsee hat ihren Teil Arbeit, jede nach ihren Gaben. Jede hat den festen Glauben, daß Arbeit edel und heilig sei, ein Opfer, welches dem Menschen darzubringen zukömmt und Gott annehmen müsse. Die Damen machen Handschuhe und Fächer, trocknen Pfirsiche und Feigen, schneiden Muster, präpariren Sämereien, weben Leinen und stricken Strümpfe. Lues und Emiline, bisweilen die Lichter von Vrighams Harem genannt, sollen Wunderbares in der Kunst der Blumenstickerei leisten. Manches von Emiliueus Näharbeit ist gewiß schön, und Susannens eingemachte Pfirsiche sind unvergleichlich. Auf die Mäuner fallen die schwereren Arbeiten: ans dem Felde, dein Graben und am Berge, wo sie den Boden aufbrechen, den Fluß ein¬ dämmen, den Ahorn und die Zwergeiche fällen, die Heerde weiden und das wilde Pferd fangen. Aber es giebt eine gemeinschaftliche Arbeit, woran beide Geschlechter ihren Anteil nehmen müssen, das ist das Erbauen der Häuser, die Kultur des Gartens, das Errichten von Werkstätten und die Arbeit in den Minen. Beide Geschlechter arbeiten hieran mit einem Aufwand von Energie und Leidenschaft, wie er östlich von der Wasatschkette nicht gefunden wird. Die Apostel pflügen, die Patriarchen treiben ein Gespann, der Präsident des Rates der Siebzig begegnete mir mit einem Korbe selbstgezogener Pfirsiche, die er zu Markte trug. . . . Diese Heiligen haben nicht einen einzigen faulen Herrn in ihrer Gemeinde, selbst die Prälaten erhalten gleich allen ihren Geistlichen keinen Gehalt, sondern müssen ihren Lebensunterhalt durch eigne Arbeit erwerben. Und die unbezahlten Funktionen eines Bischofs sind sehr zahlreich, er hat nicht nur auf das geistige Wohl seiner Heerde zu achten, sondern hat auch nachzusehen, ob ihre Farmer kultivirt und ihre Häuser reinlich sind, ob sie ihre Kinder in die Schule schicken und ihr Vieh füttern." Ähnlich lauten die Berichte andrer Schriftsteller über diese und andre Sekten. Sie alle heben hervor, daß der vortreffliche Acker- und Gartenbau dieser merkwür¬ digen Gemeinden nicht der Spekulation halber, soiudern hauptsächlich um seiner selbst willen, als eine Art von Kultus getrieben wird, der seinen Lohn in sich selber findet.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/23
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/23>, abgerufen am 22.07.2024.