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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Es kam kein Zweifel darüber bestehen, daß dieser "Aufbau" mit seinen
kleineren Ablegern an den vier Ecken die Entscheidung zu Gunsten Wallots
herbeigeführt oder doch das Material gegeben hat, an dieselbe zu motiviren.
Das "Zentralblatt der Bauverwaltung," von dem man annehmen darf, daß
es die Anschauungen einiger sehr maßgebenden Jurymitglieder vertritt oder den¬
selben wenigstens nicht fremd gegenübersteht, legt mit einem für ein Fnchblatt
ganz ungewöhnlichen Enthusiasmus einige schwere Accente auf diesen "herrlichen
Kuppelbau, welcher das Ganze wirkungsvoll beherrscht und in seiner frischen
Ursprünglichst geeignet ist, die Silhouette der Reichshauptstadt mit einer günz
eigenartigen Erscheinung zu bereichern." Obwohl der Aufbau und die vier Eck¬
thürme für ein Arsenal oder eine Burganlage charakteristischer wäre als für
ein Neichstagsgebciude, wollen wir uns diese "eigenartige Erscheinung" gern
gefallen lassen, wenn nur die Fanden, besonders die nach dein Königsplatze,
nicht so überaus trivial, matt und kleinlich wären. Das Mittel- und die Eck¬
risalite treten uicht kräftig genug hervor, um der Faende einen lebhafter,?
Rhythmus zu geben. Der Eingang erfolgt im Mittelrisnlit durch drei ruud-
bogige Thüren, die so einfach, niedrig und schmucklos sind, daß sie auf den
Namen eines Portals keinen Anspruch macheu können. Wohl ist das Fenster¬
system im obern Stockwerk sehr reich und mannichfaltig ausgebildet, wohl er¬
hebt sich der Mittelbau über das Gesims der Seitenteile und ist mit einer
Attika lind einer Germaniastatne darüber gekrönt; aber dieser reiche Apparat
drückt noch mehr auf die niedrigen Thüröffnungen. Dieser Mittelbau tritt auch
in schroffe" Widerspruch zu der Dekoration der übrigen Fayadenteile, für welche
die Formation der abgedroschensten römischen Palasttypen maßgebend gewesen
ist. Ruudbogige, von ionischen Halbsäulen eingefaßte Fenster mit Giebeln und
Galerien an den Brüstungen sind im Hauptgeschoß angebracht. In den Zwickeln
der Bögen liegen Figuren: seit Sansovino seine Markusbibliothek gebaut hat,
ist dieses Motiv so unzähligemale wiederholt worden, daß ein Künstler, der
einen so originellen Kuppelbau erfunden hat, wie Wallot, desselben wohl ent-
raten konnte. Wenn man diesen Kuppelbau übrigens ganz streng auf seine Ori¬
ginalität prüfen wollte, würde man das Verdienst der letzteren anch an ihm etwas
einschränken müssen. Der Justizpalast in Brüssel wird ebenfalls von einem
viereckigen Aufbau gekrönt, welcher aber noch reicher, vielgestaltiger und wir¬
kungsvoller ist und von seiner stolzen Höhe herab die Stadt ganz anders be¬
herrscht, als es der Wallotsche Aufbau thu" wird.

Ungleich geringer sind die Ausstellungen, die man gegen den Grundriß
Wallots erheben kann. Als Mittelpunkt des Ganzen ist das vor dem Sitzuugs-
saale liegende Foyer gedacht, welches von allen Seiten gleich leicht zu erreichen
ist. Es liegt dort, wo sich Mittel- und Queraxe schneiden. Von der Seite
des Brandenburger Thores wie vom Alsenplcche aus führen Korridore in gerader
Linie in das Foyer. Vom Köuigsplatzc aus steigt man anf einer doppelarmia.er


Es kam kein Zweifel darüber bestehen, daß dieser „Aufbau" mit seinen
kleineren Ablegern an den vier Ecken die Entscheidung zu Gunsten Wallots
herbeigeführt oder doch das Material gegeben hat, an dieselbe zu motiviren.
Das „Zentralblatt der Bauverwaltung," von dem man annehmen darf, daß
es die Anschauungen einiger sehr maßgebenden Jurymitglieder vertritt oder den¬
selben wenigstens nicht fremd gegenübersteht, legt mit einem für ein Fnchblatt
ganz ungewöhnlichen Enthusiasmus einige schwere Accente auf diesen „herrlichen
Kuppelbau, welcher das Ganze wirkungsvoll beherrscht und in seiner frischen
Ursprünglichst geeignet ist, die Silhouette der Reichshauptstadt mit einer günz
eigenartigen Erscheinung zu bereichern." Obwohl der Aufbau und die vier Eck¬
thürme für ein Arsenal oder eine Burganlage charakteristischer wäre als für
ein Neichstagsgebciude, wollen wir uns diese „eigenartige Erscheinung" gern
gefallen lassen, wenn nur die Fanden, besonders die nach dein Königsplatze,
nicht so überaus trivial, matt und kleinlich wären. Das Mittel- und die Eck¬
risalite treten uicht kräftig genug hervor, um der Faende einen lebhafter,?
Rhythmus zu geben. Der Eingang erfolgt im Mittelrisnlit durch drei ruud-
bogige Thüren, die so einfach, niedrig und schmucklos sind, daß sie auf den
Namen eines Portals keinen Anspruch macheu können. Wohl ist das Fenster¬
system im obern Stockwerk sehr reich und mannichfaltig ausgebildet, wohl er¬
hebt sich der Mittelbau über das Gesims der Seitenteile und ist mit einer
Attika lind einer Germaniastatne darüber gekrönt; aber dieser reiche Apparat
drückt noch mehr auf die niedrigen Thüröffnungen. Dieser Mittelbau tritt auch
in schroffe» Widerspruch zu der Dekoration der übrigen Fayadenteile, für welche
die Formation der abgedroschensten römischen Palasttypen maßgebend gewesen
ist. Ruudbogige, von ionischen Halbsäulen eingefaßte Fenster mit Giebeln und
Galerien an den Brüstungen sind im Hauptgeschoß angebracht. In den Zwickeln
der Bögen liegen Figuren: seit Sansovino seine Markusbibliothek gebaut hat,
ist dieses Motiv so unzähligemale wiederholt worden, daß ein Künstler, der
einen so originellen Kuppelbau erfunden hat, wie Wallot, desselben wohl ent-
raten konnte. Wenn man diesen Kuppelbau übrigens ganz streng auf seine Ori¬
ginalität prüfen wollte, würde man das Verdienst der letzteren anch an ihm etwas
einschränken müssen. Der Justizpalast in Brüssel wird ebenfalls von einem
viereckigen Aufbau gekrönt, welcher aber noch reicher, vielgestaltiger und wir¬
kungsvoller ist und von seiner stolzen Höhe herab die Stadt ganz anders be¬
herrscht, als es der Wallotsche Aufbau thu« wird.

Ungleich geringer sind die Ausstellungen, die man gegen den Grundriß
Wallots erheben kann. Als Mittelpunkt des Ganzen ist das vor dem Sitzuugs-
saale liegende Foyer gedacht, welches von allen Seiten gleich leicht zu erreichen
ist. Es liegt dort, wo sich Mittel- und Queraxe schneiden. Von der Seite
des Brandenburger Thores wie vom Alsenplcche aus führen Korridore in gerader
Linie in das Foyer. Vom Köuigsplatzc aus steigt man anf einer doppelarmia.er


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[0187] Es kam kein Zweifel darüber bestehen, daß dieser „Aufbau" mit seinen kleineren Ablegern an den vier Ecken die Entscheidung zu Gunsten Wallots herbeigeführt oder doch das Material gegeben hat, an dieselbe zu motiviren. Das „Zentralblatt der Bauverwaltung," von dem man annehmen darf, daß es die Anschauungen einiger sehr maßgebenden Jurymitglieder vertritt oder den¬ selben wenigstens nicht fremd gegenübersteht, legt mit einem für ein Fnchblatt ganz ungewöhnlichen Enthusiasmus einige schwere Accente auf diesen „herrlichen Kuppelbau, welcher das Ganze wirkungsvoll beherrscht und in seiner frischen Ursprünglichst geeignet ist, die Silhouette der Reichshauptstadt mit einer günz eigenartigen Erscheinung zu bereichern." Obwohl der Aufbau und die vier Eck¬ thürme für ein Arsenal oder eine Burganlage charakteristischer wäre als für ein Neichstagsgebciude, wollen wir uns diese „eigenartige Erscheinung" gern gefallen lassen, wenn nur die Fanden, besonders die nach dein Königsplatze, nicht so überaus trivial, matt und kleinlich wären. Das Mittel- und die Eck¬ risalite treten uicht kräftig genug hervor, um der Faende einen lebhafter,? Rhythmus zu geben. Der Eingang erfolgt im Mittelrisnlit durch drei ruud- bogige Thüren, die so einfach, niedrig und schmucklos sind, daß sie auf den Namen eines Portals keinen Anspruch macheu können. Wohl ist das Fenster¬ system im obern Stockwerk sehr reich und mannichfaltig ausgebildet, wohl er¬ hebt sich der Mittelbau über das Gesims der Seitenteile und ist mit einer Attika lind einer Germaniastatne darüber gekrönt; aber dieser reiche Apparat drückt noch mehr auf die niedrigen Thüröffnungen. Dieser Mittelbau tritt auch in schroffe» Widerspruch zu der Dekoration der übrigen Fayadenteile, für welche die Formation der abgedroschensten römischen Palasttypen maßgebend gewesen ist. Ruudbogige, von ionischen Halbsäulen eingefaßte Fenster mit Giebeln und Galerien an den Brüstungen sind im Hauptgeschoß angebracht. In den Zwickeln der Bögen liegen Figuren: seit Sansovino seine Markusbibliothek gebaut hat, ist dieses Motiv so unzähligemale wiederholt worden, daß ein Künstler, der einen so originellen Kuppelbau erfunden hat, wie Wallot, desselben wohl ent- raten konnte. Wenn man diesen Kuppelbau übrigens ganz streng auf seine Ori¬ ginalität prüfen wollte, würde man das Verdienst der letzteren anch an ihm etwas einschränken müssen. Der Justizpalast in Brüssel wird ebenfalls von einem viereckigen Aufbau gekrönt, welcher aber noch reicher, vielgestaltiger und wir¬ kungsvoller ist und von seiner stolzen Höhe herab die Stadt ganz anders be¬ herrscht, als es der Wallotsche Aufbau thu« wird. Ungleich geringer sind die Ausstellungen, die man gegen den Grundriß Wallots erheben kann. Als Mittelpunkt des Ganzen ist das vor dem Sitzuugs- saale liegende Foyer gedacht, welches von allen Seiten gleich leicht zu erreichen ist. Es liegt dort, wo sich Mittel- und Queraxe schneiden. Von der Seite des Brandenburger Thores wie vom Alsenplcche aus führen Korridore in gerader Linie in das Foyer. Vom Köuigsplatzc aus steigt man anf einer doppelarmia.er

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/187>, abgerufen am 22.07.2024.