Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Litt halbasiatischer Roman. sollen das Interesse an der Natur des Mannes verstärken, sind aber doch eher Glücklicher ist ein drittes Moment, wodurch sich der galizische Bauer und Franzos' Roman unterscheidet sich vom "Kohlhas" auch durch die größere Litt halbasiatischer Roman. sollen das Interesse an der Natur des Mannes verstärken, sind aber doch eher Glücklicher ist ein drittes Moment, wodurch sich der galizische Bauer und Franzos' Roman unterscheidet sich vom „Kohlhas" auch durch die größere <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0426" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151148"/> <fw type="header" place="top"> Litt halbasiatischer Roman.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1406" prev="#ID_1405"> sollen das Interesse an der Natur des Mannes verstärken, sind aber doch eher<lb/> geeignet, dasselbe abzuschwächen, weil sie den Kindesglcmbcn und die phantastisch<lb/> ideale Rechtsvorstellung des Bauern unwahrscheinlicher machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1407"> Glücklicher ist ein drittes Moment, wodurch sich der galizische Bauer und<lb/> „Rächer" vom Roßhändlcr Klcists unterscheidet: daß Taras nicht für sein eigenes,<lb/> sondern für ein fremdes Recht einsteht, welches schwer verletzt worden ist. Der<lb/> Schwur, den er einst dem sterbenden Vorgänger im Dorfrichteramt geleistet,<lb/> und seine eigne Ueberzeugung, daß Gottes höchstes Gebot laute: „Seid gerecht!"<lb/> haben für ihn ausgereicht, ihn in jene Unerbittlichkeit hineinzusteigern, die bei<lb/> Kohlhas erst eintritt, nachdem ihm tausendfältig persönliches Unrecht geschehen<lb/> ist und er sein geliebtes Weib durch die Schurkerei des Junkers von Tronka ver¬<lb/> loren hat. Dies gleichsam blutlose, abstracte Gerechtigkeitsgefühl, das Taras be¬<lb/> seelt, hat freilich auf der andern Seite wieder eine abschwächende Wirkung, es beraubt<lb/> den Taras in entscheidenden Situationen jeder menschlichen Regung, und das<lb/> tiefere Interesse an ihm erlischt darum schon in dem Augenblicke, wo er den<lb/> wackern alten Rath Hochenau in finsterer Verblendung erschießen läßt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1408" next="#ID_1409"> Franzos' Roman unterscheidet sich vom „Kohlhas" auch durch die größere<lb/> Ausdehnung. Gerade hier aber liegt ein Hauptmangel. Das eigentliche Motiv<lb/> auch des Franzosschen Romans reicht für eine größere Novelle, nicht für einen<lb/> ganzen Roman aus. Die Einfachheit, Folgerichtigkeit der psychischen Entwicklung<lb/> würde einen viel rascheren Verlauf der Handlung bedingen, die gesummte Wirkung<lb/> aber durch eine größere Geschlossenheit und Gedrängtheit außerordentlich erhöht<lb/> werden. Nicht darin, daß das erotische Element diesem „Kampf ums Recht"<lb/> fehlt, sondern darin, daß der Autor die Forderung der epischen Breite nach<lb/> seiner Weise umgedeutet und durch Schilderung von Land und Leuten, die sich<lb/> beinahe wieder zu selbständigen Skizzen erheben, die Erweiterung hergestellthat,<lb/> welche sich aus der poetischen Ausdehnungskraft des Motivs nicht ohne weiteres<lb/> ergeben hätte, empfinden wir einen Uebelstand. Dies gilt namentlich von dem<lb/> zweiten Theile des Romans, welcher die Nachezüge des Taras und die Wirkung<lb/> derselben auf Stadt und Kreis Kolomea darstellt. Doch auch schon im ersten<lb/> Band finden sich Einschiebungen, welche wohl den Hintergrund für die folgende<lb/> Handlung abgeben sollen, aber nicht in Folge und Fortgang der Erzählung<lb/> verarbeitet sind. Das zehnte Capitel beginnt z. V. mit einer Schilderung der<lb/> Karpathen, einer sehr hübschen Legende über die Entstehung derselben, fährt<lb/> fort und endet mit einer Charakteristik der Bewohner des „Wclyki Lys," des<lb/> Bären, des Huzulen, des Hajdmnaken und giebt höchst interessante Mittheilungen<lb/> namentlich über die Huzulen, die halbwilden Abkömmlinge der mongolischen Uzen,<lb/> die der Kriegssturm einst von der „goldenen Horde" abgelöst und in den Welt-<lb/> Winkel zwischen Ungarn und Galizien verschlagen hat. Aber in diesen und ähn¬<lb/> lichen Füllen erscheint die ganze Komposition des Romanes aufgelöst, und man<lb/> fühlt sehr lebhaft, daß die Nothwendigkeit, den Leser mit einem völlig unde-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0426]
Litt halbasiatischer Roman.
sollen das Interesse an der Natur des Mannes verstärken, sind aber doch eher
geeignet, dasselbe abzuschwächen, weil sie den Kindesglcmbcn und die phantastisch
ideale Rechtsvorstellung des Bauern unwahrscheinlicher machen.
Glücklicher ist ein drittes Moment, wodurch sich der galizische Bauer und
„Rächer" vom Roßhändlcr Klcists unterscheidet: daß Taras nicht für sein eigenes,
sondern für ein fremdes Recht einsteht, welches schwer verletzt worden ist. Der
Schwur, den er einst dem sterbenden Vorgänger im Dorfrichteramt geleistet,
und seine eigne Ueberzeugung, daß Gottes höchstes Gebot laute: „Seid gerecht!"
haben für ihn ausgereicht, ihn in jene Unerbittlichkeit hineinzusteigern, die bei
Kohlhas erst eintritt, nachdem ihm tausendfältig persönliches Unrecht geschehen
ist und er sein geliebtes Weib durch die Schurkerei des Junkers von Tronka ver¬
loren hat. Dies gleichsam blutlose, abstracte Gerechtigkeitsgefühl, das Taras be¬
seelt, hat freilich auf der andern Seite wieder eine abschwächende Wirkung, es beraubt
den Taras in entscheidenden Situationen jeder menschlichen Regung, und das
tiefere Interesse an ihm erlischt darum schon in dem Augenblicke, wo er den
wackern alten Rath Hochenau in finsterer Verblendung erschießen läßt.
Franzos' Roman unterscheidet sich vom „Kohlhas" auch durch die größere
Ausdehnung. Gerade hier aber liegt ein Hauptmangel. Das eigentliche Motiv
auch des Franzosschen Romans reicht für eine größere Novelle, nicht für einen
ganzen Roman aus. Die Einfachheit, Folgerichtigkeit der psychischen Entwicklung
würde einen viel rascheren Verlauf der Handlung bedingen, die gesummte Wirkung
aber durch eine größere Geschlossenheit und Gedrängtheit außerordentlich erhöht
werden. Nicht darin, daß das erotische Element diesem „Kampf ums Recht"
fehlt, sondern darin, daß der Autor die Forderung der epischen Breite nach
seiner Weise umgedeutet und durch Schilderung von Land und Leuten, die sich
beinahe wieder zu selbständigen Skizzen erheben, die Erweiterung hergestellthat,
welche sich aus der poetischen Ausdehnungskraft des Motivs nicht ohne weiteres
ergeben hätte, empfinden wir einen Uebelstand. Dies gilt namentlich von dem
zweiten Theile des Romans, welcher die Nachezüge des Taras und die Wirkung
derselben auf Stadt und Kreis Kolomea darstellt. Doch auch schon im ersten
Band finden sich Einschiebungen, welche wohl den Hintergrund für die folgende
Handlung abgeben sollen, aber nicht in Folge und Fortgang der Erzählung
verarbeitet sind. Das zehnte Capitel beginnt z. V. mit einer Schilderung der
Karpathen, einer sehr hübschen Legende über die Entstehung derselben, fährt
fort und endet mit einer Charakteristik der Bewohner des „Wclyki Lys," des
Bären, des Huzulen, des Hajdmnaken und giebt höchst interessante Mittheilungen
namentlich über die Huzulen, die halbwilden Abkömmlinge der mongolischen Uzen,
die der Kriegssturm einst von der „goldenen Horde" abgelöst und in den Welt-
Winkel zwischen Ungarn und Galizien verschlagen hat. Aber in diesen und ähn¬
lichen Füllen erscheint die ganze Komposition des Romanes aufgelöst, und man
fühlt sehr lebhaft, daß die Nothwendigkeit, den Leser mit einem völlig unde-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |