Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Politische Rückblicke und Ausblicke, Von Millionen Menschen aufs tiefste verletzt werden, darf man sich nicht wundern, Am folgenden Tage theilte der Reichskanzler, als es sich im Reichstage um Zeigten Knllmanns Attentat und Meglias Ausspruch schon, daß der Streit Die Klarheit, welche der Papst durch diese Kundgebung in seine Beziehungen Bei der Berathung des Sperrgesetzes sagte Bismarck am 16. März: "Auch Politische Rückblicke und Ausblicke, Von Millionen Menschen aufs tiefste verletzt werden, darf man sich nicht wundern, Am folgenden Tage theilte der Reichskanzler, als es sich im Reichstage um Zeigten Knllmanns Attentat und Meglias Ausspruch schon, daß der Streit Die Klarheit, welche der Papst durch diese Kundgebung in seine Beziehungen Bei der Berathung des Sperrgesetzes sagte Bismarck am 16. März: „Auch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0194" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150916"/> <fw type="header" place="top"> Politische Rückblicke und Ausblicke,</fw><lb/> <p xml:id="ID_613" prev="#ID_612"> Von Millionen Menschen aufs tiefste verletzt werden, darf man sich nicht wundern,<lb/> daß in dem einen und dem andern Kopfe sich dieses verletzte Gefühl zu einem<lb/> verbrecherischen Plane verdichtet." Aehnlich sagte Windthorst am 4, December im<lb/> Reichstage: „Wenn die politischen und kirchlichen Streitigkeiten zu einem Siede¬<lb/> punkte gelangen, muß man sich nicht wundern, wenn unglückliche Menschen zu einem<lb/> wahnsinnigen Unternehmen hingerissen werden. Das liegt eben an der unglück¬<lb/> lichen Constellation, und diejenigen mögen es sich zuschreiben, welche diese Kon¬<lb/> stellation herbeigeführt haben." Nicht Kullmann also, sondern Bismarck war Schuld<lb/> an dem Attentate!</p><lb/> <p xml:id="ID_614"> Am folgenden Tage theilte der Reichskanzler, als es sich im Reichstage um<lb/> Einziehung der deutschen Gesandtschaft bei der Curie handelte, zum Schrecken des<lb/> Centrums mit, daß der frühere Nuntius Mcglia in München geäußert habe: „Wir<lb/> können uns auf Vergleiche nicht mehr einlassen, der Kirche kann nur die Revo¬<lb/> lution noch helfen," was der Abgeordnete v. Varnbüler mit dem Hinzufügen be¬<lb/> stätigte, daß diese Aeußerung gegen den würtembergischen Geschäftsträger gethan<lb/> worden sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_615"> Zeigten Knllmanns Attentat und Meglias Ausspruch schon, daß der Streit<lb/> seinen Höhepunkt erreicht hatte, so war die Eneyklika des Papstes vom 5. Februar<lb/> 1375 eine Bestätigung dieser Beobachtung. Dieses Rundschreiben, welches einige<lb/> Wochen nach der wegen gröblicher Vergehen gegen die Kirchengesetze erfolgten Ab¬<lb/> setzung des Bischofs vou Paderborn an die deutschen Bischöfe erging, erklärte die<lb/> Maigesetze für solche, „welche die göttliche Verfassung der Kirche völlig umstürzten<lb/> und die heiligen Gerechtsame der Bischöfe gänzlich zu Grunde richteten," und be¬<lb/> hauptete, sie seien „nicht freien Bürgern gegeben, um einen vernünftigen Gehorsam<lb/> zu fordern, sondern Sclaven auferlegt, um den Gehorsam durch des Schreckens<lb/> Gewalt zu erzwingen." Ledochowski, der Erzbischof von Gnesen und Posen, schon<lb/> 1373 abgesetzt, und Martin, der Bischof vou Paderborn, wurden als „glänzende<lb/> Tugendbeispicle zur Erbauung der ganzen Kirche" gepriesen. Endlich verkündigte<lb/> der Papst in diesem Schreiben „ganz offen vor allen, die es angeht, und dem<lb/> ganzen katholischen Erdkreise," daß die Maigesetze von 1873 und 1874 ungiltig<lb/> seien, dn sie der göttlichen Einrichtung der Kirche ganz und gar widerstritten, und<lb/> sprach über die altkathvlische Geistlichkeit, deren Bischof kurz zuvor vom Kaiser an¬<lb/> erkannt worden war, die große Excommunication aus.</p><lb/> <p xml:id="ID_616"> Die Klarheit, welche der Papst durch diese Kundgebung in seine Beziehungen<lb/> zur preußischen Regierung gebracht hatte, zeichnete letzterer die Wege unverkennbar<lb/> vor, welche sie gegen diese revolutionäre Anmaßung weiter zu betreten hatte: es<lb/> mußte für die katholische Kirche in Preußen zum allseitigen klaren Bewußtsein<lb/> kommen, wer im Lande Souverän sei. So erfolgte am 4. März im Landtage<lb/> die Vorlage wegen Einstellung der Leistungen des Staates für die katholische Kirche,<lb/> soweit nicht der Bischof oder der einzelne Geistliche sich verpflichtet hatte, die Staats-<lb/> gesetze zu achten (das sogenannte „Sperrgesetz"). Zugleich wurden dem Landtage<lb/> Gesetzentwürfe über die Aufhebung der geistlichen Orden und ordensähnlichen Cou-<lb/> gregationen und über die Vermögensverwaltung in den katholischen Kirchenge¬<lb/> meinden sowie ein die Rechte der Altkatholiken regelnder Gesetzentwurf vorgelegt.<lb/> Alle diese Gesetze erhielten die Genehmigung des Landtags und die Unterschrift<lb/> des Kaisers und traten, hierauf publicirt, in Geltung.</p><lb/> <p xml:id="ID_617" next="#ID_618"> Bei der Berathung des Sperrgesetzes sagte Bismarck am 16. März: „Auch<lb/> dieses Gesetz wird keinen nennenswerthen Erfolg haben. Der Papst und zehnmal<lb/> mehr der Jesuitenorden sind viel zu reich, als daß es ihnen auf diese Summe</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0194]
Politische Rückblicke und Ausblicke,
Von Millionen Menschen aufs tiefste verletzt werden, darf man sich nicht wundern,
daß in dem einen und dem andern Kopfe sich dieses verletzte Gefühl zu einem
verbrecherischen Plane verdichtet." Aehnlich sagte Windthorst am 4, December im
Reichstage: „Wenn die politischen und kirchlichen Streitigkeiten zu einem Siede¬
punkte gelangen, muß man sich nicht wundern, wenn unglückliche Menschen zu einem
wahnsinnigen Unternehmen hingerissen werden. Das liegt eben an der unglück¬
lichen Constellation, und diejenigen mögen es sich zuschreiben, welche diese Kon¬
stellation herbeigeführt haben." Nicht Kullmann also, sondern Bismarck war Schuld
an dem Attentate!
Am folgenden Tage theilte der Reichskanzler, als es sich im Reichstage um
Einziehung der deutschen Gesandtschaft bei der Curie handelte, zum Schrecken des
Centrums mit, daß der frühere Nuntius Mcglia in München geäußert habe: „Wir
können uns auf Vergleiche nicht mehr einlassen, der Kirche kann nur die Revo¬
lution noch helfen," was der Abgeordnete v. Varnbüler mit dem Hinzufügen be¬
stätigte, daß diese Aeußerung gegen den würtembergischen Geschäftsträger gethan
worden sei.
Zeigten Knllmanns Attentat und Meglias Ausspruch schon, daß der Streit
seinen Höhepunkt erreicht hatte, so war die Eneyklika des Papstes vom 5. Februar
1375 eine Bestätigung dieser Beobachtung. Dieses Rundschreiben, welches einige
Wochen nach der wegen gröblicher Vergehen gegen die Kirchengesetze erfolgten Ab¬
setzung des Bischofs vou Paderborn an die deutschen Bischöfe erging, erklärte die
Maigesetze für solche, „welche die göttliche Verfassung der Kirche völlig umstürzten
und die heiligen Gerechtsame der Bischöfe gänzlich zu Grunde richteten," und be¬
hauptete, sie seien „nicht freien Bürgern gegeben, um einen vernünftigen Gehorsam
zu fordern, sondern Sclaven auferlegt, um den Gehorsam durch des Schreckens
Gewalt zu erzwingen." Ledochowski, der Erzbischof von Gnesen und Posen, schon
1373 abgesetzt, und Martin, der Bischof vou Paderborn, wurden als „glänzende
Tugendbeispicle zur Erbauung der ganzen Kirche" gepriesen. Endlich verkündigte
der Papst in diesem Schreiben „ganz offen vor allen, die es angeht, und dem
ganzen katholischen Erdkreise," daß die Maigesetze von 1873 und 1874 ungiltig
seien, dn sie der göttlichen Einrichtung der Kirche ganz und gar widerstritten, und
sprach über die altkathvlische Geistlichkeit, deren Bischof kurz zuvor vom Kaiser an¬
erkannt worden war, die große Excommunication aus.
Die Klarheit, welche der Papst durch diese Kundgebung in seine Beziehungen
zur preußischen Regierung gebracht hatte, zeichnete letzterer die Wege unverkennbar
vor, welche sie gegen diese revolutionäre Anmaßung weiter zu betreten hatte: es
mußte für die katholische Kirche in Preußen zum allseitigen klaren Bewußtsein
kommen, wer im Lande Souverän sei. So erfolgte am 4. März im Landtage
die Vorlage wegen Einstellung der Leistungen des Staates für die katholische Kirche,
soweit nicht der Bischof oder der einzelne Geistliche sich verpflichtet hatte, die Staats-
gesetze zu achten (das sogenannte „Sperrgesetz"). Zugleich wurden dem Landtage
Gesetzentwürfe über die Aufhebung der geistlichen Orden und ordensähnlichen Cou-
gregationen und über die Vermögensverwaltung in den katholischen Kirchenge¬
meinden sowie ein die Rechte der Altkatholiken regelnder Gesetzentwurf vorgelegt.
Alle diese Gesetze erhielten die Genehmigung des Landtags und die Unterschrift
des Kaisers und traten, hierauf publicirt, in Geltung.
Bei der Berathung des Sperrgesetzes sagte Bismarck am 16. März: „Auch
dieses Gesetz wird keinen nennenswerthen Erfolg haben. Der Papst und zehnmal
mehr der Jesuitenorden sind viel zu reich, als daß es ihnen auf diese Summe
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