und in den Tagen, wo der "Kulturkampf" c"n leidenschaftlichsten tobte, ergriff Bismarck wiederholt die Gelegenheit, seine Liebe zum Frieden auszusprechen und die Ueberzeugung, daß eine Verständigung der streitenden Parteien möglich sei und mit der Zeit stattfinden werde. Seine Hoffnung auf das Gelingen eines Friedensschlusses -- oder sagen wir auf den Abschluß eines Waffenstillstandes, auf das Zustandekommen eiues moäus vivsmli -- setzte er darauf, daß wieder ein fried¬ liebender Papst kommen werde, mit dem sich verhandeln lasse.
Diese Hoffnung belebte sich, als Pius IX. am 7. Februar 1878 starb und der Cardinal Pecei als Leo XIII. am 3. März den Stuhl Petri bestieg und den als gemäßigt bekannten Cardinal Franchi zum Staatsscerctär ernannte. Der neue Papst zeigte dem deutschen Kaiser seine Erhebung an und sprach dabei sein Bedauern ans, nicht die guten Beziehungen vorzufinden, welche einst zwischen Preußen und der Curie bestanden hätten. Der Kaiser antwortete darauf am 24. März: "Gern ent¬ nehme ich den freundlichen Worten Ew. Heiligkeit die Hoffnung, daß Sie geneigt sein werden, mit dem mächtigen Einflüsse, welchen die Verfassung Ihrer Kirche Ew. Heiligkeit auf alle Diener derselben gewährt, dahin zu wirken, daß anch die¬ jenigen unter den letztern, welche es bisher unterließen, nunmehr dem Beispiel der ihrer geistlichen Pflege befohlenen Bevölkerung folgend, den Gesetzen des Landes, in dem sie wohnen, sich fügen werden." Der Papst erwiederte hierauf am 17. April und bezeichnete als Mittel zur Verständigung die Abänderung "verschiedener in Preußen bestehender Gesetze und Verfassungsbestimmungen." Die Antwort des Kaisers verzögerte sich, indem man in Berlin erwartete, daß von Rom aus ver.' trauliche Verhandlungen angeknüpft werden würden. Am 2. Juni fand das Attentat Nobiling statt, und an die Stelle des Kaisers trat als interimistischer Regent der Kronprinz. Der Papst sprach seine Theilnahme in Betreff des Mordversuchs aus, und der Kronprinz richtete darauf um 10. Juni ein Schreiben um Leo, in welchem er dankte, jene Verzögerung erklärte und dann im Namen seines Vaters sprechend
Grenzboten IV. 1881. 29
politische Rückblicke und Ausblicke. 6,
und in den Tagen, wo der „Kulturkampf" c»n leidenschaftlichsten tobte, ergriff Bismarck wiederholt die Gelegenheit, seine Liebe zum Frieden auszusprechen und die Ueberzeugung, daß eine Verständigung der streitenden Parteien möglich sei und mit der Zeit stattfinden werde. Seine Hoffnung auf das Gelingen eines Friedensschlusses — oder sagen wir auf den Abschluß eines Waffenstillstandes, auf das Zustandekommen eiues moäus vivsmli — setzte er darauf, daß wieder ein fried¬ liebender Papst kommen werde, mit dem sich verhandeln lasse.
Diese Hoffnung belebte sich, als Pius IX. am 7. Februar 1878 starb und der Cardinal Pecei als Leo XIII. am 3. März den Stuhl Petri bestieg und den als gemäßigt bekannten Cardinal Franchi zum Staatsscerctär ernannte. Der neue Papst zeigte dem deutschen Kaiser seine Erhebung an und sprach dabei sein Bedauern ans, nicht die guten Beziehungen vorzufinden, welche einst zwischen Preußen und der Curie bestanden hätten. Der Kaiser antwortete darauf am 24. März: „Gern ent¬ nehme ich den freundlichen Worten Ew. Heiligkeit die Hoffnung, daß Sie geneigt sein werden, mit dem mächtigen Einflüsse, welchen die Verfassung Ihrer Kirche Ew. Heiligkeit auf alle Diener derselben gewährt, dahin zu wirken, daß anch die¬ jenigen unter den letztern, welche es bisher unterließen, nunmehr dem Beispiel der ihrer geistlichen Pflege befohlenen Bevölkerung folgend, den Gesetzen des Landes, in dem sie wohnen, sich fügen werden." Der Papst erwiederte hierauf am 17. April und bezeichnete als Mittel zur Verständigung die Abänderung „verschiedener in Preußen bestehender Gesetze und Verfassungsbestimmungen." Die Antwort des Kaisers verzögerte sich, indem man in Berlin erwartete, daß von Rom aus ver.' trauliche Verhandlungen angeknüpft werden würden. Am 2. Juni fand das Attentat Nobiling statt, und an die Stelle des Kaisers trat als interimistischer Regent der Kronprinz. Der Papst sprach seine Theilnahme in Betreff des Mordversuchs aus, und der Kronprinz richtete darauf um 10. Juni ein Schreiben um Leo, in welchem er dankte, jene Verzögerung erklärte und dann im Namen seines Vaters sprechend
Grenzboten IV. 1881. 29
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politische Rückblicke und Ausblicke.
6,
und in den Tagen, wo der „Kulturkampf" c»n leidenschaftlichsten
tobte, ergriff Bismarck wiederholt die Gelegenheit, seine Liebe zum
Frieden auszusprechen und die Ueberzeugung, daß eine Verständigung
der streitenden Parteien möglich sei und mit der Zeit stattfinden
werde. Seine Hoffnung auf das Gelingen eines Friedensschlusses —
oder sagen wir auf den Abschluß eines Waffenstillstandes, auf das
Zustandekommen eiues moäus vivsmli — setzte er darauf, daß wieder ein fried¬
liebender Papst kommen werde, mit dem sich verhandeln lasse.
Diese Hoffnung belebte sich, als Pius IX. am 7. Februar 1878 starb und der
Cardinal Pecei als Leo XIII. am 3. März den Stuhl Petri bestieg und den als
gemäßigt bekannten Cardinal Franchi zum Staatsscerctär ernannte. Der neue Papst
zeigte dem deutschen Kaiser seine Erhebung an und sprach dabei sein Bedauern ans,
nicht die guten Beziehungen vorzufinden, welche einst zwischen Preußen und der
Curie bestanden hätten. Der Kaiser antwortete darauf am 24. März: „Gern ent¬
nehme ich den freundlichen Worten Ew. Heiligkeit die Hoffnung, daß Sie geneigt
sein werden, mit dem mächtigen Einflüsse, welchen die Verfassung Ihrer Kirche
Ew. Heiligkeit auf alle Diener derselben gewährt, dahin zu wirken, daß anch die¬
jenigen unter den letztern, welche es bisher unterließen, nunmehr dem Beispiel der
ihrer geistlichen Pflege befohlenen Bevölkerung folgend, den Gesetzen des Landes,
in dem sie wohnen, sich fügen werden." Der Papst erwiederte hierauf am 17. April
und bezeichnete als Mittel zur Verständigung die Abänderung „verschiedener in
Preußen bestehender Gesetze und Verfassungsbestimmungen." Die Antwort des
Kaisers verzögerte sich, indem man in Berlin erwartete, daß von Rom aus ver.'
trauliche Verhandlungen angeknüpft werden würden. Am 2. Juni fand das Attentat
Nobiling statt, und an die Stelle des Kaisers trat als interimistischer Regent der
Kronprinz. Der Papst sprach seine Theilnahme in Betreff des Mordversuchs aus,
und der Kronprinz richtete darauf um 10. Juni ein Schreiben um Leo, in welchem
er dankte, jene Verzögerung erklärte und dann im Namen seines Vaters sprechend
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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/227>, abgerufen am 24.01.2025.
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