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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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wünschen vielmehr, daß eine größere Anzahl von Studenten sich eine tiefere,
wirklich wissenschaftliche Durchbildung erwerbe, daß eine erhöhte Einsicht in die
Prinzipien und Ziele der Wissenschaft ein regeres Interesse erwecke, welches mit
seinem belebenden Hnnche die Jahre der spätern Praxis durchdringe und den
einzelnen besser in den Stand setze, die Fälle der Praxis im Lichte der Wissen¬
schaft zu betrachten.

Man hat den Mangel an hinreichender Anleitung zu selbständiger Thätig¬
keit für den Studenten längst erkannt und demselben durch Einführung der
Seminarien abzuhelfen gesucht. Diese Einrichtung wirkt anch vortrefflich, sie
hat uur den Fehler, daß die Zahl der in den Seminarien Aufnahme findenden
Studenten verhältnismäßig klein ist und, wenn die Übungen fruchtbar sein
sollen, auch nur klein sein kann, svdnß ein beträchtlicher Teil der Studenten
leer ausgeht. Auch von seiten der Studentenwelt ist dieser Mangel empfunden
wurden, und das Bedürfnis nach Gelegenheit zu selbständiger Thätigkeit hat
namentlich im Lause des letzten Jahrzehnts in der Schöpfung zahlloser wissen¬
schaftlicher Vereine sich Luft gemacht. So wenig wir deren Bedeutung für das
Studentenleben unterschätzen, so wenig dürfen wir in ihnen ein hinreichendes
Korrektiv gegen jene Übelstände sehen. Am wenigsten können Nur uns mit den
dort gehaltenen Vorträge" befreunden. Sie werden von Studenten vor Stu¬
denten gehalten, und wer da weiß, wie schwer es ist, einen eben gehörten wissen¬
schaftlichen Bortrag gehörig zu beurteilen, selbst wenn mau in seinem Fache
mehr ist als ein Student, wird mit uns der Ansicht sein, daß solche in studen¬
tischen Bereinen gehaltene Vorträge der nötigen Kritik nicht begegnen, anch wenn
man Referenten oder Korreferenten einführt. Die wissenschaftliche Thätigkeit
der Studenten soll an die akademischen Lehren sich anschließen: die Professoren
sind die berufenen Kritiker dieser Vortrüge, dieser Arbeiten und an diese sich
anknüpfenden Debatten, und nnr einer erfahrenen Leitung wird es möglich sein,
jenen Vereinen die nötige Vertiefung und Gründlichkeit zuzuführen.

Es fragt sich nun, was zu thun ist. Deu Professoren, welche durch Leitung
der ordentliche" Seminare sowie dnrch ihre Vorlesungen hinreichend in Anspruch
genommen sind, wird man schwerlich zumuten wollen, anch noch diese Übungen
zu überwachen. Es scheint also zur Abhilfe kein Mittel näher zu liege" als
das, zu welchem die Naturwissenschaften und die Medizin längst gegriffen habe":
die Anstellung von Assistenten.

Sollen hierzu junge Männer von hervorragender Tüchtigkeit und Befähigung
gewonnen, soll außerdem die Anomalie fern gehalten werden, daß Leute, welche
öfter schon einen Namen von wissenschaftlichem Klänge haben und in gereifterem
Alter stehen, sich mit einem unanskömmlichen Gehalt bescheiden müssen, so würde
etwa in folgender Weise zu Verfahren sein.

Aus der Zahl der Assessoren und der geprüften Schul- bez. Predigtamts¬
kandidaten wähle man solche ans, die Lust und Liebe zu akademischer Thätigkeit


wünschen vielmehr, daß eine größere Anzahl von Studenten sich eine tiefere,
wirklich wissenschaftliche Durchbildung erwerbe, daß eine erhöhte Einsicht in die
Prinzipien und Ziele der Wissenschaft ein regeres Interesse erwecke, welches mit
seinem belebenden Hnnche die Jahre der spätern Praxis durchdringe und den
einzelnen besser in den Stand setze, die Fälle der Praxis im Lichte der Wissen¬
schaft zu betrachten.

Man hat den Mangel an hinreichender Anleitung zu selbständiger Thätig¬
keit für den Studenten längst erkannt und demselben durch Einführung der
Seminarien abzuhelfen gesucht. Diese Einrichtung wirkt anch vortrefflich, sie
hat uur den Fehler, daß die Zahl der in den Seminarien Aufnahme findenden
Studenten verhältnismäßig klein ist und, wenn die Übungen fruchtbar sein
sollen, auch nur klein sein kann, svdnß ein beträchtlicher Teil der Studenten
leer ausgeht. Auch von seiten der Studentenwelt ist dieser Mangel empfunden
wurden, und das Bedürfnis nach Gelegenheit zu selbständiger Thätigkeit hat
namentlich im Lause des letzten Jahrzehnts in der Schöpfung zahlloser wissen¬
schaftlicher Vereine sich Luft gemacht. So wenig wir deren Bedeutung für das
Studentenleben unterschätzen, so wenig dürfen wir in ihnen ein hinreichendes
Korrektiv gegen jene Übelstände sehen. Am wenigsten können Nur uns mit den
dort gehaltenen Vorträge» befreunden. Sie werden von Studenten vor Stu¬
denten gehalten, und wer da weiß, wie schwer es ist, einen eben gehörten wissen¬
schaftlichen Bortrag gehörig zu beurteilen, selbst wenn mau in seinem Fache
mehr ist als ein Student, wird mit uns der Ansicht sein, daß solche in studen¬
tischen Bereinen gehaltene Vorträge der nötigen Kritik nicht begegnen, anch wenn
man Referenten oder Korreferenten einführt. Die wissenschaftliche Thätigkeit
der Studenten soll an die akademischen Lehren sich anschließen: die Professoren
sind die berufenen Kritiker dieser Vortrüge, dieser Arbeiten und an diese sich
anknüpfenden Debatten, und nnr einer erfahrenen Leitung wird es möglich sein,
jenen Vereinen die nötige Vertiefung und Gründlichkeit zuzuführen.

Es fragt sich nun, was zu thun ist. Deu Professoren, welche durch Leitung
der ordentliche» Seminare sowie dnrch ihre Vorlesungen hinreichend in Anspruch
genommen sind, wird man schwerlich zumuten wollen, anch noch diese Übungen
zu überwachen. Es scheint also zur Abhilfe kein Mittel näher zu liege» als
das, zu welchem die Naturwissenschaften und die Medizin längst gegriffen habe»:
die Anstellung von Assistenten.

Sollen hierzu junge Männer von hervorragender Tüchtigkeit und Befähigung
gewonnen, soll außerdem die Anomalie fern gehalten werden, daß Leute, welche
öfter schon einen Namen von wissenschaftlichem Klänge haben und in gereifterem
Alter stehen, sich mit einem unanskömmlichen Gehalt bescheiden müssen, so würde
etwa in folgender Weise zu Verfahren sein.

Aus der Zahl der Assessoren und der geprüften Schul- bez. Predigtamts¬
kandidaten wähle man solche ans, die Lust und Liebe zu akademischer Thätigkeit


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[0173] wünschen vielmehr, daß eine größere Anzahl von Studenten sich eine tiefere, wirklich wissenschaftliche Durchbildung erwerbe, daß eine erhöhte Einsicht in die Prinzipien und Ziele der Wissenschaft ein regeres Interesse erwecke, welches mit seinem belebenden Hnnche die Jahre der spätern Praxis durchdringe und den einzelnen besser in den Stand setze, die Fälle der Praxis im Lichte der Wissen¬ schaft zu betrachten. Man hat den Mangel an hinreichender Anleitung zu selbständiger Thätig¬ keit für den Studenten längst erkannt und demselben durch Einführung der Seminarien abzuhelfen gesucht. Diese Einrichtung wirkt anch vortrefflich, sie hat uur den Fehler, daß die Zahl der in den Seminarien Aufnahme findenden Studenten verhältnismäßig klein ist und, wenn die Übungen fruchtbar sein sollen, auch nur klein sein kann, svdnß ein beträchtlicher Teil der Studenten leer ausgeht. Auch von seiten der Studentenwelt ist dieser Mangel empfunden wurden, und das Bedürfnis nach Gelegenheit zu selbständiger Thätigkeit hat namentlich im Lause des letzten Jahrzehnts in der Schöpfung zahlloser wissen¬ schaftlicher Vereine sich Luft gemacht. So wenig wir deren Bedeutung für das Studentenleben unterschätzen, so wenig dürfen wir in ihnen ein hinreichendes Korrektiv gegen jene Übelstände sehen. Am wenigsten können Nur uns mit den dort gehaltenen Vorträge» befreunden. Sie werden von Studenten vor Stu¬ denten gehalten, und wer da weiß, wie schwer es ist, einen eben gehörten wissen¬ schaftlichen Bortrag gehörig zu beurteilen, selbst wenn mau in seinem Fache mehr ist als ein Student, wird mit uns der Ansicht sein, daß solche in studen¬ tischen Bereinen gehaltene Vorträge der nötigen Kritik nicht begegnen, anch wenn man Referenten oder Korreferenten einführt. Die wissenschaftliche Thätigkeit der Studenten soll an die akademischen Lehren sich anschließen: die Professoren sind die berufenen Kritiker dieser Vortrüge, dieser Arbeiten und an diese sich anknüpfenden Debatten, und nnr einer erfahrenen Leitung wird es möglich sein, jenen Vereinen die nötige Vertiefung und Gründlichkeit zuzuführen. Es fragt sich nun, was zu thun ist. Deu Professoren, welche durch Leitung der ordentliche» Seminare sowie dnrch ihre Vorlesungen hinreichend in Anspruch genommen sind, wird man schwerlich zumuten wollen, anch noch diese Übungen zu überwachen. Es scheint also zur Abhilfe kein Mittel näher zu liege» als das, zu welchem die Naturwissenschaften und die Medizin längst gegriffen habe»: die Anstellung von Assistenten. Sollen hierzu junge Männer von hervorragender Tüchtigkeit und Befähigung gewonnen, soll außerdem die Anomalie fern gehalten werden, daß Leute, welche öfter schon einen Namen von wissenschaftlichem Klänge haben und in gereifterem Alter stehen, sich mit einem unanskömmlichen Gehalt bescheiden müssen, so würde etwa in folgender Weise zu Verfahren sein. Aus der Zahl der Assessoren und der geprüften Schul- bez. Predigtamts¬ kandidaten wähle man solche ans, die Lust und Liebe zu akademischer Thätigkeit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/173>, abgerufen am 24.08.2024.