Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Literatur wie unpassend es sei, daß sich Beamte an der Wahlagitation betheiligten, da Literatur wie unpassend es sei, daß sich Beamte an der Wahlagitation betheiligten, da <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0262" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150984"/> <fw type="header" place="top"> Literatur</fw><lb/> <p xml:id="ID_857" prev="#ID_856"> wie unpassend es sei, daß sich Beamte an der Wahlagitation betheiligten, da<lb/> die Regierung hierdurch in den Verdacht kommen könne, die Wahl in der frag¬<lb/> lichen Richtung zu beeinflussen. Durch einen solchen Ukas wurde in einem<lb/> hessischen Wahlkreise ein Beamter, der für die Kandidaten der Reichspartei und<lb/> die Bismarcksche Wirthschaftspolitik eintrat, mundtodt gemacht; daß aber ein<lb/> Kreisschnlinspcktor das gesammte Schulmcistcrthum einlud, den seeessionistischen<lb/> Kandidaten durchzubringen, scheint keinen Tadel gefunden zu haben. Und daß<lb/> das wenigstens so ausgelegt wurde, als ob die Regierung die Opposition gegen<lb/> die Rcichsregieruug begünstige, scheint aus der Thatsache Hervorzugeheu, daß<lb/> einem Beamten, der den reichstrcucn Kandidaten gewählt hatte, gesagt wurde:<lb/> „Eben haben Sie gegen die Regierung gestimmt," „Wie?" fragte dieser ver¬<lb/> wundert, „ich habe ja für das Reich gestimmt," „Aber gegen die hessische<lb/> Regierung," lautete die Replik. Muß es darnach nicht den Anschein gewinnen,<lb/> als ob das „Fort mit Bismarck" an der Küste des Darmstroms shmpathische»<lb/> Wiederhall finde? als ob man es gern sähe, wenn dem Kanzler so „hinten<lb/> herum" Steine in den Weg geworfen würden? Um aber wenigstens eine<lb/> Stütze zu haben, hält man sich eine liberale zweite Kammer, zu deren Be-<lb/> schaffung das indirekte Wahlsystem sich vorzüglich eignet (in Baden scheint es<lb/> aber damit zu Ende zu gehen); dann drückt man den Erwählten des Volkes<lb/> die Hand, lädt sie zur Grvßherzoglichen Tafel, worauf die ganze Gesellschaft<lb/> schwört, es gäbe keine feineren Leute als „die Minister in die lange Straß',<lb/> auf die breite Platz." Man läßt auch die liberalen Führer ein bischen mit-<lb/> regicren, und indeß treibt man in Berlin Großmachtpolitik, indem man Preußen<lb/> majorisirt. Freilich musz man dann, wenn Jupiter mit dem Blitzstrahl droht,<lb/> sich zu entschuldigen wissen. Allein was thut das im „Inlande?" Mit den<lb/> Intelligenzen vom Darm — sollst wachsen keine im Hessenlande — und den<lb/> Nichtintclligenzen der zweiten Kammer Hand in Hand darf man sagen: „Fest<lb/> wie der Erde Grund gegen des Unglücks Macht steht mir des Hauses Pracht."<lb/> Wir empfehlen jedoch den Herren vom Sandland und Hartwald auch die fol¬<lb/> genden Verse zu lesen. Denn — der Kanzler schreitet schnell.</p><lb/> <note type="byline"/><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0262]
Literatur
wie unpassend es sei, daß sich Beamte an der Wahlagitation betheiligten, da
die Regierung hierdurch in den Verdacht kommen könne, die Wahl in der frag¬
lichen Richtung zu beeinflussen. Durch einen solchen Ukas wurde in einem
hessischen Wahlkreise ein Beamter, der für die Kandidaten der Reichspartei und
die Bismarcksche Wirthschaftspolitik eintrat, mundtodt gemacht; daß aber ein
Kreisschnlinspcktor das gesammte Schulmcistcrthum einlud, den seeessionistischen
Kandidaten durchzubringen, scheint keinen Tadel gefunden zu haben. Und daß
das wenigstens so ausgelegt wurde, als ob die Regierung die Opposition gegen
die Rcichsregieruug begünstige, scheint aus der Thatsache Hervorzugeheu, daß
einem Beamten, der den reichstrcucn Kandidaten gewählt hatte, gesagt wurde:
„Eben haben Sie gegen die Regierung gestimmt," „Wie?" fragte dieser ver¬
wundert, „ich habe ja für das Reich gestimmt," „Aber gegen die hessische
Regierung," lautete die Replik. Muß es darnach nicht den Anschein gewinnen,
als ob das „Fort mit Bismarck" an der Küste des Darmstroms shmpathische»
Wiederhall finde? als ob man es gern sähe, wenn dem Kanzler so „hinten
herum" Steine in den Weg geworfen würden? Um aber wenigstens eine
Stütze zu haben, hält man sich eine liberale zweite Kammer, zu deren Be-
schaffung das indirekte Wahlsystem sich vorzüglich eignet (in Baden scheint es
aber damit zu Ende zu gehen); dann drückt man den Erwählten des Volkes
die Hand, lädt sie zur Grvßherzoglichen Tafel, worauf die ganze Gesellschaft
schwört, es gäbe keine feineren Leute als „die Minister in die lange Straß',
auf die breite Platz." Man läßt auch die liberalen Führer ein bischen mit-
regicren, und indeß treibt man in Berlin Großmachtpolitik, indem man Preußen
majorisirt. Freilich musz man dann, wenn Jupiter mit dem Blitzstrahl droht,
sich zu entschuldigen wissen. Allein was thut das im „Inlande?" Mit den
Intelligenzen vom Darm — sollst wachsen keine im Hessenlande — und den
Nichtintclligenzen der zweiten Kammer Hand in Hand darf man sagen: „Fest
wie der Erde Grund gegen des Unglücks Macht steht mir des Hauses Pracht."
Wir empfehlen jedoch den Herren vom Sandland und Hartwald auch die fol¬
genden Verse zu lesen. Denn — der Kanzler schreitet schnell.
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