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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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und Toiletten zu entschädigen sucht für den Mangel an den wahren Gittern
des Lebens.

Glücklich sind auch Graf Viktor und Gräfin Hyazinth in ihrer innigen
Liebe zu einander. Als das schöne, stolze Paar zum erstenmale nach der Hochzeit
das Stammschloß der Hüningen besuchte, um der Einweihung des Marmor-
denkmnls beizuwohnen, das nach Testamentsbestimmuug des alten Bankiers dein
unglücklich zu Tode gekommenen Amadeus, seinein heißgeliebten Sohne, errichtet
worden war, da mußte der Zuschauer wohl wünschen, daß die abgeschiedenen
Seelen nicht die Fähigkeit haben mochten, irdische Dinge zu sehen und irdischer
Dinge Gedächtnis zu bewahren. Der Gras hat jetzt seine Garnison in Potsdam
und ist Major bei einem der dort stehenden Gardekavallerieregimenter. Er hat
ausgezeichnet schöne Pferde, und bei den Korsofahrten Pflegt sein Gespann
allgemeines Aufsehen zu erregen. Oder ist es mehr die reizend Scholle Er¬
scheinung Hyaziutheus, neben dem Grafen auf hohem Sitze thronend, welche
die Blicke des Publikums nach dem Wagen des Grafen von Falkenfels
zieht?

Der Prinz von Pnroligune dagegen ist nicht sehr glücklich. Er denkt oft
darüber nach, warum er wohl schwermütig ist, aber kann den Grund nicht finden
und ist deshalb anch nicht imstande, seine Lage zu verbessern. Er hat eine
Forschungsreise nach dem Nordpol mitgemacht und ist dabei sechs Wochen laug
in einem Boot zwischen Eisfeldern an der Küste von Spitzbergen umhergetrieben
worden, in einer so ungünstigen Lage, daß er sich niemals hat gerade aus¬
strecken können. Als er nach seiner Rückkehr dem Grafen Falkenfels über diese
Expedition berichtete, da meinte der Graf, es müsse doch eine schreckliche Strapaze
sein, sechs Wochen laug zwischen Kisten, Netzen und Gewehren in einem Boot
eingekeilt bei Spitzbergen umherzuschwimmen, ohne sich auch nur gerade aus¬
strecken zu können. Aber der Prinz zuckte die Achseln. Das Boot war etwas
zu kurz, mein lieber Viktor, sagte er, aber was sind solche Unbequemlichkeiten
gegen das fürchterliche Einerlei des Lebens in Paris! Er behauptet dem Grafen
Viktor gegenüber, er habe zu viel Geld und das verderbe ihm die Laune. Es
muß in allen Dingen Maß herrschen, mein lieber Viktor, sagt er, und ein Ver¬
mögen, welches allen Ansprüchen des Besitzers genügt, ist erfreulich. Aber so
viele Millionen, wie ich durch meine Ehe mit der armen Chepa bekommen habe,
sind lästig. Für einen alten Juden mag ein solcher Reichtum gut sein, aber für
einen Edelmann, der an ein hartes Leben gewöhnt ist und eigentlich nnr an der
Jagd Geschmack findet, für den taugt er nicht. Nun habe ich uicht allein die
Sorge der Verwaltung und muß bestündig im Kurszettel lesen, sondern ich zer¬
breche nur auch stets den Kopf, wie ich es wohl am besten einrichte, um das
Geld recht zu genießen. Ich dächte, dem wäre leicht abzuhelfen, entgegnete der
Graf. Schenke das Geld doch milden Stiftungen. O ja, versetzte der Prinz,
wenn ich dazu nur Lust hätte. Aber ich merke, daß der Reichtum etwas korrum-


und Toiletten zu entschädigen sucht für den Mangel an den wahren Gittern
des Lebens.

Glücklich sind auch Graf Viktor und Gräfin Hyazinth in ihrer innigen
Liebe zu einander. Als das schöne, stolze Paar zum erstenmale nach der Hochzeit
das Stammschloß der Hüningen besuchte, um der Einweihung des Marmor-
denkmnls beizuwohnen, das nach Testamentsbestimmuug des alten Bankiers dein
unglücklich zu Tode gekommenen Amadeus, seinein heißgeliebten Sohne, errichtet
worden war, da mußte der Zuschauer wohl wünschen, daß die abgeschiedenen
Seelen nicht die Fähigkeit haben mochten, irdische Dinge zu sehen und irdischer
Dinge Gedächtnis zu bewahren. Der Gras hat jetzt seine Garnison in Potsdam
und ist Major bei einem der dort stehenden Gardekavallerieregimenter. Er hat
ausgezeichnet schöne Pferde, und bei den Korsofahrten Pflegt sein Gespann
allgemeines Aufsehen zu erregen. Oder ist es mehr die reizend Scholle Er¬
scheinung Hyaziutheus, neben dem Grafen auf hohem Sitze thronend, welche
die Blicke des Publikums nach dem Wagen des Grafen von Falkenfels
zieht?

Der Prinz von Pnroligune dagegen ist nicht sehr glücklich. Er denkt oft
darüber nach, warum er wohl schwermütig ist, aber kann den Grund nicht finden
und ist deshalb anch nicht imstande, seine Lage zu verbessern. Er hat eine
Forschungsreise nach dem Nordpol mitgemacht und ist dabei sechs Wochen laug
in einem Boot zwischen Eisfeldern an der Küste von Spitzbergen umhergetrieben
worden, in einer so ungünstigen Lage, daß er sich niemals hat gerade aus¬
strecken können. Als er nach seiner Rückkehr dem Grafen Falkenfels über diese
Expedition berichtete, da meinte der Graf, es müsse doch eine schreckliche Strapaze
sein, sechs Wochen laug zwischen Kisten, Netzen und Gewehren in einem Boot
eingekeilt bei Spitzbergen umherzuschwimmen, ohne sich auch nur gerade aus¬
strecken zu können. Aber der Prinz zuckte die Achseln. Das Boot war etwas
zu kurz, mein lieber Viktor, sagte er, aber was sind solche Unbequemlichkeiten
gegen das fürchterliche Einerlei des Lebens in Paris! Er behauptet dem Grafen
Viktor gegenüber, er habe zu viel Geld und das verderbe ihm die Laune. Es
muß in allen Dingen Maß herrschen, mein lieber Viktor, sagt er, und ein Ver¬
mögen, welches allen Ansprüchen des Besitzers genügt, ist erfreulich. Aber so
viele Millionen, wie ich durch meine Ehe mit der armen Chepa bekommen habe,
sind lästig. Für einen alten Juden mag ein solcher Reichtum gut sein, aber für
einen Edelmann, der an ein hartes Leben gewöhnt ist und eigentlich nnr an der
Jagd Geschmack findet, für den taugt er nicht. Nun habe ich uicht allein die
Sorge der Verwaltung und muß bestündig im Kurszettel lesen, sondern ich zer¬
breche nur auch stets den Kopf, wie ich es wohl am besten einrichte, um das
Geld recht zu genießen. Ich dächte, dem wäre leicht abzuhelfen, entgegnete der
Graf. Schenke das Geld doch milden Stiftungen. O ja, versetzte der Prinz,
wenn ich dazu nur Lust hätte. Aber ich merke, daß der Reichtum etwas korrum-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/197>, abgerufen am 01.07.2024.