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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Ldmund Höfer.

Fenster" und "Der wilde Hans" ("Bewegtes Leben," 1856), die Hauptteile von
"Nvrien, Erinnerungen einer alten Frau" (1858), die Geschichte "Lorelei" (1861)
zuerst mit dem historischen Hintergrund der französischen Fremdherrschaft, der
dann in einer Reihe von andern Erzählungen wiederkehrte, anschließen, ferner
den mehr geurehaste breiten und schon nach der Seite der Wiederholungen hin¬
neigenden, aber mit einer Originalfigur wie die des Altermann und Kaufherrn
Adam Ryke ausgestatteten Roman "Altermann Ryke," in dem ein paar Momente
von höchster dichterischer, andre freilich nur von gewöhnlicher Romanwirkung sind.
Darnach hebt die lange Reihe der Produktionen an, in welchen nur bestimmte
Einzelheiten den Ansprüchen genügen, die man doch uach den vorgedachten An¬
fängen an Höfer zu stellen berechtigt war, oder in denen eine und die andre
gehaltreiche und meisterhafte zwischen den vielen minder guten Arbeiten erscheinen.
Bon Zeit zu Zeit flammt die alte Glut oder das alte milde Licht in diesen
späteren Bildern ans, im allgemeinen aber zeigen sie die verhängnisvollen Wirkungen
der Schnellprodnktion, hinter der weder ein mächtig überwältigendes Weltleben
noch ein reiches Gedankenleben steht.

Unter den spätern Produktionen Hofers nennen wir "Auf deutscher Erde"
(1860), "Die Honoratiorentochter" (1861), "Unter der Fremdherrschaft" mit
der prächtigen Episvdenfigur der Gräfin Hebe (1863), "Neue Geschichten," mit
der eigentümlichen wenn schon uicht gerade erquicklichen Geschichte "Fran Venus"
(1867), "Ein Findling" (1868), "In der Welt verloren" (1869), "Unter
fliegenden Fahnen" (1872), "Der Demagoge" (1872), "Erzählungen ans der
Heimat" (1874), "Der Junker" (1374), "Dunkle Fenster" (1379). Die Reihe
wäre noch viel vollzähliger zu machen; indeß wir möchten über das nicht hinaus¬
gehen, was uns zu Gesicht gekommen. Hie und da ist wie gesagt ein Aufblitzen
der alten Kraft und eine Rückkehr zum Genuß künstlerischen Ausgestaltens und
Volleudens erkennbar, im allgemeinen aber geht in der Hast des Prodnzirens
der warme lebendige Vortrag nach und nach verloren, der Stil verwildert durch
Abstraktionen und glatt prosaische Berichte, die zwischen die wirklich ausgeführte,:
Momente der Erzählungen eingeschoben werden. Und weil dem Erzähler noch
stets die alten Landschaften, Gestalten und Lebenssituationen vorschweben, weil
sie sich unablässig in seine neueren Gebilde hereindrängen, so entsteht in be¬
ständiger Wiederholung des Früheren eine förmliche Manier. Gewisse Dinge
kehren wie nach einem Recept wieder: Die Gruppirung der gegenwärtigen Vor¬
gänge um irgend ein Skelett im Hause, ein weit zurückliegendes Verbrechen oder
sonstig nachwirkendes Unheil, ein düsteres Element in ein paar Gestalten, welches
einzelnen Vorgängen den Charakter des spukhaften und Gespenstigen giebt, ein
paar trotzige Menschen, die ans den: festesten Kernholz des vergangenen Jahr¬
hunderts und der abgelegensten Landstriche geschnitzt sind und wohl brechen, aber
nie biegen können, und dazwischen dann die weicheren, liebenswürdigeren Naturen,
die zuletzt ziemlich schablonenhaft erscheinen.


Ldmund Höfer.

Fenster" und „Der wilde Hans" („Bewegtes Leben," 1856), die Hauptteile von
„Nvrien, Erinnerungen einer alten Frau" (1858), die Geschichte „Lorelei" (1861)
zuerst mit dem historischen Hintergrund der französischen Fremdherrschaft, der
dann in einer Reihe von andern Erzählungen wiederkehrte, anschließen, ferner
den mehr geurehaste breiten und schon nach der Seite der Wiederholungen hin¬
neigenden, aber mit einer Originalfigur wie die des Altermann und Kaufherrn
Adam Ryke ausgestatteten Roman „Altermann Ryke," in dem ein paar Momente
von höchster dichterischer, andre freilich nur von gewöhnlicher Romanwirkung sind.
Darnach hebt die lange Reihe der Produktionen an, in welchen nur bestimmte
Einzelheiten den Ansprüchen genügen, die man doch uach den vorgedachten An¬
fängen an Höfer zu stellen berechtigt war, oder in denen eine und die andre
gehaltreiche und meisterhafte zwischen den vielen minder guten Arbeiten erscheinen.
Bon Zeit zu Zeit flammt die alte Glut oder das alte milde Licht in diesen
späteren Bildern ans, im allgemeinen aber zeigen sie die verhängnisvollen Wirkungen
der Schnellprodnktion, hinter der weder ein mächtig überwältigendes Weltleben
noch ein reiches Gedankenleben steht.

Unter den spätern Produktionen Hofers nennen wir „Auf deutscher Erde"
(1860), „Die Honoratiorentochter" (1861), „Unter der Fremdherrschaft" mit
der prächtigen Episvdenfigur der Gräfin Hebe (1863), „Neue Geschichten," mit
der eigentümlichen wenn schon uicht gerade erquicklichen Geschichte „Fran Venus"
(1867), „Ein Findling" (1868), „In der Welt verloren" (1869), „Unter
fliegenden Fahnen" (1872), „Der Demagoge" (1872), „Erzählungen ans der
Heimat" (1874), „Der Junker" (1374), „Dunkle Fenster" (1379). Die Reihe
wäre noch viel vollzähliger zu machen; indeß wir möchten über das nicht hinaus¬
gehen, was uns zu Gesicht gekommen. Hie und da ist wie gesagt ein Aufblitzen
der alten Kraft und eine Rückkehr zum Genuß künstlerischen Ausgestaltens und
Volleudens erkennbar, im allgemeinen aber geht in der Hast des Prodnzirens
der warme lebendige Vortrag nach und nach verloren, der Stil verwildert durch
Abstraktionen und glatt prosaische Berichte, die zwischen die wirklich ausgeführte,:
Momente der Erzählungen eingeschoben werden. Und weil dem Erzähler noch
stets die alten Landschaften, Gestalten und Lebenssituationen vorschweben, weil
sie sich unablässig in seine neueren Gebilde hereindrängen, so entsteht in be¬
ständiger Wiederholung des Früheren eine förmliche Manier. Gewisse Dinge
kehren wie nach einem Recept wieder: Die Gruppirung der gegenwärtigen Vor¬
gänge um irgend ein Skelett im Hause, ein weit zurückliegendes Verbrechen oder
sonstig nachwirkendes Unheil, ein düsteres Element in ein paar Gestalten, welches
einzelnen Vorgängen den Charakter des spukhaften und Gespenstigen giebt, ein
paar trotzige Menschen, die ans den: festesten Kernholz des vergangenen Jahr¬
hunderts und der abgelegensten Landstriche geschnitzt sind und wohl brechen, aber
nie biegen können, und dazwischen dann die weicheren, liebenswürdigeren Naturen,
die zuletzt ziemlich schablonenhaft erscheinen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/136>, abgerufen am 01.07.2024.