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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Die windthorstsche Affair.'.

Sei die Warnung also ganz unnöthig, so sei sie auch nicht vertraulich ge¬
wesein Hätte sie das sein sollen, so hätte ein andrer Weg eingeschlagen werden
müssen, "Ein Warner, der den Schein des Hineinziehens des Auslandes in
Deutschlands innere Angelegenheiten vermeiden oder nur seine eignen Zweifel
darüber beruhigen gewollt, ohne dem Auslande einen Anknüpfungspunkt zu geben,
würde sicherlich vorgezogen haben, ein competentes Organ der Reichsregierung
unter vier Angen zu fragen, nicht aber die im Princip und in der That öffent¬
lichen Commissionsverhandlnngen . . , gewählt haben, um eine so deliecite Frage
zur Sprache zu bringen. Wenn der Herr Abgeordnete in der That nichts weiter
beabsichtigt hätte als seine eigne Beruhigung über diese Zweifel, die niemand
mit ihm theilt, so würden wir sein Verfahren mit der hohen Meinung, die er
auch bei uns für seine Geschicklichkeit in der Wahl seiner Mittel gewonnen hat,
nicht vereinbaren können. Namentlich die Fassung seiner Fragestellung leistet
der Vermuthung Vorschub, daß sie auf weitere Eindrücke berechnet war. Er
nimmt ohne weiteres an, daß die auswärtigen Mächte durch die Ablösung des
Staber Zolles ein Recht auf die Freiheit des Elbstromes ganz im allgemeinen
erworben haben, er betont die "schweren Opfer", mit welchen das Ausland dieses
Recht erkauft haben soll, und nimmt an, daß das Kaufobject des Auslandes
durch die neuen Zollformalitäten, welche das deutsche Reich einführen will, be¬
schränkt werden würde. Er benutzt dabei wiederum wie die Gegner der Regierung im
vorige" Jahre die Eigenheit der deutschen Sprache, daß sie Schifffahrtsabgaben
und Grcnzzölle indiscrimine ssio l mit dem Worte "Zoll" bezeichnet. Im letzten Jahre
wurde für diese Verwechselung von Rechtsnnkundigen das Beneficium der do>M
llclss in Anspruch genommen, heute können wir dies nicht mehr concediren. . . .
Der Herr Abgeordnete hat sür seine Mißverständnisse einen auswärtigen Agenten
angeführt. . . . Wir haben über diese Persönlichkeit keine Gewißheit, wohl aber
darüber daß diese Zweifel von auswärtigen Regierungen, von Diplomaten oder von
anerkannten Lehrern des Völkerrechts niemals aufgestellt oder auch nur beleuchtet
worden sind." Zum Schlüsse wurde noch hervorgehoben, wie die Antwort des
Finanzministers auf die Windthorstsche Anfrage jedem Unbefangenen zeigen müsse,
daß durch die Fassung der letztern Zweifel erregt worden seien, deren Wider¬
legung nothwendig erschienen.

Inzwischen hatte das Centrum für seinen Führer gegen den Reichskanzler
demonstrirt, indem es am 6. auf die Einladung zu der für diesen Tag fest¬
gesetzten parlamentarischen Soiree ohne Absage einfach wegblieb, und aus der
"Germanin" war zu ersehen, das dies infolge von einer Art Interdict geschehen
war. Die "Nordd. Allgem. Zeitung" nahm auch davon Notiz, indem sie darauf
hinwies, daß es bisher selbst nach den heftigsten parlamentarischen Kämpfen
niemals zur Fractioussache gemacht worden sei, eine höfliche Einladung unbe-
folgt und unbeantwortet zu lassen, und dann fortfuhr (wir geben mir die Haupt¬
punkte des betreffenden Artikels wieder): "Diese Parlamentarischen Abendgesell-


Grni',iwK>n IV. 1831. V7
Die windthorstsche Affair.'.

Sei die Warnung also ganz unnöthig, so sei sie auch nicht vertraulich ge¬
wesein Hätte sie das sein sollen, so hätte ein andrer Weg eingeschlagen werden
müssen, „Ein Warner, der den Schein des Hineinziehens des Auslandes in
Deutschlands innere Angelegenheiten vermeiden oder nur seine eignen Zweifel
darüber beruhigen gewollt, ohne dem Auslande einen Anknüpfungspunkt zu geben,
würde sicherlich vorgezogen haben, ein competentes Organ der Reichsregierung
unter vier Angen zu fragen, nicht aber die im Princip und in der That öffent¬
lichen Commissionsverhandlnngen . . , gewählt haben, um eine so deliecite Frage
zur Sprache zu bringen. Wenn der Herr Abgeordnete in der That nichts weiter
beabsichtigt hätte als seine eigne Beruhigung über diese Zweifel, die niemand
mit ihm theilt, so würden wir sein Verfahren mit der hohen Meinung, die er
auch bei uns für seine Geschicklichkeit in der Wahl seiner Mittel gewonnen hat,
nicht vereinbaren können. Namentlich die Fassung seiner Fragestellung leistet
der Vermuthung Vorschub, daß sie auf weitere Eindrücke berechnet war. Er
nimmt ohne weiteres an, daß die auswärtigen Mächte durch die Ablösung des
Staber Zolles ein Recht auf die Freiheit des Elbstromes ganz im allgemeinen
erworben haben, er betont die »schweren Opfer«, mit welchen das Ausland dieses
Recht erkauft haben soll, und nimmt an, daß das Kaufobject des Auslandes
durch die neuen Zollformalitäten, welche das deutsche Reich einführen will, be¬
schränkt werden würde. Er benutzt dabei wiederum wie die Gegner der Regierung im
vorige» Jahre die Eigenheit der deutschen Sprache, daß sie Schifffahrtsabgaben
und Grcnzzölle indiscrimine ssio l mit dem Worte »Zoll« bezeichnet. Im letzten Jahre
wurde für diese Verwechselung von Rechtsnnkundigen das Beneficium der do>M
llclss in Anspruch genommen, heute können wir dies nicht mehr concediren. . . .
Der Herr Abgeordnete hat sür seine Mißverständnisse einen auswärtigen Agenten
angeführt. . . . Wir haben über diese Persönlichkeit keine Gewißheit, wohl aber
darüber daß diese Zweifel von auswärtigen Regierungen, von Diplomaten oder von
anerkannten Lehrern des Völkerrechts niemals aufgestellt oder auch nur beleuchtet
worden sind." Zum Schlüsse wurde noch hervorgehoben, wie die Antwort des
Finanzministers auf die Windthorstsche Anfrage jedem Unbefangenen zeigen müsse,
daß durch die Fassung der letztern Zweifel erregt worden seien, deren Wider¬
legung nothwendig erschienen.

Inzwischen hatte das Centrum für seinen Führer gegen den Reichskanzler
demonstrirt, indem es am 6. auf die Einladung zu der für diesen Tag fest¬
gesetzten parlamentarischen Soiree ohne Absage einfach wegblieb, und aus der
„Germanin" war zu ersehen, das dies infolge von einer Art Interdict geschehen
war. Die „Nordd. Allgem. Zeitung" nahm auch davon Notiz, indem sie darauf
hinwies, daß es bisher selbst nach den heftigsten parlamentarischen Kämpfen
niemals zur Fractioussache gemacht worden sei, eine höfliche Einladung unbe-
folgt und unbeantwortet zu lassen, und dann fortfuhr (wir geben mir die Haupt¬
punkte des betreffenden Artikels wieder): „Diese Parlamentarischen Abendgesell-


Grni',iwK>n IV. 1831. V7
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[0531] Die windthorstsche Affair.'. Sei die Warnung also ganz unnöthig, so sei sie auch nicht vertraulich ge¬ wesein Hätte sie das sein sollen, so hätte ein andrer Weg eingeschlagen werden müssen, „Ein Warner, der den Schein des Hineinziehens des Auslandes in Deutschlands innere Angelegenheiten vermeiden oder nur seine eignen Zweifel darüber beruhigen gewollt, ohne dem Auslande einen Anknüpfungspunkt zu geben, würde sicherlich vorgezogen haben, ein competentes Organ der Reichsregierung unter vier Angen zu fragen, nicht aber die im Princip und in der That öffent¬ lichen Commissionsverhandlnngen . . , gewählt haben, um eine so deliecite Frage zur Sprache zu bringen. Wenn der Herr Abgeordnete in der That nichts weiter beabsichtigt hätte als seine eigne Beruhigung über diese Zweifel, die niemand mit ihm theilt, so würden wir sein Verfahren mit der hohen Meinung, die er auch bei uns für seine Geschicklichkeit in der Wahl seiner Mittel gewonnen hat, nicht vereinbaren können. Namentlich die Fassung seiner Fragestellung leistet der Vermuthung Vorschub, daß sie auf weitere Eindrücke berechnet war. Er nimmt ohne weiteres an, daß die auswärtigen Mächte durch die Ablösung des Staber Zolles ein Recht auf die Freiheit des Elbstromes ganz im allgemeinen erworben haben, er betont die »schweren Opfer«, mit welchen das Ausland dieses Recht erkauft haben soll, und nimmt an, daß das Kaufobject des Auslandes durch die neuen Zollformalitäten, welche das deutsche Reich einführen will, be¬ schränkt werden würde. Er benutzt dabei wiederum wie die Gegner der Regierung im vorige» Jahre die Eigenheit der deutschen Sprache, daß sie Schifffahrtsabgaben und Grcnzzölle indiscrimine ssio l mit dem Worte »Zoll« bezeichnet. Im letzten Jahre wurde für diese Verwechselung von Rechtsnnkundigen das Beneficium der do>M llclss in Anspruch genommen, heute können wir dies nicht mehr concediren. . . . Der Herr Abgeordnete hat sür seine Mißverständnisse einen auswärtigen Agenten angeführt. . . . Wir haben über diese Persönlichkeit keine Gewißheit, wohl aber darüber daß diese Zweifel von auswärtigen Regierungen, von Diplomaten oder von anerkannten Lehrern des Völkerrechts niemals aufgestellt oder auch nur beleuchtet worden sind." Zum Schlüsse wurde noch hervorgehoben, wie die Antwort des Finanzministers auf die Windthorstsche Anfrage jedem Unbefangenen zeigen müsse, daß durch die Fassung der letztern Zweifel erregt worden seien, deren Wider¬ legung nothwendig erschienen. Inzwischen hatte das Centrum für seinen Führer gegen den Reichskanzler demonstrirt, indem es am 6. auf die Einladung zu der für diesen Tag fest¬ gesetzten parlamentarischen Soiree ohne Absage einfach wegblieb, und aus der „Germanin" war zu ersehen, das dies infolge von einer Art Interdict geschehen war. Die „Nordd. Allgem. Zeitung" nahm auch davon Notiz, indem sie darauf hinwies, daß es bisher selbst nach den heftigsten parlamentarischen Kämpfen niemals zur Fractioussache gemacht worden sei, eine höfliche Einladung unbe- folgt und unbeantwortet zu lassen, und dann fortfuhr (wir geben mir die Haupt¬ punkte des betreffenden Artikels wieder): „Diese Parlamentarischen Abendgesell- Grni',iwK>n IV. 1831. V7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/531>, abgerufen am 15.01.2025.