Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Politische Rückblicke und Ausblicke. lose Leute berechnet ist, wenn man sie darstellt, als ob es sich um Bedrückung der Am 9. Januar 1373 erfolgte die Vorlegung der vier ersten kirchenpolitischen Die Bischöfe leisteten deu Maigesetzen nicht bloß passiven, sondern activen Politische Rückblicke und Ausblicke. lose Leute berechnet ist, wenn man sie darstellt, als ob es sich um Bedrückung der Am 9. Januar 1373 erfolgte die Vorlegung der vier ersten kirchenpolitischen Die Bischöfe leisteten deu Maigesetzen nicht bloß passiven, sondern activen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0192" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150914"/> <fw type="header" place="top"> Politische Rückblicke und Ausblicke.</fw><lb/> <p xml:id="ID_606" prev="#ID_605"> lose Leute berechnet ist, wenn man sie darstellt, als ob es sich um Bedrückung der<lb/> Kirche handelte. Es handelt sich um die Vertheidigung des Staates, es handelt<lb/> sich um die Abgrenzung, wie weit die Priesterherrschaft und wie weit die Königs¬<lb/> herrschaft gehen soll, und diese Abgrenzung muß so gefunden werden, daß der<lb/> Staat dabei bestehen kann. Denn in dem Reiche dieser Welt hat er das Regiment<lb/> und den Vortritt."</p><lb/> <p xml:id="ID_607"> Am 9. Januar 1373 erfolgte die Vorlegung der vier ersten kirchenpolitischen<lb/> Gesetze, welche 1. die Grenzen des Rechts zum Gebrauch kirchlicher Straf- und<lb/> Zuchtmittel, 2. die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen, 3. den Austritt aus<lb/> der Kirche und 4. die kirchliche Disciplincirgewalt und die Errichtung eines Ge¬<lb/> richtshofs für kirchliche Angelegenheiten betrafen. Am 30. Januar baten die Bi¬<lb/> schöfe in einer Adresse den Kaiser, diese Gesetze nicht berathen zu lassen oder nicht<lb/> zu sauctionircn, da die Gläubigen sie nicht annehmen und befolgen könnten. Der<lb/> Kaiser ging selbstverständlich hierauf nicht ein, die Gesetze wurden berathen und<lb/> Anfang Mai von beiden Häusern des Landtags angenommen. Am 1ö. Mai traten<lb/> sie, vom Kaiser sanctionirt, in Geltung. Bei der Berathung derselben war von<lb/> den Vertretern der Regierung die Hoffnung ausgesprochen worden, man werde<lb/> mit denselben zum Frieden mit der Curie und deu Bischöfen gelangen. Diese<lb/> Hoffnung ging indeß nicht in Erfüllung, vielmehr wurde der „Culturkampf," wie<lb/> der Streit damals zuerst in einem fortschrittlichen Wahlaufrufe genannt wurde,<lb/> durch die „Maigesetze" nur bitterer und schärfer. Die Sprache Roms und der<lb/> Bischöfe nahm an Heftigkeit zu, die „diocletianische Verfolgung" wurde stehende<lb/> Redensart in der klerikalen Presse, und in den Blättern der Gegenpartei wurde<lb/> der Ton ebenfalls fortwährend ungestümer und rücksichtsloser. Am 7. August schrieb<lb/> der Papst dem Kaiser einen Brief, der mit dem Satze anfing: „Sämmtliche Ma߬<lb/> regeln, welche seit einiger Zeit von Ew. Majestät ergriffen worden sind, zielen<lb/> mehr und mehr auf die Vernichtung des Katholicismus ab." Dann hieß es in<lb/> dem Schreiben, wenn die preußische Regierung fortführe, „die religiösen Ma߬<lb/> regeln gegen die Religion Jesu Christi weiter auszudehnen," würden sie keine andre<lb/> Wirkung als die Untergrabung des kaiserlichen Thrones haben. „Ich rede mit<lb/> Freimuth; denn mein Panier ist Wahrheit," sagte der Papst, „und ich rede, um<lb/> eine meiner Pflichten zu erfüllen, welche darin besteht, allen die Wahrheit zu sagen,<lb/> auch denen, die nicht Katholiken sind. Denn jeder, welcher die Taufe empfangen<lb/> hat, gehört in irgend einer Beziehung . . . dem Papste an." In seinein Ant¬<lb/> wortschreiben vom 3. September bezeichnete der Kaiser die katholische Geistlichkeit,<lb/> welche der Regierung den verfassungsmäßigen Gehorsam verweigere, als Anstifterin<lb/> des Streites, erklärte sich mit den von seinen Ministern vorgeschlagenen Gesetzen<lb/> und Negierungsmaßrcgeln vollständig einverstanden und wies die päpstliche Prä¬<lb/> tension, daß er durch die Taufe dem Papste angehöre, mit den Worten zurück:<lb/> „Der evangelische Glaube, zu dem ich mich, wie Ew. Heiligkeit bekannt sein muß,<lb/> gleich meinen Vorfahren und mit der Mehrheit meiner Unterthanen bekenne, ge¬<lb/> stattet uns nicht, in dem Verhältnisse zu Gott einen andern Vermittler als unsern<lb/> Herrn Jesum Christum anzunehmen."</p><lb/> <p xml:id="ID_608" next="#ID_609"> Die Bischöfe leisteten deu Maigesetzen nicht bloß passiven, sondern activen<lb/> Widerstand. Sie stellten ohne vorherige Anzeige bei der Regierung Geistliche als<lb/> Pfarrer an. Sie verleiteten Beamte, der Aufforderung der Regierung nicht zu folgen.<lb/> Sie geboten den widerrechtlich angestellten Pfarrern und Caplänen, denen die Regierung<lb/> geistliche Functionen auszuüben untersagte, diese Functionen trotzdem auszuüben. Die<lb/> Regierung ergriff dagegen erst milde, dann strengere Maßregeln. Sie belegte die Bi-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0192]
Politische Rückblicke und Ausblicke.
lose Leute berechnet ist, wenn man sie darstellt, als ob es sich um Bedrückung der
Kirche handelte. Es handelt sich um die Vertheidigung des Staates, es handelt
sich um die Abgrenzung, wie weit die Priesterherrschaft und wie weit die Königs¬
herrschaft gehen soll, und diese Abgrenzung muß so gefunden werden, daß der
Staat dabei bestehen kann. Denn in dem Reiche dieser Welt hat er das Regiment
und den Vortritt."
Am 9. Januar 1373 erfolgte die Vorlegung der vier ersten kirchenpolitischen
Gesetze, welche 1. die Grenzen des Rechts zum Gebrauch kirchlicher Straf- und
Zuchtmittel, 2. die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen, 3. den Austritt aus
der Kirche und 4. die kirchliche Disciplincirgewalt und die Errichtung eines Ge¬
richtshofs für kirchliche Angelegenheiten betrafen. Am 30. Januar baten die Bi¬
schöfe in einer Adresse den Kaiser, diese Gesetze nicht berathen zu lassen oder nicht
zu sauctionircn, da die Gläubigen sie nicht annehmen und befolgen könnten. Der
Kaiser ging selbstverständlich hierauf nicht ein, die Gesetze wurden berathen und
Anfang Mai von beiden Häusern des Landtags angenommen. Am 1ö. Mai traten
sie, vom Kaiser sanctionirt, in Geltung. Bei der Berathung derselben war von
den Vertretern der Regierung die Hoffnung ausgesprochen worden, man werde
mit denselben zum Frieden mit der Curie und deu Bischöfen gelangen. Diese
Hoffnung ging indeß nicht in Erfüllung, vielmehr wurde der „Culturkampf," wie
der Streit damals zuerst in einem fortschrittlichen Wahlaufrufe genannt wurde,
durch die „Maigesetze" nur bitterer und schärfer. Die Sprache Roms und der
Bischöfe nahm an Heftigkeit zu, die „diocletianische Verfolgung" wurde stehende
Redensart in der klerikalen Presse, und in den Blättern der Gegenpartei wurde
der Ton ebenfalls fortwährend ungestümer und rücksichtsloser. Am 7. August schrieb
der Papst dem Kaiser einen Brief, der mit dem Satze anfing: „Sämmtliche Ma߬
regeln, welche seit einiger Zeit von Ew. Majestät ergriffen worden sind, zielen
mehr und mehr auf die Vernichtung des Katholicismus ab." Dann hieß es in
dem Schreiben, wenn die preußische Regierung fortführe, „die religiösen Ma߬
regeln gegen die Religion Jesu Christi weiter auszudehnen," würden sie keine andre
Wirkung als die Untergrabung des kaiserlichen Thrones haben. „Ich rede mit
Freimuth; denn mein Panier ist Wahrheit," sagte der Papst, „und ich rede, um
eine meiner Pflichten zu erfüllen, welche darin besteht, allen die Wahrheit zu sagen,
auch denen, die nicht Katholiken sind. Denn jeder, welcher die Taufe empfangen
hat, gehört in irgend einer Beziehung . . . dem Papste an." In seinein Ant¬
wortschreiben vom 3. September bezeichnete der Kaiser die katholische Geistlichkeit,
welche der Regierung den verfassungsmäßigen Gehorsam verweigere, als Anstifterin
des Streites, erklärte sich mit den von seinen Ministern vorgeschlagenen Gesetzen
und Negierungsmaßrcgeln vollständig einverstanden und wies die päpstliche Prä¬
tension, daß er durch die Taufe dem Papste angehöre, mit den Worten zurück:
„Der evangelische Glaube, zu dem ich mich, wie Ew. Heiligkeit bekannt sein muß,
gleich meinen Vorfahren und mit der Mehrheit meiner Unterthanen bekenne, ge¬
stattet uns nicht, in dem Verhältnisse zu Gott einen andern Vermittler als unsern
Herrn Jesum Christum anzunehmen."
Die Bischöfe leisteten deu Maigesetzen nicht bloß passiven, sondern activen
Widerstand. Sie stellten ohne vorherige Anzeige bei der Regierung Geistliche als
Pfarrer an. Sie verleiteten Beamte, der Aufforderung der Regierung nicht zu folgen.
Sie geboten den widerrechtlich angestellten Pfarrern und Caplänen, denen die Regierung
geistliche Functionen auszuüben untersagte, diese Functionen trotzdem auszuüben. Die
Regierung ergriff dagegen erst milde, dann strengere Maßregeln. Sie belegte die Bi-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |