Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Eduard von Hart"lala als Politiker. reine Gemeindeangelegcnheit, und für die Schulpflegc war die Gemeinde wenigstens Schon die bürgerliche Gemeinde sorgt gegenwärtig mit besserem Erfolge Eduard von Hart»lala als Politiker. reine Gemeindeangelegcnheit, und für die Schulpflegc war die Gemeinde wenigstens Schon die bürgerliche Gemeinde sorgt gegenwärtig mit besserem Erfolge <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0542" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151264"/> <fw type="header" place="top"> Eduard von Hart»lala als Politiker.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1760" prev="#ID_1759"> reine Gemeindeangelegcnheit, und für die Schulpflegc war die Gemeinde wenigstens<lb/> der nächststehende und darum der naturgemäße Träger; seit aber das Freizügig-<lb/> kcitsgesctz die beständige Fluctuation der Bevölkerung zur Regel und die lebens¬<lb/> längliche Ortsaugchörigkeit mindestens in den Städten zur Ausnahme gemacht<lb/> hat, muß auch die Last des Schul- und Armenwesens von dem Reiche über¬<lb/> nommen werden, innerhalb dessen die Fluctuation stattfindet, und welches in<lb/> der gehörigen Schulbildung ein eminent nationales, nicht bloß eommunales In¬<lb/> teresse zu erkennen hat. . , , Indem das Reich den Einzelstaaten die Mittel zur<lb/> Tragung dieser Lasten gewährt, ist es in Wahrheit der Trüger derselben; indem<lb/> aber die Verwendung dieser Mittel vom Reiche den Einzelstaaten und von diesen<lb/> wieder den Gemeinden überlassen wird, behauptet das Princip der Decentrali-<lb/> sation und der localen Autonomie den ihm gebührenden Platz in der Verwal¬<lb/> tung der Schul- und Armenangelegenheiten, , , . Somit erweist sich aus finanz¬<lb/> politischem Gesichtspunkt der Umschwung der deutschen Wirthschaftspolitik als<lb/> dringende Forderung der Zeit, In der äußern Politik ooväitio sin« aug, non<lb/> für die Sicherheit der nationalen Existenz, wird sie in der innern Politik zum<lb/> besten Kräftigungsmittel des jungen Reiches, zur unentbehrlichsten Hilfsquelle,<lb/> welche ihm ermöglicht, die so vielen Gemeinden durch das Freizügigkeitsgesetz<lb/> zugefügte Unbill zu vergüten und die Lösung der großen socialethischcu Auf¬<lb/> gaben des modernen Staates zum erstenmal ernstlich zu versuchen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1761" next="#ID_1762"> Schon die bürgerliche Gemeinde sorgt gegenwärtig mit besserem Erfolge<lb/> für die Armen als früher die Kirche, Der Verarmte, der früher aus Barm¬<lb/> herzigkeit ein Geschenk zur Linderung seiner Noth empfing, hat jetzt gesetzlichen<lb/> Anspruch aus Unterstützung, Indeß ist letztere immer noch unzulänglich und,<lb/> da sie nicht durch Gegenleistungen des Empfängers verdient ist, ein Almosen.<lb/> Das Bewußtsein, für den schlimmsten Fall ein Recht auf Versorgung zu haben,<lb/> lahmt den Fleiß und die Sparsamkeit, und der Gedanke, daß man ein Almosen<lb/> empfängt, verletzt und schwächt das Ehrgefühl, Die Armenpflege muß also ra¬<lb/> tioneller werden, sie muß durch Belehrung, Arbeitsnachweis und Darlehen der<lb/> Verarmung vorbeugen und so die Zahl der Unterstützungsbedürftigen vermin¬<lb/> dern. Vollständig oder auch nur nahezu kann die Armuth aber auf diesem<lb/> Wege nicht beseitigt werden. Dazu bedarf es einer gesetzlichen Bestimmung,<lb/> welche jedermann nöthigt, sich und die Seinen vor Vemrmuug durch Unfälle,<lb/> Krankheit und Alter zu versichern. Eine solche Einrichtung verringert den Ge¬<lb/> meinden ihr Armenbudget und die Arbeitslast der rationellen Armenpflege sehr<lb/> erheblich, und dazu tritt der moralische Gewinn, daß durch sie der demüthigende<lb/> Charakter des Almosens, der jeder Form der communalen Armenpflege anhaftet,<lb/> in Wegfall kommt. Die Versicherung ist ein Rechtsgeschäft, die Armenunter-<lb/> stiitzung ist an den Nachweis der Bedürftigkeit geknüpft. Die Beschränkung des<lb/> Unfallversicheruugsgesetzes auf die Arbeiter der Großindustrie war nur von<lb/> technischen Schwierigkeiten geboten, auf die Dauer ist sie unhaltbar, die Aus-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0542]
Eduard von Hart»lala als Politiker.
reine Gemeindeangelegcnheit, und für die Schulpflegc war die Gemeinde wenigstens
der nächststehende und darum der naturgemäße Träger; seit aber das Freizügig-
kcitsgesctz die beständige Fluctuation der Bevölkerung zur Regel und die lebens¬
längliche Ortsaugchörigkeit mindestens in den Städten zur Ausnahme gemacht
hat, muß auch die Last des Schul- und Armenwesens von dem Reiche über¬
nommen werden, innerhalb dessen die Fluctuation stattfindet, und welches in
der gehörigen Schulbildung ein eminent nationales, nicht bloß eommunales In¬
teresse zu erkennen hat. . , , Indem das Reich den Einzelstaaten die Mittel zur
Tragung dieser Lasten gewährt, ist es in Wahrheit der Trüger derselben; indem
aber die Verwendung dieser Mittel vom Reiche den Einzelstaaten und von diesen
wieder den Gemeinden überlassen wird, behauptet das Princip der Decentrali-
sation und der localen Autonomie den ihm gebührenden Platz in der Verwal¬
tung der Schul- und Armenangelegenheiten, , , . Somit erweist sich aus finanz¬
politischem Gesichtspunkt der Umschwung der deutschen Wirthschaftspolitik als
dringende Forderung der Zeit, In der äußern Politik ooväitio sin« aug, non
für die Sicherheit der nationalen Existenz, wird sie in der innern Politik zum
besten Kräftigungsmittel des jungen Reiches, zur unentbehrlichsten Hilfsquelle,
welche ihm ermöglicht, die so vielen Gemeinden durch das Freizügigkeitsgesetz
zugefügte Unbill zu vergüten und die Lösung der großen socialethischcu Auf¬
gaben des modernen Staates zum erstenmal ernstlich zu versuchen."
Schon die bürgerliche Gemeinde sorgt gegenwärtig mit besserem Erfolge
für die Armen als früher die Kirche, Der Verarmte, der früher aus Barm¬
herzigkeit ein Geschenk zur Linderung seiner Noth empfing, hat jetzt gesetzlichen
Anspruch aus Unterstützung, Indeß ist letztere immer noch unzulänglich und,
da sie nicht durch Gegenleistungen des Empfängers verdient ist, ein Almosen.
Das Bewußtsein, für den schlimmsten Fall ein Recht auf Versorgung zu haben,
lahmt den Fleiß und die Sparsamkeit, und der Gedanke, daß man ein Almosen
empfängt, verletzt und schwächt das Ehrgefühl, Die Armenpflege muß also ra¬
tioneller werden, sie muß durch Belehrung, Arbeitsnachweis und Darlehen der
Verarmung vorbeugen und so die Zahl der Unterstützungsbedürftigen vermin¬
dern. Vollständig oder auch nur nahezu kann die Armuth aber auf diesem
Wege nicht beseitigt werden. Dazu bedarf es einer gesetzlichen Bestimmung,
welche jedermann nöthigt, sich und die Seinen vor Vemrmuug durch Unfälle,
Krankheit und Alter zu versichern. Eine solche Einrichtung verringert den Ge¬
meinden ihr Armenbudget und die Arbeitslast der rationellen Armenpflege sehr
erheblich, und dazu tritt der moralische Gewinn, daß durch sie der demüthigende
Charakter des Almosens, der jeder Form der communalen Armenpflege anhaftet,
in Wegfall kommt. Die Versicherung ist ein Rechtsgeschäft, die Armenunter-
stiitzung ist an den Nachweis der Bedürftigkeit geknüpft. Die Beschränkung des
Unfallversicheruugsgesetzes auf die Arbeiter der Großindustrie war nur von
technischen Schwierigkeiten geboten, auf die Dauer ist sie unhaltbar, die Aus-
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