Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
La hcilbasialischer Rome,".

baren Entschluß und sagt feierlich dem Kaiser von Oesterreich, der ohnmächtig
sei, das Recht zu wahren, den Gehorsam auf. Und nnn beginnt er seine Nächer-
züge, die, seinem Gesichtskreis entsprechend, sich zunächst gegen Wenzel Hajek,
den Verderber seines Dorfes und seines Lebens, richte", die seinen Namen weit
und breit gefürchtet machen und an die sich das alte Geschick der gewaltthätigen
Selbsthilfe heftet. So maßlos streng auch "der brave Richter, der große Rächer"
den Männern seiner Schaar gegenübertritt, so gewaltig die Macht ist, die er
über die rohen Gemüther übt, nur kurze Zeit hindurch kann er den Schwung
und den skrupelloser Gehorsam unter den wilden Gesellen, welche mit ihm in
den Wald gezogen sind, aufrecht erhalten. Immer rastloser stürmt er von That
zu That, unbeugsam in der Ueberzeugung, daß Gott mit ihm sei, und daß seinem
selbstgewählten wilden Richteramt jeder menschliche Irrthum fernbleiben müsse.
Er lebt in einem schauerlichen phantastischen Wahn, der aus der Kraft und
Reinheit seines Herzens genährt wird. Und während er sich mit Hilfe dieses
Wahns und mit übermenschlicher Anstrengung gegen seine friedlichen Neigungen,
gegen jede Sehnsucht und Regung wehrt, die ihn zu Weib und Kind, zu den
Freunden seiner bessern Tage zurückziehen wollen, bricht er zusammen, sobald
der Nebel vor seinen Augen reißt, sobald er erkennen muß, daß auch er Un¬
recht gethan und sich in seinein Rächerdrang zu einem Justizmord der eigen¬
thümlichsten Art verstiegen hat. Da erfolgt in dieser wild-edlen Natur der letzte
Umschlag, er selbst löst seine Schaar auf, er selbst überliefert sich den gesetzlichen
Gewalten und leistet mit seinem Blute Sühne für das, was er bisher als
sein Recht betrachtet und nun als Frevel erkannt hat. "Es ist nicht Gottes Wille,
daß da, wo er die Leiter von der Erde zum Himmel aufgebaut, selbst wenn
die eine oder die andre Sprosse schadhaft wäre, der einzelne sich erhebt und
sagt: "Ich, ich allein will durch meine Kraft, durch die Kraft eines schwachen
Menschen jene ganze Leiter ersetzen und ein Vollstrecker des göttlichen Willens
sein."" Tarcis Barabola, der große Hajdamak, stirbt, nachdem er sich zuvor
mit den Seinen ausgesöhnt, unter den Kugeln eines k. k. Exeeutionseom-
mandos.

Dies ist in wenigen Grundzügen die Handlung des Romans. Von vielen
Einzelheiten später. Ans den Grundzügen aber geht hervor, daß sowohl in der
psychologischen als in der äußerlichen Entwicklung die stärkste Verwandtschaft mit
Klcists "Kvhlhas" vorhanden ist. Hier wie dort eine schlichte, ursprünglich
sricdsamc Natur, welche durch Rechtsverweigerung in die gewaltsamsten Ent¬
schlüsse hineingetrieben wird. "Verstößen," ruft Kleists Kohlhas Luther zu,
"verstoßen nenne ich den, dem der Schutz der Gesetze versagt ist. Wer mir ihn
versagt, der stößt mich zu den Wilden der Einöde hinaus; er giebt mir, wie
wollt ihr das leugnen, die Keule, die mich selbst schützt, in die Hand." "Weil
uns unser Recht nicht geworden, so werde ich es selbst nehmen. Es bedarf
eines Richters und Rächers, vor dem die Frevler zittern, dem die Guten ver-


La hcilbasialischer Rome,».

baren Entschluß und sagt feierlich dem Kaiser von Oesterreich, der ohnmächtig
sei, das Recht zu wahren, den Gehorsam auf. Und nnn beginnt er seine Nächer-
züge, die, seinem Gesichtskreis entsprechend, sich zunächst gegen Wenzel Hajek,
den Verderber seines Dorfes und seines Lebens, richte», die seinen Namen weit
und breit gefürchtet machen und an die sich das alte Geschick der gewaltthätigen
Selbsthilfe heftet. So maßlos streng auch „der brave Richter, der große Rächer"
den Männern seiner Schaar gegenübertritt, so gewaltig die Macht ist, die er
über die rohen Gemüther übt, nur kurze Zeit hindurch kann er den Schwung
und den skrupelloser Gehorsam unter den wilden Gesellen, welche mit ihm in
den Wald gezogen sind, aufrecht erhalten. Immer rastloser stürmt er von That
zu That, unbeugsam in der Ueberzeugung, daß Gott mit ihm sei, und daß seinem
selbstgewählten wilden Richteramt jeder menschliche Irrthum fernbleiben müsse.
Er lebt in einem schauerlichen phantastischen Wahn, der aus der Kraft und
Reinheit seines Herzens genährt wird. Und während er sich mit Hilfe dieses
Wahns und mit übermenschlicher Anstrengung gegen seine friedlichen Neigungen,
gegen jede Sehnsucht und Regung wehrt, die ihn zu Weib und Kind, zu den
Freunden seiner bessern Tage zurückziehen wollen, bricht er zusammen, sobald
der Nebel vor seinen Augen reißt, sobald er erkennen muß, daß auch er Un¬
recht gethan und sich in seinein Rächerdrang zu einem Justizmord der eigen¬
thümlichsten Art verstiegen hat. Da erfolgt in dieser wild-edlen Natur der letzte
Umschlag, er selbst löst seine Schaar auf, er selbst überliefert sich den gesetzlichen
Gewalten und leistet mit seinem Blute Sühne für das, was er bisher als
sein Recht betrachtet und nun als Frevel erkannt hat. „Es ist nicht Gottes Wille,
daß da, wo er die Leiter von der Erde zum Himmel aufgebaut, selbst wenn
die eine oder die andre Sprosse schadhaft wäre, der einzelne sich erhebt und
sagt: »Ich, ich allein will durch meine Kraft, durch die Kraft eines schwachen
Menschen jene ganze Leiter ersetzen und ein Vollstrecker des göttlichen Willens
sein.»" Tarcis Barabola, der große Hajdamak, stirbt, nachdem er sich zuvor
mit den Seinen ausgesöhnt, unter den Kugeln eines k. k. Exeeutionseom-
mandos.

Dies ist in wenigen Grundzügen die Handlung des Romans. Von vielen
Einzelheiten später. Ans den Grundzügen aber geht hervor, daß sowohl in der
psychologischen als in der äußerlichen Entwicklung die stärkste Verwandtschaft mit
Klcists „Kvhlhas" vorhanden ist. Hier wie dort eine schlichte, ursprünglich
sricdsamc Natur, welche durch Rechtsverweigerung in die gewaltsamsten Ent¬
schlüsse hineingetrieben wird. „Verstößen," ruft Kleists Kohlhas Luther zu,
„verstoßen nenne ich den, dem der Schutz der Gesetze versagt ist. Wer mir ihn
versagt, der stößt mich zu den Wilden der Einöde hinaus; er giebt mir, wie
wollt ihr das leugnen, die Keule, die mich selbst schützt, in die Hand." „Weil
uns unser Recht nicht geworden, so werde ich es selbst nehmen. Es bedarf
eines Richters und Rächers, vor dem die Frevler zittern, dem die Guten ver-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0424" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151146"/>
          <fw type="header" place="top"> La hcilbasialischer Rome,».</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1401" prev="#ID_1400"> baren Entschluß und sagt feierlich dem Kaiser von Oesterreich, der ohnmächtig<lb/>
sei, das Recht zu wahren, den Gehorsam auf. Und nnn beginnt er seine Nächer-<lb/>
züge, die, seinem Gesichtskreis entsprechend, sich zunächst gegen Wenzel Hajek,<lb/>
den Verderber seines Dorfes und seines Lebens, richte», die seinen Namen weit<lb/>
und breit gefürchtet machen und an die sich das alte Geschick der gewaltthätigen<lb/>
Selbsthilfe heftet. So maßlos streng auch &#x201E;der brave Richter, der große Rächer"<lb/>
den Männern seiner Schaar gegenübertritt, so gewaltig die Macht ist, die er<lb/>
über die rohen Gemüther übt, nur kurze Zeit hindurch kann er den Schwung<lb/>
und den skrupelloser Gehorsam unter den wilden Gesellen, welche mit ihm in<lb/>
den Wald gezogen sind, aufrecht erhalten. Immer rastloser stürmt er von That<lb/>
zu That, unbeugsam in der Ueberzeugung, daß Gott mit ihm sei, und daß seinem<lb/>
selbstgewählten wilden Richteramt jeder menschliche Irrthum fernbleiben müsse.<lb/>
Er lebt in einem schauerlichen phantastischen Wahn, der aus der Kraft und<lb/>
Reinheit seines Herzens genährt wird. Und während er sich mit Hilfe dieses<lb/>
Wahns und mit übermenschlicher Anstrengung gegen seine friedlichen Neigungen,<lb/>
gegen jede Sehnsucht und Regung wehrt, die ihn zu Weib und Kind, zu den<lb/>
Freunden seiner bessern Tage zurückziehen wollen, bricht er zusammen, sobald<lb/>
der Nebel vor seinen Augen reißt, sobald er erkennen muß, daß auch er Un¬<lb/>
recht gethan und sich in seinein Rächerdrang zu einem Justizmord der eigen¬<lb/>
thümlichsten Art verstiegen hat. Da erfolgt in dieser wild-edlen Natur der letzte<lb/>
Umschlag, er selbst löst seine Schaar auf, er selbst überliefert sich den gesetzlichen<lb/>
Gewalten und leistet mit seinem Blute Sühne für das, was er bisher als<lb/>
sein Recht betrachtet und nun als Frevel erkannt hat. &#x201E;Es ist nicht Gottes Wille,<lb/>
daß da, wo er die Leiter von der Erde zum Himmel aufgebaut, selbst wenn<lb/>
die eine oder die andre Sprosse schadhaft wäre, der einzelne sich erhebt und<lb/>
sagt: »Ich, ich allein will durch meine Kraft, durch die Kraft eines schwachen<lb/>
Menschen jene ganze Leiter ersetzen und ein Vollstrecker des göttlichen Willens<lb/>
sein.»" Tarcis Barabola, der große Hajdamak, stirbt, nachdem er sich zuvor<lb/>
mit den Seinen ausgesöhnt, unter den Kugeln eines k. k. Exeeutionseom-<lb/>
mandos.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1402" next="#ID_1403"> Dies ist in wenigen Grundzügen die Handlung des Romans. Von vielen<lb/>
Einzelheiten später. Ans den Grundzügen aber geht hervor, daß sowohl in der<lb/>
psychologischen als in der äußerlichen Entwicklung die stärkste Verwandtschaft mit<lb/>
Klcists &#x201E;Kvhlhas" vorhanden ist. Hier wie dort eine schlichte, ursprünglich<lb/>
sricdsamc Natur, welche durch Rechtsverweigerung in die gewaltsamsten Ent¬<lb/>
schlüsse hineingetrieben wird. &#x201E;Verstößen," ruft Kleists Kohlhas Luther zu,<lb/>
&#x201E;verstoßen nenne ich den, dem der Schutz der Gesetze versagt ist. Wer mir ihn<lb/>
versagt, der stößt mich zu den Wilden der Einöde hinaus; er giebt mir, wie<lb/>
wollt ihr das leugnen, die Keule, die mich selbst schützt, in die Hand." &#x201E;Weil<lb/>
uns unser Recht nicht geworden, so werde ich es selbst nehmen. Es bedarf<lb/>
eines Richters und Rächers, vor dem die Frevler zittern, dem die Guten ver-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0424] La hcilbasialischer Rome,». baren Entschluß und sagt feierlich dem Kaiser von Oesterreich, der ohnmächtig sei, das Recht zu wahren, den Gehorsam auf. Und nnn beginnt er seine Nächer- züge, die, seinem Gesichtskreis entsprechend, sich zunächst gegen Wenzel Hajek, den Verderber seines Dorfes und seines Lebens, richte», die seinen Namen weit und breit gefürchtet machen und an die sich das alte Geschick der gewaltthätigen Selbsthilfe heftet. So maßlos streng auch „der brave Richter, der große Rächer" den Männern seiner Schaar gegenübertritt, so gewaltig die Macht ist, die er über die rohen Gemüther übt, nur kurze Zeit hindurch kann er den Schwung und den skrupelloser Gehorsam unter den wilden Gesellen, welche mit ihm in den Wald gezogen sind, aufrecht erhalten. Immer rastloser stürmt er von That zu That, unbeugsam in der Ueberzeugung, daß Gott mit ihm sei, und daß seinem selbstgewählten wilden Richteramt jeder menschliche Irrthum fernbleiben müsse. Er lebt in einem schauerlichen phantastischen Wahn, der aus der Kraft und Reinheit seines Herzens genährt wird. Und während er sich mit Hilfe dieses Wahns und mit übermenschlicher Anstrengung gegen seine friedlichen Neigungen, gegen jede Sehnsucht und Regung wehrt, die ihn zu Weib und Kind, zu den Freunden seiner bessern Tage zurückziehen wollen, bricht er zusammen, sobald der Nebel vor seinen Augen reißt, sobald er erkennen muß, daß auch er Un¬ recht gethan und sich in seinein Rächerdrang zu einem Justizmord der eigen¬ thümlichsten Art verstiegen hat. Da erfolgt in dieser wild-edlen Natur der letzte Umschlag, er selbst löst seine Schaar auf, er selbst überliefert sich den gesetzlichen Gewalten und leistet mit seinem Blute Sühne für das, was er bisher als sein Recht betrachtet und nun als Frevel erkannt hat. „Es ist nicht Gottes Wille, daß da, wo er die Leiter von der Erde zum Himmel aufgebaut, selbst wenn die eine oder die andre Sprosse schadhaft wäre, der einzelne sich erhebt und sagt: »Ich, ich allein will durch meine Kraft, durch die Kraft eines schwachen Menschen jene ganze Leiter ersetzen und ein Vollstrecker des göttlichen Willens sein.»" Tarcis Barabola, der große Hajdamak, stirbt, nachdem er sich zuvor mit den Seinen ausgesöhnt, unter den Kugeln eines k. k. Exeeutionseom- mandos. Dies ist in wenigen Grundzügen die Handlung des Romans. Von vielen Einzelheiten später. Ans den Grundzügen aber geht hervor, daß sowohl in der psychologischen als in der äußerlichen Entwicklung die stärkste Verwandtschaft mit Klcists „Kvhlhas" vorhanden ist. Hier wie dort eine schlichte, ursprünglich sricdsamc Natur, welche durch Rechtsverweigerung in die gewaltsamsten Ent¬ schlüsse hineingetrieben wird. „Verstößen," ruft Kleists Kohlhas Luther zu, „verstoßen nenne ich den, dem der Schutz der Gesetze versagt ist. Wer mir ihn versagt, der stößt mich zu den Wilden der Einöde hinaus; er giebt mir, wie wollt ihr das leugnen, die Keule, die mich selbst schützt, in die Hand." „Weil uns unser Recht nicht geworden, so werde ich es selbst nehmen. Es bedarf eines Richters und Rächers, vor dem die Frevler zittern, dem die Guten ver-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/424
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/424>, abgerufen am 16.01.2025.