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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Die deutschen Frauen und die soziale Frage.

Darlegung zu beleben und ihre Überzeugungskraft zu verstärken. Besonders den
Abschnitt über deu Islam empfehlen wir der allgemeinen Beachtung, da hier
zu einer Beurteilung der brennenden Orientfrage und ihrer verschiedenen Lösungs-
versuche mauche wichtigen Gesichtspunkte an die Hand gegeben werden.

Zum Schluß machen wir noch auf einen Druckfehler aufmerksam, der leicht
zu Mißverständnissen Anlaß geben könnte: Seite 8, letzte Zeile muß es süd¬
westlich statt südöstlich heißen (vgl. S. 11 f. n. S. 266).




Die deutschen Frauen und die soziale Frage.

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e unliebenswürdige Aufnahme, welche Frau Gertrud Guillaume
Gräfin Schack mit ihrem gegen die Prostitution gerichteten Vor¬
gehen jüngst in Darmstadt gefunden hat -- die Polizei hat dort
einen öffentlichen Vortrag der kampfeseifrigen Dame, weil er "un¬
sittlich" sei, unterbrochen -- hat in weiten Kreisen lebhaftes In¬
teresse wachgerufen und die Frage nach dein Berufe der deutschen Frauen zum
Kampfe gegen die sozialen Schäden der Gegenwart wieder einmal in den Vorder¬
grund gedrängt.

Ich verzichte hier darauf, das Verfcchreu der Darmstädter Polizei gegen
Frau Guillaume irgendwie zu beurteilen. Gewiß darf man es bedauern, daß
der für ihre Sache mit Aufopferung kümpfenden hochachtbaren Frau ein so ver¬
letzender Konflikt mit den berufenen Wahrern der öffentlichen Sitte und Ord¬
nung nicht hat erspart werden rönnen. Aber ganz abgesehen von diesem Zwischen¬
falle kann ich mich der Überzeugung nicht verschließen, daß das Streben, die
Prvstitntionssrage zur Sache der öffentlichen Agitation in den Kreisen der dent-
schen Frauen zu machen, in sich selbst so viel Bedenkliches birgt, daß Frau
Guillaume und die ihr gleichgesinnten Damen doch wohl daran thäten, in der
sich ihrem Streben entgegenstellenden ablehnenden Kälte der gebildeten Frauen-
kreise nicht lediglich einen Sporn zu um so rücksichtsloserem Vorgehen zu er¬
blicken, sondern es sich ernstlich zu überlegen, ob nicht die Wirksamkeit der Frauen
gegen die sittliche Verwilderung des eigenen Geschlechts zweckmäßiger in andre
Bahnen zu leiten, in einer andern Richtung zu entfalten sei. Es ist wahr, was
Pastor Fliedner aus Kaiserswerth auf dem Kongreß der innern Mission zu Bonn
1881 sagte: "In dem Kampfe gegen die Unsittlichkeit darf die Hilfe der Frauen
nicht zurückgewiesen werden." Wir wollen diese Hilfe nicht zurückweisen; im
Gegenteil, recht ausgiebig und nachdrücklich wollen wir sie in Anspruch nehmen
ans den Teilen des sozialen Schlachtfeldes, auf welche sie hingehört, aber das


Grenzbvwn III. 1882. 15
Die deutschen Frauen und die soziale Frage.

Darlegung zu beleben und ihre Überzeugungskraft zu verstärken. Besonders den
Abschnitt über deu Islam empfehlen wir der allgemeinen Beachtung, da hier
zu einer Beurteilung der brennenden Orientfrage und ihrer verschiedenen Lösungs-
versuche mauche wichtigen Gesichtspunkte an die Hand gegeben werden.

Zum Schluß machen wir noch auf einen Druckfehler aufmerksam, der leicht
zu Mißverständnissen Anlaß geben könnte: Seite 8, letzte Zeile muß es süd¬
westlich statt südöstlich heißen (vgl. S. 11 f. n. S. 266).




Die deutschen Frauen und die soziale Frage.

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e unliebenswürdige Aufnahme, welche Frau Gertrud Guillaume
Gräfin Schack mit ihrem gegen die Prostitution gerichteten Vor¬
gehen jüngst in Darmstadt gefunden hat — die Polizei hat dort
einen öffentlichen Vortrag der kampfeseifrigen Dame, weil er „un¬
sittlich" sei, unterbrochen — hat in weiten Kreisen lebhaftes In¬
teresse wachgerufen und die Frage nach dein Berufe der deutschen Frauen zum
Kampfe gegen die sozialen Schäden der Gegenwart wieder einmal in den Vorder¬
grund gedrängt.

Ich verzichte hier darauf, das Verfcchreu der Darmstädter Polizei gegen
Frau Guillaume irgendwie zu beurteilen. Gewiß darf man es bedauern, daß
der für ihre Sache mit Aufopferung kümpfenden hochachtbaren Frau ein so ver¬
letzender Konflikt mit den berufenen Wahrern der öffentlichen Sitte und Ord¬
nung nicht hat erspart werden rönnen. Aber ganz abgesehen von diesem Zwischen¬
falle kann ich mich der Überzeugung nicht verschließen, daß das Streben, die
Prvstitntionssrage zur Sache der öffentlichen Agitation in den Kreisen der dent-
schen Frauen zu machen, in sich selbst so viel Bedenkliches birgt, daß Frau
Guillaume und die ihr gleichgesinnten Damen doch wohl daran thäten, in der
sich ihrem Streben entgegenstellenden ablehnenden Kälte der gebildeten Frauen-
kreise nicht lediglich einen Sporn zu um so rücksichtsloserem Vorgehen zu er¬
blicken, sondern es sich ernstlich zu überlegen, ob nicht die Wirksamkeit der Frauen
gegen die sittliche Verwilderung des eigenen Geschlechts zweckmäßiger in andre
Bahnen zu leiten, in einer andern Richtung zu entfalten sei. Es ist wahr, was
Pastor Fliedner aus Kaiserswerth auf dem Kongreß der innern Mission zu Bonn
1881 sagte: „In dem Kampfe gegen die Unsittlichkeit darf die Hilfe der Frauen
nicht zurückgewiesen werden." Wir wollen diese Hilfe nicht zurückweisen; im
Gegenteil, recht ausgiebig und nachdrücklich wollen wir sie in Anspruch nehmen
ans den Teilen des sozialen Schlachtfeldes, auf welche sie hingehört, aber das


Grenzbvwn III. 1882. 15
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[0121] Die deutschen Frauen und die soziale Frage. Darlegung zu beleben und ihre Überzeugungskraft zu verstärken. Besonders den Abschnitt über deu Islam empfehlen wir der allgemeinen Beachtung, da hier zu einer Beurteilung der brennenden Orientfrage und ihrer verschiedenen Lösungs- versuche mauche wichtigen Gesichtspunkte an die Hand gegeben werden. Zum Schluß machen wir noch auf einen Druckfehler aufmerksam, der leicht zu Mißverständnissen Anlaß geben könnte: Seite 8, letzte Zeile muß es süd¬ westlich statt südöstlich heißen (vgl. S. 11 f. n. S. 266). Die deutschen Frauen und die soziale Frage. l e unliebenswürdige Aufnahme, welche Frau Gertrud Guillaume Gräfin Schack mit ihrem gegen die Prostitution gerichteten Vor¬ gehen jüngst in Darmstadt gefunden hat — die Polizei hat dort einen öffentlichen Vortrag der kampfeseifrigen Dame, weil er „un¬ sittlich" sei, unterbrochen — hat in weiten Kreisen lebhaftes In¬ teresse wachgerufen und die Frage nach dein Berufe der deutschen Frauen zum Kampfe gegen die sozialen Schäden der Gegenwart wieder einmal in den Vorder¬ grund gedrängt. Ich verzichte hier darauf, das Verfcchreu der Darmstädter Polizei gegen Frau Guillaume irgendwie zu beurteilen. Gewiß darf man es bedauern, daß der für ihre Sache mit Aufopferung kümpfenden hochachtbaren Frau ein so ver¬ letzender Konflikt mit den berufenen Wahrern der öffentlichen Sitte und Ord¬ nung nicht hat erspart werden rönnen. Aber ganz abgesehen von diesem Zwischen¬ falle kann ich mich der Überzeugung nicht verschließen, daß das Streben, die Prvstitntionssrage zur Sache der öffentlichen Agitation in den Kreisen der dent- schen Frauen zu machen, in sich selbst so viel Bedenkliches birgt, daß Frau Guillaume und die ihr gleichgesinnten Damen doch wohl daran thäten, in der sich ihrem Streben entgegenstellenden ablehnenden Kälte der gebildeten Frauen- kreise nicht lediglich einen Sporn zu um so rücksichtsloserem Vorgehen zu er¬ blicken, sondern es sich ernstlich zu überlegen, ob nicht die Wirksamkeit der Frauen gegen die sittliche Verwilderung des eigenen Geschlechts zweckmäßiger in andre Bahnen zu leiten, in einer andern Richtung zu entfalten sei. Es ist wahr, was Pastor Fliedner aus Kaiserswerth auf dem Kongreß der innern Mission zu Bonn 1881 sagte: „In dem Kampfe gegen die Unsittlichkeit darf die Hilfe der Frauen nicht zurückgewiesen werden." Wir wollen diese Hilfe nicht zurückweisen; im Gegenteil, recht ausgiebig und nachdrücklich wollen wir sie in Anspruch nehmen ans den Teilen des sozialen Schlachtfeldes, auf welche sie hingehört, aber das Grenzbvwn III. 1882. 15

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/121>, abgerufen am 23.07.2024.